Zurück zur Übersicht

Neues SP-Parteiprogramm: Nicht ohne Bodenpolitik

Debatte zum SP-Parteiprogramm (1)

Bodenpolitik als Schlüssel-Element der Wirtschaftsdemokratie

Als Fremde im 17. Jahrhundert nach Zürich kamen, wurde ihnen ein illustrierter Prospekt von der Verkehrszentrale in die Hand gedrückt mit einem Unterkunftsverzeichnis sowie Bildern und Sprüchen von Zürich. Einer dieser Sprüche lautete: «Wen Gott in der Eidgenossenschaft wol will, dem gibt Er ein Haus zu Zürich».
Wie zeitgemäss dieser Spruch noch nach Jahrhunderten ist, hätte den Verfasser wohl erstaunt, der vermutlich allein die Schönheit von Zürich dachte und nicht an den Ertragswert, also die Tatsache, dass man ohne einen Finger zu rühren Gewinne erzielt über die laufenden Miet-Erträge und einen allfälligen Verkauf.

Allein in der Stadt Zürich werden Grundstückgewinne von jährlich einer halben Milliarde erzielt. Diese Gewinne müssen verzinst werden; entweder von den Mietern dieser Immobilien oder beim selbstbewohnten Eigentum von den Käufern. Die Buchgewinne (also noch nicht realisierte Gewinne) dürften bei den Immobilienpreissteigerungen von real über 25% in den letzten 10 Jahren gigantisch sein. Entsprechend steigen schweizweit die Hypothekarvolumen um jährlich rund 5% und erreichten die 700 Milliarden-Marke. Der Krieg um die Bodenrente (der Gewinn auf dem Boden) tobt. Immer mehr indirekte Immobilienanlage-Vehikel, börsenkotierte Immobiliengesellschaften und institutionelle Anleger balgen sich um den raren Boden. Der Boden wird – wie an dieser Stelle schon mehrfach ausgeführt – immer mehr zur reinen Handelsware, zum ökonomischen Gut mit hoher Rendite bei gleichzeitig geringem Risiko.

Als volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch wichtigster Faktor ist eine Bodenpolitik im Rahmen der Wirtschaftsdemokratie prioritär.

Dass Boden- und Immobilien aus dem Radar der Politik gefallen ist, zeigt unter anderem, dass die Bodenpolitik im Rahmen des neuen Entwurfs des SP-Parteiprogramms keine Erwähnung findet. Dies ist umso erstaunlicher, als sie in allen älteren Programmen durchaus ein eigenes Kapitel wert war.Gerade in Bezug auf die postulierte Wirtschaftsdemokratie muss die Bodenpolitik (als volkswirtschaftlich grösster Faktor) eine Schlüsselrolle einnehmen. In der Vergangenheit und in der sozialdemokratischen Tradition – wie im roten Zürich – spielten die Baugenossenschaften denn auch eine zentrale Rolle in der Armutsbekämpfung und der gesellschaftlichen Entwicklung. Auch das gerade in der Schweiz tief verwurzelte Bewusstsein, dass Bodeneigentum ein Machtfaktor ersten Ranges ist, scheint vergessen. Trotz der Jahrhunderte alten Tradition der Allmende und Bürgergemeinde – also den gemeinschaftliche Nutzung des Bodens – in der Schweiz und der Abwesenheit von Grossgrundbesitz.

Bodenpolitik hat Tradition und kommt in alten Parteiprogrammen immer vor

Den obigen Spruch aus dem 17. Jahrhundert habe ich nicht etwa aus dem Stadtarchiv, sondern aus einem Heft «Kampf gegen die Bodenspekulation», herausgegeben von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, 1956. Im Parteiprogramm resp. Arbeitsprogramm von 1924 steht unter Kapitel «VIII Sozialpolitik, Arbeiterschutz» als erste Forderung: „Eidgenössisches Wohnungsgesetz. Erhaltung und Vermehrung des staatlichen und kommunalen Grundbesitzes. Erstellung billiger Wohnungen durch Staat, Gemeinden und Genossenschaften.“ In der Folge setzte das rote Zürich in den 30er-Jahren bis zu 30 % des Gesamtbudgets für Land- und Immobilienkäufe ein.

Das wesentlich zahmere Parteiprogramm von 1959 widmet das Kapitel 7 allein der Bodenpolitik wie folgt: „Die rationelle Verwendung des Bodens- macht eine Orts- und Regional- und Landesplanung notwendig. Diese Planung bedingt eine Einschränkung des Eigentumsrechtes. Da der Boden unvermehrbar ist, hat der Landeigentümer (-) eine privilegierte, oft monopolartige Stellung, die ihm eine unverdiente Rente gewährt. Der ständigen Preissteigerung des Bodens, die durch Spekulation noch verschärft wird, ist durch geeignete Massnahmen entgegenzutreten. Vor allem müssen Staat und Gemeinden durch vorsorglichen Kauf von Land für Siedlungszwecke der Verteuerung des Baulandes und damit auch der Wohnungsmieten entgegenwirken. (-). Der Wertzuwachs des Bodens sowie die Gewinne aus dem Grundstückhandel sind scharf zu besteuern.“
Unter dem Kapitel Recht und Staat wird ferner erwähnt: „Das Privateigentum an Grund und Boden ist soweit einzuschränken, dass eine neue Bodenpolitik verwirklicht werden kann.“

Dem ist eigentlich nur noch das beizufügen, was im Rahmen der Globalisierung und des freien Kapitalverkehrs an Problemen hinzugekommen sind.

Die gemeinschaftliche und gemeinnützige Bestimmung über den Boden MUSS im Rahmen der Wirtschaftsdemokratie ein zentrales sozialdemokratisches und gewerkschaftliches Postulat sein. Deshalb hier meine Ergänzung des Parteiprogramms, die ungefähr so lauten könnte:

Boden ist ein essentielles Gut, das zudem nicht vermehrt werden kann. Die Kosten für das Wohnen – als grösster Posten im Haushaltsbudget – bestimmen im Kern über unsere Freiheit das wo und wie wir leben, selbst zu bestimmen. Die Bestimmung über den Boden und die Nutzung des Bodens muss demnach gemeinschaftlich und gemeinnützig organisiert sein. Die SP fordert deshalb langfristig, dass mindestens 50% des bebauten und des neuen Baulandes (abzüglich selbstgenutztes Wohn- und Gewerbeeigentum) im Eigentum der öffentlichen Hand und nicht gewinnorientierten Baugenossenschaften und Stiftungen liegt. Alle Mieten sind nach dem Prinzip der Kostenmiete zu erheben. Boden und Immobilien sind vor dem spekulativen globalisierten Kapital zu schützen. Die Immobilien sind deshalb umgehend dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen und die Lex Koller ist zu erhalten und zu verschärfen. Immobilien-Anlageinstrumente sowie Immobilienderivate sind zu verbieten. Boden- und Immobilien sind von den ständigen Preissteigerungen zu schützen: Deshalb haben die Anlagevorschriften für Pensionskassen, Immobiliengesellschaften und der öffentlichen Hand dem Anlagewert zu entsprechen und nicht dem Verkehrswert. Die Bodenrente ist zu sozialisieren: Boden- und Immobilientransaktionen haben deshalb hoch besteuert zu werden. Erhebliche Vorteile durch die (Raum-)Planung sollen grösstenteils abgeschöpft werden.

Bitte sehr: Zur Diskussion.

zum SP Parteiprogramm:
http://www.sp-ps.ch/index.php?id=715