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Kommentar: Ziel verpasst

Das Magazin 2007/33, 18.08.2007, von Ursula von Arx

Kommentar: Ziel verpasst
Nach den letzten Wahlen hatte die SP einen Traumstart. Alles verspielt.

Wer ist Otto Stich? Eigentlich wäre das eine Frage für Historiker – wenn nicht die Antwort lauten würde: die einzig sichtbare Wahlkampflokomotive der SP im Jahr 2007. Aber fangen wir vorne an.

Die Lex Koller (eine gesetzliche Hürde für Ausländer, die in der Schweiz Grundstücke und Immobilien kaufen wollen) sei abzuschaffen, beschloss der Bundesrat vor sechs Wochen. Das Gesetz sei nicht mehr nötig, erklärte Justizminister Christoph Blocher (SVP). Umweltminister Moritz Leuenberger (SP) verlor noch ein paar Worte zu heiklen Details. Von kalten Betten war die Rede, dem wuchernden Zweitwohnungsbau im Wallis und in Graubünden. Die Medien stellten fest, dass SP, CVP, FDP und SVP dem Bundesrat recht gaben, rieben sich kurz die Augen, stellten weiter fest, dass nur die Schweizer Demokraten von einem Referendum sprachen, und liessen es gut sein.

Bis letzten Sonntag. Da schaffte es die Zürcher SP-Gemeinderätin Jacqueline Badran mit dem inzwischen achtzigjährigen Alt-SP-Bundesrat Otto Stich in die «SonntagsZeitung». Die Abschaffung der Lex Koller hätte enorme Auswirkungen, nicht nur in den Bergen, erklärten die beiden. Sie treibe die Mieten in den Ballungsgebieten in die Höhe, sie öffne ausländischen Spekulanten Tür und Tor, begünstige Steuerflucht und Geldwäscherei. Da ist so ziemlich alles dabei, was eine linke Partei nie befürworten kann und womit sie ihr geneigte Wähler daran erinnern könnte, dass es sie noch gibt. Sogar ein Schuss jenes aufgeklärten Patriotismus, den Bundesrätin Calmy-Rey auf dem Rütli zu verbreiten suchte.

Die SP, hört man, soll im Augenblick daran sein, ihre Position zur Lex Koller zu überdenken. Und sonst? Die geneigten Wähler erfahren auf der Website der Partei, dass man eine Steuergerechtigkeits-Initiative lanciert hat. Dumm nur, dass das ganze Land inzwischen wieder über die Flat Tax spricht. Auch Finanzminister Rudolf Merz (FDP), dessen Beamte schon vor drei Jahren vorgerechnet haben, dass die den Mittelstand noch stärker belasten würde. Während Merz also den Reichen Wahlgeschenke verspricht, stellt die SP ein «26-seitiges Grundlagenpapier zur Sportpolitik» online. Dort erfährt man, warum die Genossen «das Angebot von Jugend+Sport flächendeckend ausweiten wollen». Und sonst?

Man fühlt sich schon beinahe mies, wenn man daran erinnert, dass die SP nach den Wahlen vor vier Jahren einen Traumstart erwischte. Vier grosse Abstimmungen gewann sie damals in Serie, sie versenkte das Steuerpaket, die zweite Gotthardröhre (Avanti), AHV-Rentenkürzungen (11. AHV-Revision), und sie brachte die Mutterschaftsversicherung durch. Und SP-Präsident Hans-Jürg Fehr verkündete: «So wichtig es ist, den Sozialstaat als historische Errungenschaft zu verteidigen, so wichtig wird es sein, in die Offensive zu gehen. Wir müssen nun strategische Reformprojekte definieren und die Umsetzung planen.» Das erinnert an die Rhetorik von Fünfjahresplänen. Vier Jahre können da verdammt schnell ins Land ziehen, und ebenso schnell verliert man den Anschluss.