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Zur Energiestrategie (E-Maildebatte in der NZZ a.S.)

Publiziert in der NZZa.S. 27.9.2015

Für Christian Wasserfallen bleibt die abgespeckte Energiestrategie ein Unding. Jacqueline Badran ist – nach 35 Jahren Kampf – ganz zufrieden damit

«Bestünde nicht auch die Möglichkeit, dass der Murks in Ihrem Kopf ist?»

Die E-Mail-Debatte

 

 

Christian Wasserfallen

Die Energiestrategie ist wirklich eine Murks-Vorlage. Sie wurde im Nationalrat sogar noch aufgeladen, aber jetzt im Ständerat endlich abgespeckt. Auch dort zeigte sich allerdings, was ich an diesem Projekt schon lange kritisiere: Unrealistische Ziele und der Aufbau einer zweiten Landwirtschaftspolitik, diesmal im Stromsektor, führen zu gigantischen Regulierungen und Milliardensubventionen. Wie soll man etwa der Wasserkraft unter die Arme greifen? Wie den dringend nötigen Ausbau des Stromnetzes bewältigen? Wie kann die Schweiz ihren Strommarkt liberalisieren und gegenüber Europa den Anschluss finden? All diese zentralen energiepolitischen Fragen bleiben mit der sogenannten Energiestrategie unbeantwortet. Sind Sie wirklich zufrieden mit dieser Vorlage?

Jacqueline Badran

Bestünde nicht auch die Möglichkeit, dass der Murks in Ihrem Kopf ist? Wir schaffen gerade die Rahmenbedingungen für die Energieproduktion von morgen: erneuerbarer Mix, dezentral, mit geringer Auslandabhängigkeit, geringerem CO2-Ausstoss und vor allem ohne Grenzkosten. Ja – ich bin zufrieden nach 35 Jahren politischem Kampf. Die Zeit dafür ist überreif. Die Rahmenbedingungen sind flexibel genug, um auf jede technologische oder marktliche Entwicklung reagieren zu können, und sie schaffen Stabilität, um viele Investitionen und Innovationen – auch viele private – freizusetzen. Und hören Sie endlich auf, von Subventionen zu reden: Die kostendeckende Einspeisevergütung ist ein Abnahmepreis für eine Leistung und schafft Investitionssicherheit. Niemand würde ohne diese Vergütung Produktionsanlagen bauen. Das haben wir die letzten 100 Jahre beim Aufbau der Wasserkraft sehr erfolgreich genau so gemacht: Investitionskosten wurden auf die Strompreise überwälzt, gab es Gewinne, flossen diese in die Kasse der Allgemeinheit zurück – und fertig. Die Pharmaindustrie bekommt schliesslich auch garantierte administrierte Abnahmepreise für ihre Medikamente. Da reklamieren Sie nie, sondern argumentieren mit Investitionssicherheit.

Christian Wasserfallen

Ich glaube, Sie sind ob all den Subventionen verwirrt. Sie sprechen von Rahmenbedingungen, die ja in der Energieinfrastruktur langfristig sein sollten. Doch gerade Subventionspolitik ist das Kurzsichtigste, was es gibt. So verkommt die Finanzierung der Energieinfrastruktur zum politischen Spielball. Das zeigte sich übrigens exemplarisch bei den verschiedensten Modellen der Wasserkraftunterstützung im Ständerat. Da ist gar nichts klar: Die einen wollen Darlehen, andere wollen einzelne unrentable Wasserkraftwerke subventionieren, Dritte rufen nach anderen Produktionssubventionen. Dabei wäre es einfacher: Bei der Wasserkraft müssen die Standortkantone auf die Wasserzinsen teilweise verzichten und die Besteuerung der Wasserkraftfirmen reduzieren, statt ihnen Bundessubventionen in Aussicht zu stellen. Zudem müssen wir international erwirken, dass etwa billiger deutscher Kohlestrom nicht die Wasserkraft aus dem Markt drängt. Glauben Sie im Ernst, die Energiestrategie 2050 könne hier Lösungen bieten?

Jacqueline Badran

Subventioniert sind in erster Linie die Atomkraftwerke. Die Versicherungskosten sind nicht gedeckt, und der Entsorgungs- und Stilllegungsfonds weist eine Unterdeckung von 14 Milliarden auf. Das Gleiche gilt für Öl und Gas, da die externen Kosten des CO2-Ausstosses nicht internalisiert sind. Das weiss nun wirklich jeder. Sie verwechseln einen fixierten Abnahmepreis mit einer Subvention. Dieser Preis ist nötig, weil das groteske, pseudoliberalisierte «Marktdesign» (nur schon der Name!) in der EU die Produktionskosten vom Stromhandelspreis entkoppelt hat. Das ist das Gegenteil von Markt. Denn in einem echten Markt spiegelt der Preis immer sämtliche Produktionskosten. Strom ist eben ein sehr spezielles Produkt: Es muss zwangskonsumiert werden können, 365 Tage im Jahr, zuverlässig bei jeder Nachfrage. Liberalisierte und privatisierte Strommärkte sind per definitionem nicht funktionsfähig. Und ziehen absurde Regulierungen nach sich. In England werden neue Atomkraftwerke auch nur gebaut, weil sie 30 Jahre lang garantierte Abnahmepreise bekommen. Voilà. Jede andere Alternative zum Ausbau von erneuerbaren Energien, wie AKW oder Gaskraftwerke, ist ohnehin teurer, weil sie alle hohe Grenzkosten aufweisen. Sonne, Wind und Bodenwärme dagegen sind gratis zu haben, hat man einmal die Infrastruktur. Die Energiestrategie ist nicht perfekt, aber die richtige Weichenstellung.

Christian Wasserfallen

Von einer Unterdeckung des Stilllegungs- und Entsorgungsfonds kann natürlich keine Rede sein. Er wird ja noch Jahre geäufnet und ist auf Kurs – besser als erwartet. Wo ich ihnen recht gebe: Fixe Abnahmepreise für Strom wie in Grossbritannien sind Unsinn. Die Energiestrategie ist eben gerade die falsche Weichenstellung: Wind- und Sonnenstrom sind völlig unzuverlässig, deshalb muss verstärkt auf Kohlestrom aus Deutschland und auf Kernenergie aus Frankreich ausgewichen werden. Es ist sonnenklar, dass diese Strategie uns abhängiger macht vom Ausland, dass die Subventionitis ausbricht und die Versorgungssicherheit leidet.

Jacqueline Badran

Ihrer faktenfreien Logik nach würde einfach nichts mehr investiert. Wann hat man Ihr unternehmerisches Gen entfernt? Wir stehen vor einer industriellen Revolution, die 40 Jahre zu spät kommt, und Sie merken es nicht. Sie wird Innovationen freisetzen und mittelfristig Kosten, Abhängigkeiten und Umweltbelastungen deutlich reduzieren. Wieso schreiben Sie «Fortschritt» auf die Plakate der FDP, wenn Sie fast in allen Politikbereichen im Status quo verharren? Politik ist das Geschäft mit der Zukunft. Und die gestalten wir mit der Energiestrategie.