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Zur Asylgesetz-Revision (E-Mail-Debatte in der NZZ a.S.)

Die E-Mail-Debatte
publiziert in der NZZ a.S. vom 8.5.2016
«Mit dem Argument Gratisanwälte zeigen Sie nur Ihre Verwirrtheit»

Jacqueline Badran

Werter Herr Rutz, seit Jahren werden von ausnahmslos allen Seiten beschleunigte Asylverfahren gefordert. Jetzt liegt endlich eine Vorlage auf dem Tisch. Ihre Partei hat dagegen das Referendum ergriffen und tritt mit doch eher gesuchten und konstruierten Argumenten an. Alle – auch Sie – fordern ebenso mehr Vororthilfe etwa in den Flüchtlingslagern in Libanon oder in Jordanien, wo Millionen von Kriegsvertriebenen leben. Sie und Ihre Partei stimmten aber gegen eine Budgeterhöhung für Vororthilfe. Sie machen das Gegenteil von dem, was Sie proklamieren. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie die Probleme gar nicht lösen wollen.

Gregor Rutz

Liebe Frau Badran, die Migrationsströme nach Europa haben kaum mehr fassbare Ausmasse angenommen, und das Schlepperwesen floriert. Kriminelle Organisationen bereichern sich schamlos am Leid von Menschen. Hier sind Lösungen gefordert. Stattdessen wird die Asylproblematik von den meisten Parteien und Politikern schöngeredet oder totgeschwiegen. Tatsache ist: In den vergangenen zehn Jahren sind die Ausgaben für internationale Zusammenarbeit um fast 60 Prozent gestiegen. Eine Schwerpunktbildung hat – trotz unserer Forderung – nie stattgefunden. Die Gelder von über 3,5 Milliarden Franken versickern zu einem beachtlichen Teil in der Administration. Diese Mittel müssen gezielt für die Bewältigung der Migrationsströme eingesetzt werden. Dafür brauchen wir kein neues Asylgesetz, sondern gute Arbeit im Bereich Vollzug.

Jacqueline Badran

Entwicklungszusammenarbeit hilft nachweislich, die Ursachen der Migration zu bekämpfen. Wenig hilfreich ist es allerdings, wenn Ihre Partei den Schutz von korrupten Diktatoren aus Afrika oder dem Osten verstärkt statt senkt. Diese transferieren Milliarden, die sie dem Volk gestohlen haben, in die Schweiz. Und Sie wollten die Möglichkeiten einschränken, solche Leute zu verfolgen. Das ist krankhaft. Das abscheuliche Schleppergeschäft könnte man ebenfalls längst beenden, indem man sich vehement für ein europaweites Botschaftsasyl einsetzt oder indem der Westen Kontingentflüchtlinge aufnimmt. Aber Sie wollen das Gegenteil. Sie verhindern alle Verbesserungen, sowohl bei den Fluchtursachen als auch bei verbesserten und beschleunigten Asylverfahren.

Gregor Rutz

Sie lenken ab. Das Hauptproblem ist, dass Hunderttausende von Migranten nach Europa strömen in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Die unbeholfene Politik der EU, allen voran Kanzlerin Angela Merkel, sendet völlig falsche Signale aus – Stichwort Willkommenskultur. Dadurch wird erst der Boden für das Schlepperwesen bereitet. Kommt hinzu: Europa ist diesem Zustrom sowohl logistisch als auch politisch überhaupt nicht gewachsen. Dies bringt Unsicherheit, Unruhe und politische Instabilität. Gar nicht zu sprechen von den Sicherheitsproblemen, welche durch Parallelkulturen entstehen – siehe Brüssel und Paris. Dort hat man die Migrationsprobleme lange unter den Teppich gewischt. Noch einmal: Wir setzen unsere Entwicklungsgelder falsch ein – hier gälte es, Schwerpunkte zu bilden. Mit dem neuen Asylgesetz und den vorgesehenen Gratisanwälten steigern wir die Attraktivität der Schweiz als Zielland für Migranten weiter. Genau das Gegenteil wäre richtig.

Jacqueline Badran

Ich konfrontiere Sie mit Inkonsistenzen Ihrer Flüchtlingspolitik, worauf Sie über die Willkommenskultur lamentieren, die wir gar nicht beeinflussen können. Und Sie werfen mir vor, ich weiche aus? Das zeigt, wie sehr Sie sich verrannt haben. Jetzt fordert Ihr Dossierverantwortlicher Andreas Glarner sogar Stacheldraht um die Schweiz, obwohl nur 1 Prozent der Migranten über die grüne Grenze kommen. Da schüttelt selbst euer Parteipräsident den Kopf. Auch mit dem Argument Gratisanwälte, mit dem Sie die Revision bekämpfen, zeigen Sie nur Ihre Verwirrtheit. Erstens gab es schon immer kostenlosen Rechtsbeistand. Wir sind ja ein Rechtsstaat und keine Bananenrepublik. Zweitens werden diese Anwälte neu pauschal und recht bescheiden entschädigt. Damit wird ein Anreiz geschaffen, die Verfahren nicht zu verlängern. Damals im Kosovokrieg wurden die Verfahren auch beschleunigt, worauf die Asylgesuche schlagartig gesunken sind. Wir werden als Zielland also unattraktiver. Das sind Fakten. Sie hingegen haben kein einziges stichhaltiges Argument gegen die Revision. Nur damit das klar ist: Niemand findet es gut, wenn 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht sind. Niemand vernebelt die Probleme, die daraus entstehen. Ein echtes Drama ist es aber für die Vertriebenen selbst, nicht für uns, die das leistungsfreie Glück haben, hier leben zu dürfen. Deshalb setze ich mich auch vehement für die Bekämpfung der Fluchtursachen ein. Auch da helfen Sie nie mit.

Gregor Rutz

Ich muss den Kopf schütteln über diese romantischen Vorstellungen. Selbstverständlich können wir etwas gegen die fehlgeleitete EU-Politik machen: Wir müssen endlich Ordnung schaffen, unsere Rechtsordnung durchsetzen und für die Einhaltung des Dubliner Abkommens kämpfen. Gerade weil wir ein Rechtsstaat sind, darf es nicht sein, dass einer einzelnen Gruppe von Menschen gratis Anwälte zur Seite gestellt werden. Bereits heute gibt es kostenlose Rechtsbeistände – aber nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Für Schweizer wie für Asylbewerber. Warum Letztere nun plötzlich bevorzugt behandelt werden sollen, verstehe ich nicht. Unser Problem ist, dass diejenigen Migranten, welche einmal hier sind, kaum mehr ausgewiesen werden können. Wir müssen im Vollzug ansetzen und nicht einfach neue Gesetze machen, um das Gewissen zu beruhigen. Das ist nicht seriös. Darum lehne ich die Asylrevision ab.