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Preisboom an attraktiven Wohnlagen sorgt für Missmut

25. August 2007, Neue Zürcher Zeitung

Der Preisboom an attraktiven Wohnlagen sorgt für Missmut
Trotz Lex Koller steigen die Grundstückpreise am Zürichsee unaufhaltsam

Ein Eigenheim am Zürichsee wird für den Mittelstand unerschwinglich. Nicht nur, weil reiche Ausländer zunehmend bereit sind, für einen Wohnsitz an Toplage fast jeden Preis zu bezahlen. Denn der Markt ist nach wie vor durch die Nachfrage aus der Schweiz geprägt.
sho. Seit der Bundesrat die Abschaffung der Lex Koller, die den Erwerb von Grundeigentum durch Ausländer beschränkt, auf die politische Agenda gesetzt hat, geben spektakuläre Grundstückkäufe am Zürichsee zu reden. Deutsche kauften die Goldküste auf, lauten Schlagzeilen. Oder Russen mit unermesslichen Geldquellen; der Oligarch als Schreckgespenst des oberen Mittelstandes.

Einzelfälle erregen die Gemüter. Das Restaurant Ermitage in Küsnacht ist mittlerweile abgebrochen. Ab Herbst ist hier der Bau von zwei Häusern mit je drei Wohnungen vorgesehen. Laut Medienberichten gibt es nur Kaufinteressenten aus dem Ausland für die Wohnungen, die zwischen fünf und neun Millionen Franken kosten sollen. Für den stolzen Preis gab, betrachtet man die Werbetafel am Bauplatz, offensichtlich primär der Standort Goldküste den Ausschlag. Denn was auf dem Areal der einstigen Nobelherberge am Seeufer entsteht, ist architektonische Hausmannskost.

Droht eine «Engadinisierung»?
Immer deutlicher tritt die Kehrseite der Preisexplosion hervor. In Küsnacht haben sich an guten Lagen die Liegenschaftenpreise in den letzten fünf Jahren nahezu verdoppelt, schätzt Gemeindeschreiber Peter Wettstein. Heute seien dafür 3500 bis 4000 Franken pro Quadratmeter zu bezahlen. Einheimische könnten kaum noch Wohneigentum erwerben, so Wettstein. Mittlerweile warnen selbst Grundstückmakler vor der Entwicklung. Sie streichen einen Faktor hervor: Wenn reiche Ausländer an die Goldküste ziehen, sparen sie häufig in einem Umfang Steuern, dass der Preis für den Wohnsitz kaum mehr ins Gewicht fällt. Selbst begüterte Schweizer könnten oft nicht mehr mitbieten.

Auch in der Stadt Zürich gibt das Phänomen zu reden, das der ehemalige FDP-Politiker und Wirtschaftsvertreter Max Fritz einmal als «Engadinisierung» umschrieben hat. Er hat den Eindruck, bei Handänderungen würden immer häufiger Deutsche und Russen einheimische Mitbewerber ausstechen, betont aber auch die Mitverantwortung der Schweizer Verkäufer, die vom Geschäft profitierten. Auswirkungen zeigen sich nicht nur an absoluten Spitzenlagen. In seinem Wohnquartier Witikon beobachtet Fritz, wie zunehmend kleine Einfamilienhäuser verschwinden. Das Grundstück werde dann unter voller Ausnutzung neu mit zwei bis drei Wohnungen bebaut. Für die Eigentümer sei das ein sicheres Geschäft, sagt Fritz. Der Trend verändere aber schleichend den Charakter des Quartiers.

Statistik bestätigt das Bild nur teilweise
Seit 2003 zeigt die Kurve der Preise für Einfamilienhäuser steil nach oben. Gemäss dem Index des Beratungsunternehmens Wüest und Partner stiegen die Preise im Durchschnitt umso stärker, je grösser die verkauften Liegenschaften sind. An der Goldküste ist der Preisboom ausgeprägter als in der Stadt Zürich. In der gesamten Region Pfannenstiel legten gehobene Einfamilienhäuser gegenüber 2000 um 57 Prozent zu, in Zollikon, Zumikon und Küsnacht noch deutlich mehr.

Schwieriger zu sagen ist, ob reiche Ausländer diesen Trend anheizen. Ein Ausverkauf der Goldküste ist aus den Daten zu den Handänderungen, die das Statistische Amt des Kantons erhebt, jedenfalls nicht erkennbar. Von fünf verkauften Einfamilienhäusern an beiden Seeufern ging 2006 im Durchschnitt eines an einen Ausländer, ein Verhältnis, das seit 1998 relativ stabil ist. Die durchschnittlichen Verkaufspreise liegen bei Käufen durch Ausländer etwas höher. Eine vorläufige Auswertung der amtlichen Daten durch Dieter Marmet von Wüest und Partner bringt ein wenig Licht in das Geschehen. Betrachtet man die unterschiedlichen Preissegmente der gehandelten Häuser, zeigt sich in der Region Zimmerberg, am linken Seeufer, praktisch keine Differenz im Marktverhalten zwischen Schweizern und Ausländern. An der Goldküste haben ausländische Käufer im oberen Preissegment heute ein leichtes Übergewicht. Am deutlichsten ist ihr zunehmender Drang nach teuren Objekten, allerdings bei tiefen Fallzahlen, in der Stadt Zürich erkennbar. Wer aus dem Ausland kommt und in Zürich ein Haus erwerben will, schaut sich nicht in Albisrieden, Affoltern oder Schwamendingen um, sondern sucht nach Toplagen. Die Preise für gehobene Einfamilienhäuser sind seit 2003 denn auch in der Stadt am markantesten gestiegen.

Für Dieter Marmet ändert das nichts an der Feststellung, dass der Immobilienmarkt nach wie vor von der einheimischen Nachfrage dominiert wird. Haupttriebfeder blieben die Konjunktur in der Schweiz und die Entwicklung der Löhne und Boni. Das schliesst nicht aus, dass für Topobjekte teilweise andere Regeln gelten. Reiche von auswärts, die an den besten Lagen die schönsten Liegenschaften aufkaufen, seien keine neue Erscheinung, gibt Thomas Wetzel zu bedenken. Der Anwalt ist seit zwanzig Jahren im Markt mit Geschäftsliegenschaften tätig. Es sei ungefähr das, was gerade Zürcher seit langem in Graubünden täten, wo sich beispielsweise auf der Lenzerheide Einheimische kaum mehr ein Haus leisten könnten. Wenn es dann aber einen selber treffe, werde man hellhörig, so Wetzel.

Höhere Mieten oder grösseres Angebot?
Ob die Lex Koller aufgehoben wird, ist nach Ansicht von Marmet und Wetzel für die spezielle Situation der Goldküste und des Zürichbergs unerheblich. Bedeutender wäre, dass Investoren aus dem Ausland, nicht nur an privilegierter Lage, neu auch Mehrfamilienhäuser zu Anlagezwecken erwerben könnten. Beide Immobilienfachleute erwarten in diesem Fall eine deutliche Preissteigerung für solche Objekte. Sie beurteilen die Auswirkungen auf die Mieter aber unterschiedlich. Wetzel rechnet mit steigenden Mietzinsen. Marmet hält diese Prognose, mit der heute ein Komitee aus dem linken politischen Spektrum für ein Festhalten an der Lex Koller eintritt, für einen Trugschluss. Er erwartet eher, dass die Renditen auf diesen Objekten unter Druck geraten und dass Schweizer Investoren, die auf dem neuen Renditeniveau nicht mehr kaufen wollen, beginnen, eigene Projekte zu entwickeln. Das könne den Wohnungsbau ankurbeln, den Markt entspannen und mittelfristig sogar zu tieferen Mieten führen.