Zurück zur Übersicht

Beton gewordene Politik zum anfassen

Publiziert im „Wohnen“ – Zeitschrift der Wohnbaugenossenschaften Schweiz, September 2014

Politik zum anfassen

Tausende kamen. Wohnungssuchende, Architekten, Junge, Zürcherinnen, Politikerinnen, Stadtwanderer, Alte, Interessierte, Ökofreaks, Familien, Stadtentwicklungsexperten, Nichtzürcherinnen und Nichtwohnungssuchende. Und alle hatten sie etwas gemeinsam. Sie hatten so ein Strahlen auf dem Gesicht und ein Leuchten in den Augen. Dasjenige Strahlen, das einem aufs Gesicht gezaubert wird wenn Erwartungen und Sehsüchte übertroffen werden.

Auch ich strahlte am Tag der offenen Tür, am Einweihungsfest der neuen Genossenschaft Kalkbreite in Zürich vergangener Woche Ende August. Vor exakt 40 Jahren reichte die SP eine Volksinitiative ein zur gemeinnützigen Überbauung des Areals an der Kalkbreite. Danach ein politischer Marathonlauf vieler Politikerinnen-Generationen. Auch ich habe einen klitzekleinen Beitrag dazu geleistet. Und nun stand es da in voller Pracht. Ich lief tatsächlich in dem herum, was ich mit zuvor nur in meiner Phantasie ausmalen konnte: Ein in jeder Hinsicht wunderbares Bauwerk, ökologisch, sozial, innovativ, wirtschaftlich. Eine Siedlung von Menschen für Menschen. Beton gewordene Politik zum anfassen.

Mehr davon

Mehr davon dachte ich und vermutlich auch die tausenden begeisterten BesucherInnen. Das war das, was das Leuchten in deren Augen bedeutete. Das ist das was die Welt braucht, was die Schweiz braucht. Nicht die seelenlosen Betonquadrate, die in Städten und Agglomerationen aus dem Boden hochgezogen werden: Gesichts- und sinnloser Siedlungsbrei, wo die krasse rendite-orientierung förmlich aus den Betonporen quillt.

Mehr davon können wir bekommen: Am 28. September 2014 können die Stimmenden des Kantons Zürich Ja sagen. Ja sagen zu mehr Gemeinnützigem nicht-renditeorientiertem Wohnbau. Mehr vom Dritten Weg zwischen Wohneigentum und Miete. Mehr Durchmischung in den Gemeinden. Mehr Ökologie im umfassendsten Sinn des Wortes. Mehr generationenübergreifendes Wohnen. Mehr Nachbarschaftsgemeinschaft und –hilfe. Mehr Gemeindeautonomie. Mehr Umsetzung von Verfassungsaufträgen. Mehr Kaufkraft bei den Menschen. Und all das, ja all das zusammen zu weniger Kosten. Und den Staat (aber auch sonst niemanden) kostet es keinen Rappen.

Rahmenbedingungen für die Expansion

In wenigen Wochen stimmen wir im Kanton Zürich über eine Änderung des Planungs- und Baugesetzes ab. Wir schaffen damit die gesetzliche Grundlage, dass Gemeinden Zonen aussscheiden können (falls sie wollen) für den gemeinnützigen Wohnungsbau. OK, wir mussten Kompromisse machen. Es dürfen auch Nicht-Genossenschaften solche Wohnungen bauen und sie dürfen auch eine Rendite machen, aber die Wohnungen müssen preisgünstig sein. Die Philosophie dahinter ist, dass Eigentümer für die hohen leistungsfreien Gewinne, die sie durch Planungsmehrwerte (Ein- und Aufzonungen) erhalten, einen Teil zurückgeben müssen durch Verzicht auf eine allzuhohe Rendite. Der Effekt wird sein, dass vor allem Genossenschaften den Bau übernehmen werden. Dies insbesondere bei gemeindeeigenem Land. Oder auch bei sehr grossen Arealen.

Wegen der exsessiven Landpreise haben Genossenschaften zunehmend Schwierigkeiten Land zu erwerben. Mit der neuen gesetzlichen Grundlage dürfte dies einfacher werden.  Und Gemeinden wie Thalwil, Küsnacht, Zürich oder Winterthur, die solche Zonen schon lange einfordern, gibt man ein Stück Gemeindeautonomie. In unserer Bundes- und Kantonsverfassungen, sowie in unseren Traditionen ist die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus fest verankert. Stimmen wir Ja und machen wir in anderen Kantonen ebensolche Initiativen damit wir auch hier irgendwann buchstäblich sagen können: Politik zum anfassen.

PS. Und glauben Sie den Gegnern der Vorlage kein Wort. Genossenschaften sind nicht subventioniert. Punkt.