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2xNein 1xJa zu «Tiefere Steuern für Familien»: Abstimmung ZH vom 15. Mai 2011

Steuerpolitik: Bückling vor den Superreichen?

Wenn wir von Steuern reden, stehen meist die Einkommenssteuern, die Mehrwertsteuer sowie der periodisch festzulegende Steuerfuss je Gemeinwesen zur Debatte. Dabei gibt es viele andere Steuerarten, die entscheidend sind.

Jüngst mussten wir erfahren, dass im Rahmen der «Unternehmenssteurreform II» (Halbierung der Dividendenbesteuerung) Einnahme-Ausfälle in Milliardenhöhe zusätzlich entstehen, die dem Parlament und Volk vom Merz-Departement komplett vorenthalten wurden. Dies hat viel damit zu tun, dass unser Steuersystem nur die wirklich eingeweihten kennen und verstehen. Oder wissen Sie was das Kapitaleinlageprinzip ist, deren Ausschüttungen rückwirkend (ab 1997!) steuerfrei sind? Die nun neu ermittelten Zahlen dazu sind brisant: Wurden bisher Kapitaleinlagen-Rückzahlungen von steuerfreien 8 Milliarden geschätzt, sind es nun konkret 200 Milliarden. Die Schätzungen der daraus resultierenden jährlichen Steuerausfälle reichen von 1,2 bis 8 Milliarden, von denen während der Volksabstimmung kein Sterbenswörtchen gefallen ist.

2 Milliarden für die Reichen und Grossen

Ebenso brisant sind folgende Zahlen aus dem Kanton Zürich – um ganze 2 Milliarden jährlich haben wir Superreiche und Grosskonzerne im Kanton Zürich steuerlich entlastet. Wie denn, fragen sie sich jetzt? In den letzten 10 Jahren haben wir folgende Steuern gesenkt oder abgeschafft:  Teilabschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, Abschaffung Handänderungssteuer, Halbierung Kapitalsteuer, Reduktion der Unternehmensgewinnsteuer, Halbierung der Dividendenbesteuerung und die durch Rechtspraxis aufgeweichte Grundstückgewinnsteuer. Der Kanton selber verzeichnet Steuereinnahmen-Verluste von rund 500 Mio. Franken jährlich allein mit diesen Steuerarten. (Hier fehlen neue Schätzungen wegen dem Kapitaleinlageprinzip). Hinzu kommen die Ausfälle bei den Gemeinden. Allein die Stadt Zürich verliert über diese Steuerarten mindestens 300 Millionen Franken jährlich. Die Stadt Winterthur trifft es mit circa 25 Mio. Franken und die Stadt Dübendorf trifft es immerhin mit 4,4 Mio. Franken jährlich. Das sind stattliche Summen bedenkt man, dass ein ganz geringer Teil der Bevölkerung und vor allem grosse Kapitalgesellschaften und Holdings davon profitieren.  Hinzu kommen die fast flächendeckenden Steuerfusssenkungen und Reduktionen der Vermögenssteuern.

Die Zahlen waren und sind auch schwierig zu beschaffen, denn Intransparenz ist das oberste Gebot um eine Steuerdumping-Politik zu betreiben. Hier mussten in den Gemeinden und im Kanton zuerst schriftliche Anfragen gestellt werden, um sie dann hochzurechnen. Es gibt keine Steuerentlastungserhebungen, sondern nur Steuerbelastungserhebungen. Wir werden mit Steuersenkungsvorlagen bombardiert, man setzt uns irgendwelche Berechnungen vor oder eben nicht und wenn dann abgestimmt wurde, fängt das grosse Vergessen an.  Nicht nur die Politik und die Medien vergessen, sondern auch die Betroffenen selbst. Wie sonst ist es möglich, dass wir von den Nutzniessenden  nie ein Wort des Dankes hören, sondern im Gegenteil Klagen und Stöhnen über die Belastungen und notfalls lautstarke Drohungen, man würde den Standort verlassen.

Salami-Taktik

Die neue Vorlage, über die wir nächstes Wochenende abzustimmen haben ist wieder so eine schleichende Steuersenkungs-Vorlage für Wohlhabende, die uns nun seit Jahren salamischeibenweise vorgesetzt werden. Es sind selbstredend die ewig gleichen Argumente: Wir müssen im Steuerwettbewerb aufholen und die Spitzenverdiender entlasten und letztendlich würden alle davon profitieren, weil mehr Steuersubstrat angelockt würde. Der Mittelstand müsse nicht entlastet werden, da man dort ja gut im innerschweizerischen Standortwettbewerb dastehen würde. Die Argumente stimmen nach wie vor nicht: Erstens kommen die Superreichen in Scharen – auch ohne erneute Reduktion. Es handelt sich also nur noch um einen Mitnahme-Effekt und keinen Zusatzanreiz. Zudem profitiert die Masse  gerade nicht davon, denn die Mindereinnahmen werden durch Leistungssenkungen in der Fläche kompensiert, wie Bildungsabbau. Zweitens steht der Mittelstand im Kanton nur gut da in Bezug auf die nominelle Einkommensteuer-Belastung. Bezieht man die Lebenshaltungskosten mit ein sieht es ganz anders aus: da stehen die Menschen mit mittleren Einkommen auf Rang 22 – also fast zuunterst.

Die SP hat nun zurecht die Notbremse gezogen und einen hervorragenden Gegenvorschlag ausgearbeitet. Sie setzt damit ein klares Zeichen gegen die servile Bücklings-Steuerpolitik der Bürgerlichen. Wenn man schon glaubt, sich Steuersenkungen leisten zu können, dann sollen die tiefen und mittleren Einkommen profitieren. Diese Entlastungen sind konsumwirksam und damit volkswirtschaftlich sinnvoll. Zudem sollen neu nicht mehr Kinderabzüge geltend gemacht werden können, sondern viel gerechtere und sozialere Kindergutschriften auf dem Steuerbetrag. Zusammen bringt dies Familien einige Tausend Franken pro Jahr mehr im Portemonai.  Somit wird endlich einmal die Verteilung der Steuerlast beeinflusst.

Einmalige Chance

Durch die Senkung der Steuerlast für Grosskonzerne und Superreiche via Spezialsteuern, haben wir wie oben beschrieben in den letzten 10 Jahren die Verteilung der Steuerlast zu Ungunsten der Mittleren Einkommen verschoben. Wir haben nun die einmalige Chance endlich einmal die Verteilung (nicht die Höhe) der Steuerbelastung in die andere Richtung zu verändern und die ebenso einmalige Chance für einen sozialeren  Systemwechsel bei den Kinderabzügen. Die 200 Millionen können wir uns allemal leisten angesichts der 2 Milliarden-Senkungen. Und wenn nicht, dann können wir mit Steuerfuss-Erhöhungen dagegen wirken.

Es ist sehr schade, dass die Grünen und die AL – vor allem aus parteitaktischen Gründen – nicht am gleichen Strick ziehen. Ich hoffe, die Basis sieht das anders, denn ein Nein zur SP-Vorlage verunmöglicht die wegen stiegender Miet- und Lebenskosten dringend notwendige Entlastung der tiefen Einkommen.

Ende der Bücklings-Steuerpolitik

Diese Bücklings-Steuerpolitik muss dringend aufhören: Setzen wir ein Zeichen, dass wir genug haben von den ständigen Entlastungen des Kapitals , jetzt muss die Arbeit mit ihren mittleren  und die tiefen Einkommen entlastet werden. Werft ein überzeugtes Ja zu «tiefere Steuern für Familien» in die Urne.

Publiziert im P.S. vom 5. Mai 2011