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Initiative «Wohnen für alle» – Zukunftsweisend für Zürich

Die eingereichte und gültige Initiative der SP «Wohnen für alle» verlangt, dass der Marktanteil von nichtrenditeorientierten Mietwohnungen in der Stadt Zürich von derzeit 25% innert 30 Jahren auf 33% steigt. Der Stadtrat lehnte letzte Woche die Initiative ab mit der Begründung, sie sei nicht umsetzbar. Dafür will sie eine neue Stiftung mit 75 Mio. Franken Kapital ins Leben rufen, für einkommensschwache Personen. Das ist keine gute Idee. Denn die Initiative ist zielführend, notwendig und machbar.

Die Immobilienpreise im Raum Zürich steigen jährlich zwischen 5 und 10%. Wir erleben fast täglich Leerkündigungen mit anschliessender Pseudo-Luxussanierung. Bei Mieterwechsel sind Mietpreissteigerungen von bis zu 40% keine Seltenheit. Die Folge: eine sicht- und spürbare Erosion des Mittelstands und der Einkommensschwachen aus der Stadt. Treibende Kräfte dieser Entwicklung sind gigantische Summen von Anlagegeldern, die in den schweizer Immobilienmarkt drängen, unterstützt von einem Strukturwandel in der Immobilienbranche, der Umbau der Immobilienmärkten zu reinen renditestarken Ertragsanlagen, die massive Zuwanderung sehr gut Verdienender, sowie ungenügende gesetzliche Rahmenbedingungen, wie die Nichtunterstellung der Immobilien unter das Geldwäschereigesetz und mietpreistreibende Anlagevorschriften bei Pensionskassen.

Zielführend
Das Mietrecht greift nicht und weitere Regulierungen haben wir nicht. Die einzige Möglichkeit den (letztendlich über Jahrzehnte) unaufhörlichen Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken, ist die dauerhafte Überführung von Immobilien ins nicht-renditeorientierte Eigentum. (Was nur so nebenbei bemerkt fundamental mit Wirtschaftsdemokratie zu tun hat. Wer kontrolliert unseren Boden und wem gehören die Gewinne?)
Wir müssen also den Marktanteil von gemeinnützigen Wohnbauträgern deutlich erweitern, deren Mietpreise um 26% tiefer liegen und nicht fortwährend steigen, damit mehr Menschen den Zugang zu zahlbaren Wohnungen haben und Zürich eine Stadt für alle bleibt. Insofern ist die Initiative zielführend.

Notwendig
Sie ist notwendig weil wir unsere bisherige Wohnpolitik gegen zufällige Mehrheiten absichern müssen. Wir haben in den letzten Jahrzehnten fast alle städtischen Grundstücke an Genossenschaften abgegeben und innerstädtisches Land wurde kaum verkauft. Die FDP ist daran diesen Bestandteil der Koalition der Vernunft aufzukünden und die GLP ist vorderhand marktgläubig. Auch ein wohlwollender Finanzvorstand ist alles andere als sicher. Notwendig ist sie auch, um für eine neue Wohnpolitik eine demokratische Legitimation zu schaffen; denn die Bedingungen haben sich erschwert: Bauland ist sehr knapp geworden, die Marktpreise werden auf hohem Niveau verharren und die Zuwanderung Gutverdienender wird zweifelsohne noch deutlich zunehmen. Künftig sollten wir vermehrt Planungsgewinne abschöpfen, um an neues Land für Gemeinnützige zu kommen: Eigentümerin bekommt einen hohen Verdichtungsbonus – dafür wird für die Allgemeinheit einen Teil (z.B. ein Drittel) an eine Genossenschaft abgegeben. So haben wir das im Manegg-Areal erreicht, zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Dies drängt sich zum Beispiel bei einer der grössten Landeigentümerin wie der SBB auf. Zudem würden Zonen für preiswerte Wohnungen helfen. Dazu hat die SP des Kantons Zürich jüngst eine Initiative lanciert. Mit diesem Instrumentenmix ist die Expansion der Gemeinnützigen Wohnbauträger voranzutreiben.

Umsetzbar
Umsetzbar ist sie ohnehin, denn das ist einzig vom politischen Willen abhängig. Allein in den letzten drei Jahren waren 50% aller Neubauten gemeinnützig. In den nächsten 10 Jahren stehen rund 40‘000 (von 208‘000) der bestehenden Wohnungen zum Erbe an. Hier stellt sich lediglich die eine Frage: Wer kauft diese? Ein Herr Ledermann, ein UBS-Immobilienfonds, Geldwäscher, eine Vera Gloor oder ein Renditeanleger? Oder kaufen sie unsere Stiftungen, die Stadt und Kleingenossenschaften? Dies ist wohlgemerkt keine Frage des Geldes, denn die Kapitalkosten sind ja durch die Mieten gedeckt. Das bei gemeinnützigen übliche Eigenkapital von 10% kann zudem durch Genossenschaftsanteile beschafft werden. Allenfalls kostet uns das in 30 Jahren einige Hundert Millionen Abschreibungsbeiträge – oder so viel wie ein Letzistadion – wollen wir keine hohen Anfangsmieten in Kauf nehmen. Aber auch zu Anfang teure Mieten sind in 20 Jahren kostengünstig, sofern sie den Preissteigerungen entzogen sind.
Die Berechnungen vom Stadtrat als Grundlage für das Nichtmachbarkeits-Argument («das käme einem Bauverbot der Privaten gleich») sind abenteuerlich falsch, gehen sie doch allein von Neubauten aus, einer Finanzierung mit 100% Eigenkapital, der Ausblendung der durch die Mieten gedeckten Kapitalkosten, sowie dem Nichteinbezug des selbstbewohnten Eigentums. Was für ein Pfusch! Der Finanzvorstand rechnet vor, dass es einen Kapitalbedarf von 15, 6 Milliarden Franken nötig wären, um in 30 Jahren fast alle 24‘000 neue Wohnungen von Gemeinnützigen zu bauen sind, um auf den Anteil von 33% zu kommen. Bei 10% Eigenkapital macht das 1,5 Milliarden Franken in 30 Jahren oder 50 Millionen pro Jahr aus. Das wäre die Hälfte der jährlich erzielten Grundstückgewinnsteuern. Und wieso in aller Welt soll der private Sektor den Kapitalbedarf decken können und der Gemeinnützige Sektor nicht? Allein durch die eingesparten Gewinnabführungen könnte die Expansion finanziert werden. Geld ist doch nicht der limitierende Faktor, sondern die Verfügbarkeit von Land und Immobilien! Durch den oben beschriebenen Instrumenten-Mix sowie einem moderaten Aufkauf aus dem Bestand kann das Ziel mit Entschiedenheit erreicht werden.
Und nein – hier habe ich nicht etwa die Brille einer naiven Schwärmerin auf, sondern die einer knallharten Ökonomin und Unternehmerin. Ich erinnere daran, dass im roten Zürich 30% des Budgets der Stadt für Landkäufe ausgegeben wurden. Darum haben wir 25% Gemeinnützigkeit auf unserem Boden. Damals hatte der visionäre und mutige Stadtrat noch einen ausgeprägten Gestaltungswillen und hatte sich nicht auf das administrieren von Erreichtem beschränkt.

Letztendlich müssen wir die Bevölkerung nur eine Frage beantworten lassen, die uns politischer Auftrag werden soll: Überlassen wir Zürich kampflos den Superreichen und der Finanzbranche und machen daraus ein Seen-Monaco oder wollen wir ein Zürich für alle? Meine Antwort steht fest.