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Zur SRG, Swisscom, Ringier Allianz (E-Maildebatte in der NZZ a.S.)

Jacqueline Badran begrüsst die Werbevermarktung von Ringier, Swisscom und SRG. Christian Wasserfallen befürchtet halbstaatliche Konkurrenz für Private

«Die Fluggesellschaften haben auch gelernt, Allianzen zu schliessen»

Die E-Mail-Debatte, NZZ a.S. vom 30.8.2015

Christian Wasserfallen

Ringier tritt mit sofortiger Wirkung aus dem Verband Schweizer Medien aus. Ein Donnerschlag! Die Medienlandschaft ist in Bewegung, die Branche völlig verunsichert. Alle versuchen, entweder an die Honigtöpfe der neuen Mediensteuer zu kommen oder sich anders abzusichern. Gegen eine solide und innovative Vermarktung in der Medienbranche kann ich ja nichts haben. Wenn aber zwei Firmen, die von der öffentlichen Hand kontrolliert werden, sich in einer exklusiven Zusammenarbeit mit Ringier verbinden, wirft das Fragen auf. Können auch andere private Medienhäuser profitieren und ihre Werbeeinnahmen verbessern? Oder ist ein Gefüge entstanden, von dem nur Ringier und indirekt die SRG profitieren? Das werde ich genau beobachten. Ein halbstaatliches Kartell ist das Letzte, was die Medienbranche brauchen kann.

Jacqueline Badran

Seien Sie vorsichtig, was Sie da sagen. Oder haben Sie sich je beschwert über das jahrzehntelange Monopol der Werbevermarkterin PubliGroupe? Haben Sie je das Quasimonopol von Goldbach Media bei der Vermarktung von Fernsehwerbung angeprangert? Jeder Verlag kann als Kunde in der neuen Allianz mitmachen und so von der gesteigerten Reichweite und vom verbesserten Targeting profitieren. Wo also ist das Problem?

Christian Wasserfallen

Ich bin immer, auch im Rahmen der RTVG-Abstimmung, davon ausgegangen, dass die SRG sich vor allem über die neue Mediensteuer finanzieren solle. Warum muss jetzt die SRG selber in den Werbemarkt einsteigen? Im Leistungsvertrag der SRG sehe ich nirgends, dass sie eine neue Werbe- und Vermarktungsplattform betreiben soll. Ich halte das auch nicht für notwendig. Es existieren heute im Fernseh- und Radiobereich verschiedene, gut organisierte Werbevermarkter. Interessant finde ich Ihre Aussage, dass Sie ein Kunden-Targeting unterstützen. Da habe ich kein Problem damit, aber die SP ist bis jetzt eher mit der Forderung aufgefallen, dass Kundendaten geheim bleiben und nicht zu Werbezwecken verwendet werden sollen. Schöne Pirouette, die Sie da machen. Von der neuen, halbstaatlichen Vermarktungsmaschine erwarte ich, dass auch private Medienhäuser diskriminierungsfreien Zugang zu ihr haben und mit ihr zusammenarbeiten können. Übrigens bin ich gespannt, was die Wettbewerbskommission (Weko) dazu sagt. Ich fordere sie auf, den Fall genau zu prüfen. Sonst könnten auch andere staatsnahe Firmen auf die Idee kommen, in privaten Marketing-Gewässern zu jagen. Hier haben wir einen extrem heiklen Präzedenzfall vor uns. Wenn Sie das anders beurteilen würden, wäre ich echt erstaunt.

Jacqueline Badran

Auf welchem Planeten leben Sie denn? Die Weko ist auch nie bei PubliGroupe und Goldbach eingeschritten. Sowohl Swisscom als auch die SRG haben sich unternehmerisch zu verhalten. Und genau das tun sie – zum Nutzen der Allgemeinheit und nicht nur einiger Aktionäre. Die SRG muss ja im Fernsehbereich – von der Politik und der Werbewirtschaft explizit so gewünscht – werben. Damit sparen alle Gebühren. Vor allem aber hat sich die Welt verändert: Google, Facebook und Youtube ziehen Hunderte Millionen Schweizer Werbegelder ins Ausland ab. Die Wirtschaft hat sich globalisiert – schon vergessen? Da müssen alle reagieren und liefern, was die konvergente Werbewirtschaft will und die neuen Giganten können: Reichweite und Targeting. Andernorts schmiedet man längst kooperativ Allianzen zwischen Print, Online und TV: «The Guardian», die «Financial Times», CNN, «The Economist» und Reuters haben sich folgerichtig zur Pangaea-Allianz zusammengetan. Ein schweizerischer Schulterschluss ist überfällig.

Christian Wasserfallen

Genau solche Antworten habe ich von einer Sozialdemokratin erwartet. Sie sagen also, dass staatsnahe Firmen die privaten Medienhäuser mit Zustimmung der Politik und einer Staatsgarantie von über 1,3 Milliarden Franken pro Jahr ausstechen dürfen. Hier haben wir sie endlich, die Diskussion zum Service public. Die SRG muss sich nicht um die internationale Konkurrenz kümmern, sondern ein Service-public-Angebot für die Schweiz schaffen. Wenn ich so denken würde wie Sie, dann könnte ich ja auch gleich fordern, man müsse alle privaten Medienhäuser auflösen, um so der SRG die Allmacht zu geben, damit sie wirkungsvoller gegen Google & Co. antreten kann. Sie träumen doch nicht tatsächlich davon, dass die Medienwelt mit solch schiefen Staatsaktivitäten aus der Schweiz heraus gebändigt werden könne?

Jacqueline Badran

Ei, ei, ei! Ausgerechnet die Wirtschaftspartei kritisiert, wenn sich Unternehmen unternehmerisch verhalten. Und das ausgerechnet in einem oligopolistischen Markt, in dem Verleger durch Zukäufe Marktmacht erlangen wollen und Gebietsmonopole bestehen? Und wo der private Monopolist Goldbach zig hundert Millionen Schweizer Werbegelder zu ausländischen Privatsendern wie RTL und Co. schiebt, ohne dass wir die geringste Gegenleistung dafür erhalten? Auch Sie haben den falschen Feind. Nochmals: Die SRG darf und muss Werbung machen im Fernsehen. Das wurde von der Politik so festgelegt. Sollte sie denn jetzt zuschauen, wie ihnen die Margen und Volumen wegschmelzen? So wie bei den privaten Online- und Printverlagen? Die Fluggesellschaften haben auch gelernt, Allianzen zu schliessen. Ob staatliches oder privates Eigentum – das ist dabei komplett unerheblich. Wir brauchen künftig in vielen Branchen mehr Koopetition – eine Mixtur von Konkurrenz und Kooperation. Wir werden erleben, wie das auch bei den Banken kommen wird, weil die Finanzplätze konkurrieren, weniger die einzelnen Akteure. Wir brauchen schweizerische Allianzen. So auch im Werbemarkt. Alles andere wäre der Ruin.

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