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Zum unsinnigen zweiten Gotthard Auto-Tunnel (E-Maildebatte in der NZZ a.S.)

E-Mail-Dabatte zur zweiten Gotthardröhre, publiziert in der NZZ a.S. vom 17.1.2016

Die zweite Gotthardröhre ist für Jacqueline Badran nur die teure Anpassung an eine nutzlose EU-Norm. Nein, sagt Christian Wasserfallen, sie ist nachhaltig und sicher

«Auch die Elektrofahrzeuge brauchen einen sicheren Tunnel»

Die E-Mail-Debatte

Christian Wasserfallen

16,9 lange Kilometer in einem engen Tunnel mit Gegenverkehr sind kein Vergnügen, wenn man mit dem Auto durch den Gotthardtunnel fährt. Mit dem Lastwagen ist es noch beengter. Als ehemaliger Lastwagenfahrer im Dienste der Armee weiss ich, wovon ich rede. Es braucht viel Konzentration, wenn zwei Brummis sich im Tunnel mit ein paar Handbreiten Abstand kreuzen. Aus Sicherheitsgründen ein unhaltbarer Zustand!

Jacqueline Badran

Ja, die Sicherheit ist heute suboptimal. Nur: Die Güter, welche die Brummis transportieren, sollten längst auf der Schiene sein. Die Verfassung verlangt das seit über 20 Jahren, und dafür haben wir auch für sagenhafte 20 Milliarden Franken die Neat gebaut. Zudem fahren in 20 Jahren, wenn die zweite Autoröhre eventuell eröffnet würde, immer mehr selbstfahrende Elektrofahrzeuge, was die Sicherheit massiv erhöhen wird. Überall, nicht nur im Gotthard. Für die Sicherheit brauchen wir die zweite Röhre sicher nicht.

Christian Wasserfallen

Sie weichen aus! Auch in 20 Jahren werden noch von Menschenhand gesteuerte Lastwagen durch den Gotthard fahren. Viele davon auch im Inland. Diese sind nicht ins Konzept der Neat eingeschlossen. Bleiben Sie in der Realität. Die Sicherheit ist ein Problem. Es gab zu viele tödliche Unfälle, die mit richtungsgetrennten Röhren hätten vermieden werden können. Aber es gibt noch weitere sehr gute Gründe für die zweite Röhre. Die Finanzierung und die Verkehrstechnik des Projekts ist ausgereift, mit der zweiten Röhre werden wir einen echten Realwert in den Büchern haben, eine Investition für die Zukunft. Eure Verladelösung kostet Milliarden ohne Mehrwert.

Jacqueline Badran

Was für eine Verladelösung? Die nötige Totalsanierung des Strassentunnels können wir machen ohne einen einzigen Tag Schliessung, zu Kosten von vielleicht 250 Millionen Franken. Das Tessin wäre nie isoliert. Was ihr vorhabt, ist eine unnötige Anpassung des Tunnels an die neusten EU-Normen: Anpassung des Strassenquergefälles, Erhöhung der Zwischendecke um 30 Zentimeter, was weder technisch noch sicherheitsmässig nötig ist. Das ist der grosse Kostentreiber. Die Österreicher sanieren den 14 Kilometer langen Arlbergtunnel für 170 Millionen Franken, ohne Anpassung an die neuen EU-Normen. Und das als EU-Mitglied. Die 2,8 Milliarden Franken für Sanierung und Neubau am Gotthard braucht es einzig wegen dieser grotesken EU-Normen. Sanieren wir wie die Österreicher, brauchen wir keine Schliessung, also keine Verladelösung mit rollender Landstrasse, keine Übergangsinfrastruktur und keine zweite Röhre. Das ist Geld zum Fenster hinausgeworfen. Von Ihnen als Finanzpolitiker hätte ich mehr erwartet.

Christian Wasserfallen

Ich stelle fest, dass Ihre Seite völlig unkoordiniert wirkt. Sie persönlich sind nicht für eine Verladelösung, viele Gegner aber möchten sie. Diese temporäre Lösung würde zirka eine Milliarde kosten, ohne dass wir eine zweite Röhre oder sonst einen Mehrwert hätten. Mit demselben Geld wäre die neue Röhre hingegen schon zur Hälfte bezahlt. Muss der Tunnel nun alle 40 Jahre saniert werden, wird alle 40?Jahre eine Milliarde Franken für nichts vergeudet. Die zweite Röhre ist darum nachhaltig und sicher. Sie sollten nicht scheinheilig argumentieren: Sie wären auch gegen eine zweite Röhre, wenn sie nur ein einziges Fränkli kosten würde.

Jacqueline Badran

Scheinheilig ist, wenn man rein Auto-ideologisch argumentiert und tut, als sei man sachlich. Nochmals: Es braucht weder die zweite Röhre noch eine Verladelösung, noch provisorische Verladeanlagen. Diese brauchte es nur im Falle einer 1000-tägigen Schliessung. Und diese Schliessung braucht es nur, falls wir die erste Röhre an die EU-Normen anpassen. Für die tatsächlich nötige Sanierung braucht es laut dem neusten Bericht des Astra keinen einzigen Tag Vollsperrung. Und das für höchstens 250 Millionen Franken. Wieso wollen Sie über 2,5 Milliarden Franken mehr zum Fenster rauswerfen für technisch unnötige Anpassungen an EU-Normen?

Christian Wasserfallen

Das ist der ganz grosse Äpfel-Birnen-Mix. Klar ist, dass die Gegner eine Vollschliessung von rund 1000 Tagen während der Totalsanierung des Tunnels in Kauf nehmen. Sie stellen hier Behauptungen auf, die von allen Seiten widerlegt werden. Sie schildern nur den Fall der Leichtsanierung und nicht die totale Sanierung, mit Decke und allem, die sowieso kommt. Und da ist die zweite Tunnelröhre mehr als nötig, damit der Verkehr weiter zirkulieren kann. Das Tessin und die andern Kantone, die vom Schleichverkehr belastet wären, sind uns dankbar. Übrigens: Auch die Elektrofahrzeuge brauchen einen sicheren Tunnel. Und Güter wie Bio-Bananen lassen sich leider auch nicht über den Gotthard beamen wie im Film.

Jacqueline Badran

Ich stelle keine Behauptungen auf, sondern Sie. Erstens: Der Gotthard-Eisenbahntunnel wurde in 133 Jahren noch nie total saniert, von wegen: «alle 40 Jahre muss saniert werden». Zweitens: Elektroautos explodieren nicht, und Ihre Bio-Bananen auf dem Lastwagen sollen gefälligst Alpenschutz- konform durch unsere 20 Milliarden Franken teure Neat. Und drittens: Die Anpassungen von Decke und Gefälle kommen nicht sowieso, wie Sie behaupten. Das hat allein mit der technisch unnötigen EU-Norm für Tunnels zu tun. Das brauchen wir nicht. Es bringt weder eine erhöhte Lebensdauer noch mehr Sicherheit, sondern nur viel mehr Verkehr und mehr Schulden. Dafür fehlt dann das Geld für wichtige Strassenprojekte in den Agglomerationen. Das findet selbst die NZZ und empfiehlt deshalb auch ein Nein zur zweiten Gotthardröhre.