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Sachte mit dem Steuerfuss: Mythen um den Steuerwettbewerb

Steuern senken ist populär. Klar, das wollen alle.
Insbesondere seit uns von gewissen Leuten dauernd erklärt wird, dass der Staat uns das Geld zum Portemonai rauszieht und dieses postwendend an die Faulen und Ausländer verteilt – und im Mäppchenschieber-Loch der Verwaltung versiegt. Insbesondere auch seit uns dauernd Angst gemacht wird mit der drohenden Abwanderung von vermögenden Steuerzahlenden und dem Damoklesschwert des Steuerwettbewerbs.

Die Stadt Zürich will nun auch die Steuern senken – „der drohenden Abwanderung guter Steuerzahler entgegenzuwirken“ . Dazu gilt es Folgendes festzuhalten:

1. Steuern sind wenn immer möglich zu senken: Möglich ist dies
a) wenn genügend Polster (Eigenkapital) da ist, um konjunkturell bedingte Steuerausfälle zu decken. Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.
b) kein strukturelles Defizit droht (das heisst, die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben im Mittel decken)

2. Die Stadt Zürich deckt mit dem Eigenkapital die möglichen Konjunkturausfälle nicht. Zwar hat die Stadt Zürich ein budgetiertes Eigenkapital von 800 Millionen Franken. Dieses kommt aber vor allem durch die Aufwertung der städtischen Liegenschaften um 200 Millionen Franken zustande. Da diese nicht veräussert werden (sollen), sind dies keine echten liquiden Mittel. In der Stadt Zürich hat aber bisher – über alle relevanten Parteien hinweg – ein Konsens geherrscht, dass zuerst das Klumpenrisiko von konjunkturell bedingten Steuerausfällen durch Bildung von Eigenkapital ausgelichen werden soll. Zürich hat wegen der konjunkturell stark schwankenden Steuereinnahmen von den juristischen Personen des Finanzplatzes (v.a. UBS und CS) ein besonderes Risiko. Dies würde deutlich für ein Belassen des Steurfusses für genau ein weiteres Steuerjahr sprechen.

3. Zeitpunkt falsch: Steuersenkungen in ein Konjunkturhoch hinein sind finanzpolitisch wenig sinnvolle Signale. Relevanter ist es, während einem Konjunkturtief die Steuern zu senken, damit den Akteuren gerade in schlechteren Zeiten mehr bleibt. Eine deutliche und anhaltende Steuersenkung in ein bis zwei Jahren, sollte der konjunkturhimmel sich verdunkeln, ist für alle Beteiligten wesentlich hilfreicher. Insbesondere das Gewerbe sollte vehement für eine leicht antizyklische Fiskalpolitik einstehen.

4. Eine wesentlich wichtigere finanzpolitische Massnahme, wäre eine Senkung der Investitionsausgaben in konjunkturell guten Zeiten und Steigerung in schlechten Zeiten. 1. Sind die Baukosten im Konjukturtief um bis zu 30% billiger 2. der Staat kann selber der schlechten Konjunktur entgegenwirken. Eine Verstetigung der Investitionen (und nicht wie bisher eine porozyklisches Investionsverhalten) wäre das mindeste. Dafür muss aber die Eigenkapitaldecke genügend sein. Ein tiefer (und ständig schwankender) Selbstfinanzierungsgrad ist finanzpolitisch nicht erwünscht. Die Bildung von genügend Eigenkapital ermöglicht, dass auch in konjunkturell schlechten Zeiten ein Bauinvestitionsvolumen von rund 750 Millionen aufrecht erhalten werden kann.

5. Handlungsbedarf nicht gegeben:
a) Die Hürde für den Zuzug von Vermögenden ist nicht der Steuerfuss, sondern die Verfügbarkeit von entsprechenden Immobilien. Der sogenannte Wettbewerb um Vermögende wird nur vermeintlich über den Steuerfuss geführt. Infrastruktur, Verfügbarkeit, kurze Wege, Sicherheit und Kulturangebot sind erwiesenermassen wichtigere Faktoren. Gerade die vermögenden Personen drängeln geradezu nach Zürich, auch mit einem Steuerfuss von 122. Eine Abwanderung droht schon gar nicht.
Reiche können rechnen: all die Vorteile, die ihnen die Stadt bietet werden auch gerne bezahlt. Hier wäre eine bessere Abgeltung der zentralörtlichen Leistungen durch den Kanton eher angesagt, um die Steuern zu senken.
b) eine zunehmende Abhängigkeit von wenigen (und äussserst mobilen) Vermögenden verschärfen die Risiken.
c) Steuern und Boden sind gekoppelt: Den höchsten Steuerertrag pro m2 erzielt die Stadt Zürich im Kreis 4 (z.B. Langstrasse/Aussershil) und nicht etwa im Kreis 7 (Zürichberg). Vermögende Privatpersonen beanspruchen überproportional mehr Fläche. Eine Fixierung auf Vermögende bringt deshalb nicht unbedingt mehr Steuerertrag, dafür höhere Risiken.
Eine strategische Ausrichtung auf den Mittelstand ist deshalb für eine Stadt Zürich klüger.

6. Handlungsbedarf überprüfen: Zuerst muss sorgfälltig der Handlungsbedarf analysiert werden. Akuter Handlungsbedarf besteht meiner Meinung nach in der energetischen Sanierung von Gebäuden. Hierfür müssen die Mittel (auch vorsorglich) zur Verfügung stehen und im nächsten Konjunkturtief eingesetzt werden. Ebenso besteht ein grosser Handlungsbedarf bei den gewerblichen Immobilien an attraktiven Lagen, die für mittelständische Unternehmungen kaum mehr erschwinglich sind. Der Markteintritt zum Beispiel für exportträchtige Unternehmen des kreativen Gewerbes ist in Zürich kaum mehr möglich. Hier sind Zukäufe durch die Liegenschaftenverwaltung oder die Stiftung PWG dringend und ganz im Sinne einer klugen und arbeitsplatzschaffenden Wirtschaftsförderung, die innovative Sektoren fördert und dem rein verdrängenden Gewerbe durch globalisierte Ketten (wie Starbucks, H&M etc.) entgegenwirkt.

Fazit: Die Steuerfussfixierung in der Politik nimmt unerträgliche Dimensionen an. Ein Handlungsbedarf wird konstruiert, obwohl wir international was Wettbewerbsfähigkeit, Standortqualität, Steuerbelastung, Leistung pro Steuerfranken etc. auf dem absoluten Toplevel sind. Gleichzeitig verlieren wir in der Bildung an Terrain, die strukturellen Defizite nehmen vielerorts zu, sowie die Verschuldungsquote. Zudem verlieren wir den Blick für wichtigere Handlungsfelder und für eine solide langfristige Finanzpolitik (wie zum Beispiel Zeitpunkt von Handlungen).
Steuersenkungen in Ehren, aber zum richtigen Zeitpunkt und mit Blick auf die nötigen zu finanzierenden Leistungen.