Zurück zur Übersicht

Unternehmenssteuerreform 3 – Ein Streitgespräch mit Finanzdirektor Ernst Stocker

Erschienen im Tagesanzeiger vom 23.1.2017

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/eine-der-entscheidendsten-vorlagen-ueberhaupt/story/13417220

«Eine der entscheidendsten Vorlagen überhaupt»

An der Unternehmenssteuerreform scheiden sich die Geister: SVP-Regierungsrat Ernst Stocker hält sie für dringend nötig, SP-Nationalrätin Jacqueline Badran lehnt sie ab.

Befürworter und Gegner der Unternehmenssteuerreform III engagieren sich in Zürich stark. Sie beide vorneweg. Warum?
Ernst Stocker: Weil sie wichtig ist. Ganz besonders für den Kanton Zürich, der ein Viertel der Wirtschaftsleistung der ganzen Schweiz erbringt. Da muss man sich engagieren.
Jacqueline Badran: Es ist tatsächlich eine der entscheidendsten Vorlagen überhaupt. Im Grunde geht es darum, welche Strategie wir in Zukunft fahren. Macht man sich weiter abhängig von internationalen, mobilen Gesellschaften? Wollen wir dieses Klumpenrisiko? Das ist die erste Frage. Die zweite: Wollen wir Konzerne weiter entlasten, damit sie Gewinne einfahren, die wir über die Einkommenssteuer zahlen?

Herr Stocker, beschert man dem Kanton Zürich mit dieser Vorlage ein Klumpenrisiko?
Stocker: Die Schweiz und auch Zürich sind bis jetzt mit diesem Modell gut gefahren. Selbst die Stadt Zürich, deren Regierung die Reform bekämpft, rechnet mit steigenden Unternehmenssteuererträgen bis 2020 – die wollen dieses Modell also aufrechterhalten. In der Stadt und im Kanton sind die Unternehmenssteuererträge seit 2009 um 30 respektive 50 Prozent gestiegen.
Badran: Das stimmt einfach nicht: Was Sie hier nennen, sind die absoluten Zahlen. Aber die Bevölkerung ist auch gewachsen und alles andere auch. Gemessen daran, sind die Unternehmenssteuern nicht gestiegen, ihr Anteil am Steueraufkommen ist seit Jahren der gleiche. Die Unternehmenssteuerreform I hat hier tatsächlich Unternehmen angezogen. Die zweite Reform aber überhaupt nicht. Seither stagnieren die Unternehmenssteuern. Und Zürich rechnet mit höheren Steuern, weil die UBS und die CS endlich wieder zahlen.
Stocker: Proportional sind die Unternehmenssteuern deutlich stärker gewachsen als die Bevölkerung.
Badran: Aber der Anteil liegt seit Jahren bei 19 Prozent, oder etwa nicht?
Stocker: Das liegt daran, dass sie wegen der Finanzkrise eingebrochen sind – inzwischen ist das alles aufgeholt worden. Wir haben eine gut laufende Wirtschaft. Auch mit den Steuern läuft es gut.

Herr Stocker, ein Element der Reform ist Ihnen besonders wichtig: die zinsbereinigte Gewinnsteuer für Firmen. Sie ist massgeschneidert für jene mobilen, internationalen Gesellschaften, die Frau Badran kritisiert. Soll man sich von solchen Firmen abhängig machen?
Stocker: In Zürich sind noch immer 90’000 Arbeitsplätze von Banken und Versicherungen abhängig, darauf kann man doch nicht einfach verzichten. Darum sind wir für die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Wir müssen diesen Firmen etwas anbieten, damit sie hierbleiben.
Badran: Reden wir mal kurz über Gemeinsamkeiten, die wir haben. Wir glauben auch, dass die Privilegien, die wegfallen, kompensiert werden müssen. Und es lässt sich nicht ganz verhindern, dass manche Unternehmen, die bisher nicht privilegiert waren, von den Ersatzprivilegien profitieren. Aber die zinsbereinigte Gewinnsteuer . . . Herr Stocker tut jetzt so, als wäre die toll für den ganzen Finanzplatz, dabei ist die für die UBS und die Credit Suisse irrelevant. Die haben gar kein überschüssiges Eigenkapital. Relevant ist dieses Instrument nur für die Finanzierungsgesellschaften – und das ist etwas total anderes als Banken und Versicherungen.

Inwiefern?
Badran: Eine solche Gesellschaft hat nur den Zweck, auf legalem Weg Steuern zu vermeiden. Man packt also einem Steuervermeidungsvehikel noch einmal ein zusätzliches Steuervermeidungsinstrument obendrauf. Das ist doch krank.
Stocker: Von der zinsbereinigten Gewinnsteuer kann auch ein KMU wie Ihres profitieren.
Badran: Die paar Hundert Franken interessieren mich doch nicht. Und 95 Prozent aller KMU in diesem Land interessieren sie genauso wenig – die zahlen nämlich gar keine Steuern. Diese Vorlage ist nicht für sie gemacht.
Stocker: Dann sprechen wir doch von den anderen 5 Prozent. Die will ich hierbehalten. Aber wenn man von denen plötzlich das Doppelte verlangt, dann gehen die sich anderswo umschauen.
Badran: Wohin?
Stocker: Nach Irland, London, in die Niederlande oder in andere Kantone.
Badran: Jetzt sind wir bei der Sache. Alle behaupten immer, es gehe um den internationalen Standortwettbewerb. Dabei ist es der interkantonale Wettbewerb, den man angeheizt hat wie verrückt.
Stocker: Das ist nichts Neues. Schaffhausen lockt Firmen mit einer Unternehmensgewinnsteuer von rund 12 Prozent an.
Badran: Richtig. Der Kanton Zürich kann es sich nicht mehr leisten, von den kleinen Kantonen so unter Druck gesetzt zu werden. Von Schaffhausen, Appenzell oder Nidwalden, die sich das leisten können, weil sie so wenige Firmen haben, dass sie viel weniger stark von den Unternehmenssteuern abhängig sind. Sie und ich, wir sollten eigentlich zusammen nach Bern gehen und sagen . . .
Stocker: Ja, wir wären ein gutes Team. Wir könnten auch noch eine Kuh kaufen gehen. Sie übernehmen das Reden, und ich führe die Kuh. (beide lachen)
Badran: Ich habe nichts gegen den Steuerwettbewerb unter den Kantonen, aber mit Mass. Deshalb sollten wir zusammen nach Bern gehen und sagen: Es reicht!
Stocker: Nein, darum brauchen wir diesen Instrumentenkoffer, der massgeschneiderte Lösungen für unseren Kanton ermöglicht. Sie wissen besser als ich, dass wir Zürcher in Bern nicht besonders geliebt werden und wie schwierig es ist, Mehrheiten zu finden.

«Fakt ist, dass vor allem Aktionäre von dieser Vorlage profitieren.»Jacqueline Badran

Können Sie nachvollziehen, warum Herr Stocker froh ist, dass ein Instrument wie die zinsbereinigte Gewinnsteuer Teil der Reform ist?
Badran: Gegenfrage: Der Bundesrat wollte sie nicht, weil er sie nicht für finanzierbar hielt. Österreich hat sie wieder abgeschafft. Und auf internationaler Ebene wird sie bald nicht mehr akzeptiert sein. Warum führen wir so was ein?
Stocker: Dieses Instrument ist nach wie vor akzeptiert. Österreich ist für den zweitgrössten Finanzplatz Europas sicher nicht relevant. Wir sind überzeugt, dass die Zinsbereinigte richtig ist – zusammen mit jenen Kantonen, die wie wir Versicherungs- und Geldinstitute beherbergen. Ich höre auch von den Versicherungen, dass das für sie wichtig sei.
Badran: Sie handeln ohne jede Not. Man muss nicht die ganze Bestellliste bestimmter Interessengruppen abarbeiten.

Haben Sie die Bestellungen der Konzerne unhinterfragt übernommen, Herr Stocker?
Stocker: Ich warnte im Vorfeld dieser Vorlage die bürgerlichen National- und Ständeräte: Überladet das Fuder nicht. Aber für die zinsbereinigte Gewinnsteuer setzten wir uns ein – da unterscheidet sich einfach unsere Einschätzung. Wir glauben, dass es eines jener Instrumente ist, die wir brauchen, genauso wie die steuerliche Entlastung für Patente, Forschung und Entwicklung.
Badran: Das Steuersubstrat der Banken ist zurückgegangen und wird in Zukunft wegen Innovationen wie Bitcoin nochmals zurückgehen. Zum Glück wird es einigermassen ersetzt durch jenes der IT-Branche, deren Anteil in der Stadt Zürich massiv gewachsen ist. Aber was machen wir jetzt? Wir führen auf Bundesebene eine Lizenzbox ein und sagen: Alle Erträge aus Software werden nicht besteuert. Da frage ich mich: Was ist in fünf Jahren nicht Software?
Stocker: Das ist eine Behauptung. Ob das so kommt, wissen wir noch nicht. Das steht erst in der Verordnung, und die ist noch nicht veröffentlicht. Ich verstehe Sie nicht: Jetzt wollten Sie doch eben noch die neuen Branchen fördern, und wenn wir etwas für sie machen, ist es auch wieder nicht recht.
Badran: Ich bin mit meinem Unternehmen Bestandteil dieser Branche, und ich brauche keine solchen Privilegien zum Existieren. Ich brauche gute Kunden. Es ist nicht erheblich, wie jene paar IT-Unternehmen, die überhaupt Gewinn schreiben, besteuert werden.

Können Sie hier wirklich für die anderen sprechen?
Badran: Fakt ist: Das Steuersubstrat in der Stadt Zürich stammte 2005 zu 81 Prozent von den Banken und den Finanzinstituten. 2014 kamen nur noch 27 Prozent von den Banken und bereits 18 Prozent aus der IT-Branche. All diese Firmen sind keine Statusgesellschaften, die nun Privilegien verlieren. Sie sind da ohne Lizenzbox, also machen wir dieses Instrument ohne Not.
Stocker: Nur das Steueramt kann wissen, welche Firma eine Statusgesellschaft ist. Auch ich bleibe bei den Zahlen. Die Stadt Zürich hatte 2008 Unternehmenssteuern von 576 Millionen. Das Budget für 2016 sieht bereits 976 Millionen vor und wird wohl noch übertroffen. Beim Kanton hatten wir 2009 Unternehmenssteuern von 947 Millionen und im Budget 17 rund 1400 Millionen. Und diese Einnahmen wollen wir behalten.
Badran: Wir doch auch! Der Unterschied ist bloss, dass der Regierungsrat des Kantons Zürich permanent beim Personal spart und Kosten auf die Gemeinden abwälzt. Die Kantone sind auch nicht die grossen Betroffenen dieser Reform, das sind die Gemeinden. Beim Kanton kommen nur 19 Prozent der Steuern von Firmen. Nehmen Sie Opfikon: Dort sind es 62 Prozent!
Stocker: Das mit dem Sparen beim Personal und den Gemeinden ist eine haltlose Behauptung. Die Gemeinden, die Sie immer erwähnen, profitieren von ihren Unternehmen und haben hohe Steuererträge. Denen geht es gut. Besser als jenen mit wenig Unternehmen.
Badran: Opfikon musste die Steuern für natürliche Personen erhöhen. Diese Gemeinden werden das mit Garantie wieder tun müssen, weil leider auch Ernst Stocker nicht dafür sorgte, dass die Reform anständig gegenfinanziert ist.

Herr Stocker, wenn Ihnen diese Reform so wichtig ist: Warum haben Sie sich dann nicht für zusätzliche Einnahmen eingesetzt, um die Linke ins Boot zu holen?
Stocker: Wir gehen doch im Gegenzug mit der Dividendenbesteuerung auf 60 Prozent hoch. So steht es im Vorschlag für die kantonale Umsetzung.
Badran: Das ist die minimale Erhöhung, die der Bund vorschreibt. Warum nicht auf 80 Prozent hochgehen wie Basel? Warum soll der Mittelstand bezahlen?
Stocker: Weil das bei uns gar nicht viel ausmacht. 10 Prozent tragen Stadt und Kanton gerade mal 15 Millionen zusätzlich ein. Zudem würde sonst die Doppelbesteuerung der Unternehmensgewinne wieder verschärft, die eben erst reduziert wurde.
Badran: Wir haben in diesem Kanton schon die Kapitalsteuer und die Dividendenbesteuerung halbiert, die Handänderungssteuer abgeschafft. Wir entlasten permanent das Kapital. Fakt ist, dass die Dividendenausschüttungen von Rekord zu Rekord gehen. Das ist es, was die Konzerne machen: Dividenden ausschütten, statt zu investieren. Und 75 Prozent dieser Dividenden, die in der Schweiz ausgeschüttet werden, fliessen zurück in amerikanische, chinesische oder katarische Fonds.
Stocker: Ja und? Ihre Gewinnsteuern bezahlen die Unternehmen ja in der Schweiz. Das ist mir wichtig. Wahrscheinlich gibt es kein anderes Land, das so viele Investitionen aus dem Ausland hat, deren Erträge aber uns zufliessen.
Badran: Fakt ist, dass vor allem die Aktionäre von dieser Vorlage profitieren. Weniger Steuern für die Unternehmen heisst eins zu eins mehr Gewinn für die Aktionäre. Und von diesen Gewinnen gehen 75 Prozent ins Ausland.
Stocker: Wenn diese Firmen nicht mehr in der Schweiz sind, dann haben wir nicht mal mehr die Arbeitsplätze. Und die Steuern fliessen dann halt nach Holland statt in die Schweiz.
Badran: Wenn wir Nein sagen und die Vorlage an den Absender zurückschicken, passiert erst mal gar nichts. Meinen Sie ernsthaft, dass dann Unternehmen fluchtartig die Schweiz verlassen? Ein Nein ist zuerst ein klares Zeichen der Bevölkerung: Gebt den Unternehmen weniger Privilegien und überlegt euch eine bessere Gegenfinanzierung, nicht nur über die Löhne.
Stocker: Die Gegner behaupten immer, dass die USR III eine starke Steuererhöhung zur Folge hätte. Das stimmt doch nicht. Als die Stadt Zürich während der Finanzkrise 100 Millionen weniger Steuereinnahmen hatte, sind die Steuern auch nicht gestiegen. Und auch die Unternehmenssteuerreform II hat keine Steuererhöhung ausgelöst.
Badran: Aber wir konnten die Steuern auch nicht senken.
Stocker: Aha, jetzt will die SP plötzlich die Steuern senken.
Badran: Sicher. Die SP hat in Zürich kantonale Vorstösse lanciert zur Verdreifachung des Steuerfreibetrags. Das ist Steuersenkung für den Mittelstand.
Stocker: Zürich ist bei der Steuerbelastung des Mittelstands schon heute sehr gut positioniert.

«Bei so viel Einigkeit kann dieser Weg nicht der falsche sein.»Ernst Stocker

Frau Badran sagte eben, wenn man die USR III ablehne, passiere gar nichts. Wie sehen Sie das?
Stocker: Wenn sie abgelehnt wird, nehmen wir eine Neubeurteilung vor. Die neue Vorlage würde aber nicht gross anders aussehen. Die Linken waren schliesslich einverstanden, dass man die Vorteile für die Statusgesellschaften abschafft. Die OECD rechnete damit, dass wir die Steuern für alle Firmen erhöhen. Doch das haben wir nicht gemacht, weil wir die Firmen behalten wollen. Die Schweiz hat ein Buebetrickli angewendet. Die Grosskonzerne zahlen zwar ein bisschen mehr – und nicht weniger, wie die Gegner immer behaupten – und die anderen Firmen, die angeblich eh nichts bezahlen, ein bisschen weniger.
Badran: Ha, ha – weniger als nichts!
Stocker: Rund 60 Prozent der juristischen Personen zahlen in der Tat kaum Steuern. Das gilt wohl auch für Ihre Firma. Dafür verdienen Sie sicher gut und zahlen so Ihre Einkommenssteuern.
Badran: Meine Firma zahlt Steuern. Und was wissen Sie, wie viel ich verdiene?
Stocker: Das weiss ich natürlich nicht. Im Ernst: Euch Gegnern gehts ja nur um die zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlich hohem Eigenkapital. Das ist für euch der grosse Dorn im Auge.
Badran: Auch. Aber brandgefährlich ist vor allem die Ausweitung der Lizenzbox für Erträge aus Software. Das ist eine Blackbox pur, ohne jede Not.
Stocker: Wir brauchen Instrumente zur Förderung der inländischen Forschung im Bereich der Digitalisierung.
Badran: Wir beide wollen eine Reform, wir wollen keine Firmen vertreiben, und wir beide wollen einen Instrumentenkoffer, weil die Firmenstruktur zwischen den Kantonen unterschiedlich ist. Und für Firmen, die Privilegien verlieren, braucht es eine Kompensation. Wir Gegner sind aber der Meinung, dass in der heutigen Vorlage überkompensiert wird, deshalb resultieren schweizweit Steuerverluste von mindestens drei Milliarden. Und die Gegenfinanzierung ist falsch, weil Arbeit und Konsum belastet werden.
Stocker: Wir haben nie behauptet, dass es am Anfang zu keinen Ausfällen komme. Doch durch die gute Positionierung der Schweiz und Zürichs werden diese wieder wettgemacht . . .
Badran: . . . indem mehr Firmen kommen und die SVP prompt «Masseneinwanderung» schreit.
Stocker: Wenn wir unsere Privilegien aufgeben, ziehen Firmen weg. Eben hat die UBS angekündigt, dass sie wegen 15 Prozent Kosteneinsparung rund 500 Arbeitsplätze von Zürich nach Schaffhausen verlagert.
Badran: Sie betreiben eine Politik der Hoffnung: Alles kommt gut, weil neue Firmen kommen. Die Tugend der Schweiz und vor allem des Kantons Zürich war bisher, dass wir immer aus uns selbst heraus dank Innovation gewachsen sind – und nicht durch Anlocken von Firmen mit Steuerdumping.
Stocker: Nicht mit Steuerdumping, aber durchaus auch mit Zuzügen, wichtigen sogar.

Inneres Wachstum statt Zuzug aus dem Ausland: Das wäre doch eine typische SVP-Forderung.
Stocker: Als Finanzdirektor und SVP-Politiker stehe ich ein für einen starken Wirtschaftsstandort. Frau Badran macht den grossen Fehler, dass sie immer von den Steuern spricht und nie von den Arbeitsplätzen; diese sind für mich fast wichtiger. Mit der USR III bauen wir ein neues Fundament, und das kostet. Doch es wird sich auszahlen, gerade mit Blick auf die Arbeitsplätze.
Badran: Der Denkfehler liegt auf Ihrer Seite. Gerade die SP setzt sich für den Aufbau von echten Arbeitsplätzen dank innovativen Ideen und guten Produkten ein – und nicht bloss durch Anlocken von ausländischen Firmen dank Steuerprivilegien. Die Stadt Zürich zählt jedes Jahr 800 neue Unternehmen – und zwar nicht privilegiert besteuerte.
Stocker: Aber diese zahlen kaum Steuern, darum brauchen wir Lösungen für die guten Steuerzahler.
Badran: Dafür schaffen all diese Unternehmen Arbeitsplätze.

Wäre es nicht ehrlich, zu sagen: Genau lassen sich die Steuerausfälle gar nicht beziffern?
Badran: Dass die USR III die Stadt Zürich 20 Steuerprozente kostet, ist gut dokumentiert. Unsicher sind die Effekte durch den allfälligen Zuzug von neuen Firmen. Das ist auch eine Frage des internationalen Steuerklimas.
Stocker: Die Behauptung der Stadt Zürich, dass die Reform fast ein Viertel der Steuern kostet, ist nicht haltbar. Heute eine derartig happige Steuererhöhung für 2019 zu prognostizieren, erachte ich als nicht seriös. Nochmals: Die Stadt Zürich musste trotz Bankenkrise damals die Steuern nicht erhöhen.
Badran: Dann erinnern wir uns doch an die Versprechungen bei der USR II – aus den prognostizierten 80 Millionen sind mehrere Milliarden geworden, jährlich wiederkehrend.
Stocker: Aber ohne Steuererhöhung als Folge.

Wem soll man nun glauben?
Badran: Mir, weil die Fakten auf meiner Seite sind. Alles andere ist pure Religion. 60 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts sind der Konsum der normalen Bevölkerung. Diesen privaten Haushalten müssen wir Sorge tragen, das war lange das Erfolgsmodell der Schweiz. Diesen 98 Prozent der Menschen, die von Lohn oder Rente leben, muss genug Geld im Sack bleiben.
Stocker: Wir haben jetzt viel darüber gestritten, ob einzelne Instrumente dieser Reform zu weit gehen. Aber wenn sie angenommen wird, setzen wir sie in einer kantonalen Vorlage um. Das heisst: Sollte sich zeigen, dass der Spielraum für die Unternehmen zu gross ist, werden wir eine Korrektur vornehmen.
Badran: Daran glaube ich nicht, weil wir uns in einem interkantonalen Steuerwettbewerb befinden und immer im Zugzwang sind. Alle Kantone werden doch den ganzen Strauss an Massnahmen umsetzen.
Stocker: Zürichs Regierungsrat setzt sich mit praktisch allen Kantonen für diese Reform ein, weil sie Arbeitsplätze erhält, den Standort stärkt und Steuererträge sichert. Bei so viel Einigkeit kann dieser Weg nicht der falsche sein.