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8 Gründe gegen die Immobilienaufwertungs-Politik des Kantons Zürich

8 Gründe gegen die Immobilienaufwertungspolitik des Kantons

Der Kanton Zürich schreibt den Gemeinden eine Aufwertung der Immobilien vor. Dazu wurde viel Verwirrliches geschrieben. Hier einige grundsätzliche Überlegungen, die dazu führen, dass man sich zweifellos wehren muss:

VON JACQUELINE BADRAN, publiziert im PS vom 26. Juni 2008

Der Kanton Zürich schreibt in Gesetz und Verordnung die Bewertung von Immobilien vor, die die Gemeinden im Finanzvermögen (etwa: Vermögen zum Zweck der Kapitalanlage, jederzeit veräusserbar) halten. Die Liegenschaften müssen zum Verkehrswert (ähnlich Marktwert) in den Büchern stehen, der mit einer starren Formel berechnet wird. Diese werden periodisch neu nach diesem Kriterium bewertet.

Klar, denkt man sich. Die Bilanz soll auf der Aktiv-Seite zeigen welche Vermögenswerte die Gemeinden wirklich besitzen, und dies soll bitte sehr für alle gleich gelten, damit die Vergleichbarkeit gegeben ist. Sollte die Gemeinde Immobilien aus anderen Gründen halten als zur blossen Kapitalanlage, dann müsste man sie ins Verwaltungsvermögen (etwa: Vermögen zum Zweck der Erfüllung staatlicher Aufgaben, nicht schnell veräusserbar, z.B. Schulhäuser, Verwaltungsgebäude) verschieben. Werden grössere Bestände verschoben (also mehr als 20 Millionen in der Stadt Zürich) brauche es halt eine Volksabstimmung.
Die Stadt Zürich war mit gutem Grund von dieser Regelung ausgenommen, bis vor Kurzem. Nun müsse auch die Stadt .- es ginge nicht, dass die Stadt eine Politik des Erhalts günstigen Wohnraums betreibe und dies am Volk vorbei schmuggle. Zudem müsse die Gleichbehandlung greifen und die Werte in der Bilanz korrekt ausgewiesen werden.
Zu dieser nur auf den ersten Blick einleuchtenden Argumentation gibt es einiges einzuwenden:

1. Transparente Rechnungslegung

Was nämlich die wirklich transparente Rechnungslegung ist, darüber streiten sich die Experten. Das vom Volk abgesegnete Gemeindegesetz schreibt – wie das Obligationenrecht – eine Bewertung nach „kaufmännischen Grundsätzen“ vor. Dies wird verschieden gehandhabt. Der Marktwert ist schwierig zu ermitteln und schwankt. Der Ertragswert ist abhängig von den aktuellen Mieteinnahmen, sind diese günstig vermietet ist der Ertragswert tief. Zudem ist er abhängig von einem festen Kapitalisierungssatz, der wiederum die konkreten aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse verfälscht und Wertminderungen wie Denkmalschutz, aktuelle Hypothekarzinsen etc. nicht widerspiegelt. Diese Bewertung nach dem Ertragswert wird jedoch vom Kanton in einer (nota bene nicht vom Volk gut geheissenen Verordnung) verlangt. Nicht einmal der am weitesten verbreitete Rechnungslegungs-Standard (US GAAP) für Liegenschaften sieht eine Marktbewertung vor, sondern unter diesem Standard gilt das Anschaffungswertprinzip gilt (abzüglich Abschreibungen auf Gebäuden und dauerhafte Werteinbussen). Dieses zeigt die Kosten bei Anschaffung und Erneuerung und nicht einen hypothetischen Wert, der erzielt werden könnte, obwohl man nicht über die entsprechenden Mietzinseinnahmen verfügt, sondern hofft diese bei einem Mieterwechsel zu erzielen. Insofern ist diese verlangte Rechnungslegung irreführend und täuschend.

2. Kein ausgeglichenes Bild der Vermögenswerte
Höchst unglücklich ist auch, dass sich die Bemühungen um die reale Darstellung der Vermögenswerte nur auf die eine Seite bezieht: Risiken, also potentielle Schulden (Rückstellungen für allfällige Ausgaben) die auf der Passiv-Seite der Bilanz stehen würden, werden ausgeklammert. Wenn zum Beispiel der Sihlsee-Staudamm bricht, wird die Stadt massiv zur Kasse gebeten; solche quasi Negativ-Vermögen werden aber nicht verlangt.

3. Gleichheit und Vergleichbarkeit fiktiv

Hergestellt soll mit dieser starren Ertragswert-Bewertungsvorschrift Gleichheit und Vergleichbarkeit der Vermögenswerte zwischen den Gemeinden. Soweit so gut. Aber ist eine Immobilie in der Altstadt von Zürich gleichzusetzen wie die Scheune in Sternenberg? Wohl kaum.

4. Finanzausgleich ist nicht relevant
Argumentiert wird, dass es nur schon wegen des innerkantonalen Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden die identischen Vorschriften braucht. Unsinn. Erstens hat die Steuerkraft einer Gemeinde, die für den Ausgleich relevant ist, gar nichts mit den Vermögenswerten in der Bilanz zu tun; lediglich beim Steuerfuss-Ausgleich kommt dies zum tragen. Dies betrifft aber gerade mal 26 Gemeinden im Jahr 2008. Zweitens ist die Stadt Zürich ohnehin vom Finanzausgleich ausgenommen!

5. Politik ohne Volksabstimmung?
Wenn die Stadt Immobilien habe, die anderen Zwecken diene als der blossen Kapitalanlage, müsse dies im Verwaltungsvermögen eingestellt werden. Die Stadt müsse dann aber eine Volksabstimmung machen und davor drücke sie sich. Hintergrund ist dabei eine völlig veraltete schematische Definition dieser Vermögensklassen der öffentlichen Hand. Aktien und Immobilien werden nämlich als identische Kategorien von Geldanlagen betrachtet. Boden ist aber ein viel zu wichtiges Gut als dass dies zutreffen würde. Es entspricht langjähriger Praxis der Stadt mit Immobilienbesitz Entwicklungen zu beeinflussen. Zum Beispiel muss die Stadt Häuser im Langstrassenquartier aufkaufen, um nur einigermassen die Entwicklung des Gebiets zu steuern. Würde man da verlangen, dass man diese Häuser wie ein Schulhaus behandelt? Nein – die Stadt muss da flexibel sein können und relativ schnell handeln. Dasselbe gilt für das Ziel einer guten Durchmischung der Quartiere und den Erhalt von billigem Wohnraum. Zudem unterliegt das Verwaltungsvermögen rigiden Abschreibungsvorschriften (10% auf den Restwert), die die Lebensdauer der Objekte nicht berücksichtigt.. Ziel dieser ist es, den nachkommenden Generationen keine Kosten aufzubürden. Deshalb muss der Kanton auch für die Wohnsiedlungen der Stadt, die in ein Verwaltungsvermögen II-Konstrukt verschoben werden, Sondervorschriften verfügen , die andere Abschreibungen vorsehen 0,5% pro Jahr plus Einlagen in den Erneuerungsfonds). Dies zeigt wie unhandlich das Verwaltungsvermögen ist. Das Prinzip der Kostenmiete, das auch bei Baurechtsarealen der Genossenschaften und bei den Wohnsiedlungen gilt, das eine Bewertung der Immobilie nach dem Anlagewert verlangt (die effektiven Kapitalkosten müssen gedeckt sein) ist eine in verschiedenen Abstimmungen gutgeheissenes Prinzip und eine tragende und bewährte Säule der Zürcher Wohn- und Sozialpolitik.

6. Verschleuderung von Steuergeldern?
Man kann durchaus der Meinung sein, gewisse Mieterinnen von städtischen Wohnungen könnten sich höhere Mieten leisten. Gewiss profitieren auch Personen vom oberen Mittelstand von der Kostenmiete. Teilweise zahlen sie nicht einmal die Hälfte der Mieten ihrer Nachbarn in privaten Immobilien. Besser aber sollte man sich fragen, zahlen die anderen nicht zu viel? Müssten nicht viel mehr Wohn- und Gewerberäume in die Kostenmiete überführt werden?

7. Alle profitieren
Dies umso mehr als das unser Mietsystem stark auf Vergleichsmieten (Ortsüblichkeit) basiert. Die städtischen (und genossenschaftlichen) Mietpreise haben deshalb eine deutlich dämpfende Preiswirkung auf den Gesamtmarkt. Deshalb profitieren alle von einem grossen Bestand an Wohnungen in der Kostenmiete.

8. Volkswirtschaftlicher Unsinn
Die Aufwertungspolitik des Kantons (und übrigens auch von den Pensionskassen) ist vor allem ein volkswirtschaftlicher Unsinn. Die buchhalterische Aufwertung führt bei gegebener Rendite immer zu Mietzinserhöhungen. Und dies ganz ohne jegliche wirtschaftliche Wertschöpfung. Buchstäblich wird vom einen Sack hinaus mehr genommen und in den anderen mehr hinein, sie bewirkt also blosse Umverteilung. Dieses Geld fehlt dann den Mietern für den Konsum, sie fehlt den KMU und dem Gewerbe. Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn.

Es gibt somit keinen einzigen vernünftigen Grund künftige Immobilienaufwertung zu akzeptieren. Sie ist unter jedem Titel falsch. Deshalb ist die Initiative für den Erhalt günstigen Wohnraums eine äusserst wichtige und gute Sache.
Der Kanton will uns zu einer Volksabstimmung zwingen? Bitte sehr: hier ist sie.