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Nase für Themen, die kommen

Ein Portrait in der WOZ über Jacqueline Badran:

Ausgabe vom 27. September 2007

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Nase für Themen, die kommen
Von Johannes Wartenweiler

Jacqueline Badran ist die Frau, die die SP davon abbrachte, die Lex Koller aufzuheben.
Die Sache schien gelaufen. Die Lex Koller sei ein alter, nationalistischer Zopf, sagte die SP, nicht vereinbar mit den Ambitionen der Partei, die Schweiz in die EU zu führen. Dann kam Jacqueline Badran. Die Zürcher SP-Gemeinderätin vertiefte sich ins Dossier und kam zum Schluss, dass die Lex Koller besser sei als ihr Ruf – und zwar, weil sie ein anti­spekulatives Instrument sei und deshalb dämpfend auf die Mietzinsentwicklung wirke. Ihre Abschaffung könne nicht im Interesse der MieterInnen sein und also auch nicht im Interesse ihrer Partei, die diese MieterInnen vertritt.

«Beim Wohnen geht es um den Kern unserer Existenz, um die Frage auch: Wie viel muss ich dafür arbeiten?» Da könne man doch nicht einfach zusehen, wie der Immobilienmarkt der internatio­nalen Spekulation geöffnet werde, sagt Badran und verweist darauf, dass es ein legitimes Interesse gibt, ein knappes Gut wie den Boden besonders zu schützen und ihn auch für jene verfügbar zu halten, die selbst bewohntes Eigentum erwerben wollen: «Hier schlägt mein mittelständisches Herz.»

Badrans offensiver Umgang bei der Verteidigung der Lex Koller hat auch einiges zu tun mit ihrer skeptischen Haltung gegenüber der EU: «Ich erkenne die grosse Friedensleistung dieses politischen Projektes an, aber heute ist die EU zu zentralistisch und zu undemokratisch.» Ihr seien die direkte Demokratie und der Föderalismus wichtig. Offiziell hat sich die SP zwar noch nicht von ihrer ursprünglichen Haltung zur Lex Koller verabschiedet, aber sie hat unter Badrans Einfluss Forderungen aufgestellt, die einem Nein gleichkommen.

Abenteuerliches Leben

Jacqueline Badran sitzt in ihrem Büro im Zürcher Kreis 4. Was treibt die 45-jährige Unternehmerin an, sich in ein Dossier zu vertiefen, für das sich kaum jemand interessiert? Badran strahlt Energie aus und Selbstbewusstsein – ihr Leben hätte auch schon zu Ende sein können: Sie hat ein Lawinenunglück überlebt und einen Flugzeugabsturz. Sie hat zwei selbst finanzierte Universitätsstudien absolviert und jahrelang achtzehn Stunden am Tag gearbeitet – sieben Tage die Woche. Sie ist eine leidenschaftliche Sportlerin und raucht eine Zigarette nach der anderen. Und jetzt will sie in den Nationalrat.

Angefangen hat alles am Zürichberg, wo sie als Tochter eines libanesischen Geschäftsmannes aufwuchs. Sie besuchte das Mädchengymnasium an der Hohen Promenade. Zu diesem Zeitpunkt war Ökologie schon ein Thema – der Bericht des Club of Rome zählte schon all die Risiken auf, mit denen sich die Gesellschaften heute herumschlagen: CO2, Migration, Bürgerkrieg. «Wie rettet man diese Welt?», war eine Frage, die sie ins Biologiestudium trieb, das sie als abgehoben empfand – und das sich nicht zuletzt wegen ihr und ihresgleichen allmählich auch mit brennenden Problemen wie Artenschutz und Biodiversität zu beschäftigen begann.

Politisiert wurde sie aber auch durch die Unruhen 1980. Sie sei viel auf der Strasse gewesen damals, sagt sie, allerdings ohne je Steine zu schmeissen. «Das konnte ich nicht, aber ich verstand die Wut.» Nach dem Biologiestudium wurde sie Mitarbeiterin des Luchsprojekts, das die Wiederansiedlung des Raubtiers zum Ziel hatte. Über die Frage, warum die Wirtschaft eigentlich immer weiter wachsen müsse, kam sie schliesslich zur Ökonomie und zur Politik.

Aus dem Gröbsten raus

Weil sie aber nicht als kenntnisarme Engagierte einsteigen wollte, schrieb sie sich an der Hochschule St. Gallen für ein Wirtschaftsstudium ein. Anschliessend arbeitete sie in der Verwaltung. Nachdem sie von lästigen Hierarchien genug hatte, gründete sie mit einem HSG-Kollegen im Jahr 2000 die Internetfirma Zeix. «Wir begannen ohne Geld und ohne Branchenkenntnisse», sagt Badran. Als die New-Economy-Blase platzte, musste sie ums Überleben ihrer Firma kämpfen: «Ich hatte zeitweise eine Million Franken Privatschulden», sagt sie. Die Firma, die sich mit ihren 23 Beschäftigten auf benutzerfreundliche interaktive Oberflächen für Websites oder Billettautomaten spezialisiert hat, sei jetzt aus dem Gröbsten raus, die Arbeitsplätze gesichert. Sie will sich nun mehr Zeit nehmen für die Politik.

Hartnäckigkeit, Sachverstand

Warum trat sie damals der SP bei und nicht den Grünen? «Die Gerechtigkeit hat mich immer schon angetrieben, da fühlte ich mich bei der SP gut aufgehoben», sagt sie, und: «Grün muss überall sein.» Es sei ihr deshalb wichtig gewesen, dass sich eine grosse Partei um Ökothemen kümmere. Seit 2002 sitzt Badran im Gemeinderat der Stadt Zürich. Sie schätzt, dass PolitikerInnen auf Gemeindeebene am meisten Einfluss haben, weil sich grosse Teile der staatlichen Produktion wie Elektrizitätswerk, Entsorgung und Verkehrsbetriebe im Besitz der Städte und Gemeinden befinden – und weil die PolitikerInnen via Bodenpolitik auf das Gesicht der bebauten Orte grossen Einfluss nehmen können.

In den letzten Monaten hat sie sich stark gegen die Public Private Partnership (PPP) für den Bau eines neuen Kongresshauses engagiert – die der Stadtrat am Parlament vorbei initiierte. Sie habe nichts gegen PPP mit gemeinnützigen privaten Organisationen, aber wenn es nur darum gehe, privaten PartnerInnen eine gute Rendite zu sichern, dann gehe das zu weit. Bekanntlich steht das Kongresshausprojekt zurzeit auf der Kippe.

ParteigenossInnen finden Badrans Hartnäckigkeit bisweilen ein wenig bemühend, aber ihr ökonomischer Sachverstand ist ein Gewinn für die SP. Sie hat sich den Themen verschrieben, die in den nächsten Jahren noch stärker in den Mittelpunkt rücken werden – etwa dem ökologischen Umbau. Sie glaube in diesem Bereich auch an die Macht des Marktes und die Steuerung über Preissignale.

Sie wendet ihre ökonomische Kompetenz auch in Bereichen an, die die SP bisweilen etwas stiefmütterlich behandelt. So findet sie, es sei höchste Zeit, dass ihre Partei eine eigenständige Politik für die Kapitalmärkte formuliere: «Die Finanzmärkte mit ihrer sys­temimmanenten Gier sind am Überborden. Wegen der grossen Bedeutung des hiesigen Finanzplatzes darf die SP in dieser Frage nicht schweigen», sagt sie. Es brauche allerdings einen langen Atem und Lösungen auf internationaler Ebene. So sei eine maximal zulässige Eigenkapitalrendite festzulegen.

Badran setzt dabei nicht nur darauf, die finanzkapitalistischen Strukturen intellektuell zu durchdringen, sondern will sie auch allgemeinverständlich machen: «In jeder Flasche Cola stecken einige Rappen Kosten drin, die wir bezahlen müssen, weil die grossen Unternehmen absurde Kapitalrenditen von 25 Prozent machen wollen. Der Klassenkampf von oben hat begonnen. Ich nehme ihn gerne auf.»

WOZ vom 27.09.2007