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Ghetto-Stiftung – Nein Danke

Wohnen in Zürich ist das Thema, dass den Leuten existentiell unter den Nägeln brennt. Ganze vier Initiativen wurden denn auch letztes Jahr zu dem Thema eingereicht. Die SP verlangt in der Gemeindeverfassung zu verankern, dass der Anteil gemeinnütziger Wohnungen innert 30 Jahren auf einen Drittel steigt (PS berichtete mehrfach); die Grünen verlangten eine neue Stiftung mit 80 Millionen Franken Kapital, die ökologisch ausgerichtet sein soll. Die EVP verlangt mehr zahlbaren Wohnraum vor allem für ältere Menschen und Familien. Der Stadtrat lehnt alle Initiativen ab und glaubt, mit einem indirekten Gegenvorschlag alle Bedürfnisse zu erfüllen. Vorgeschlagen wird eine «Stiftung für kostengünstiges Wohnen» mit einem Stiftungskapital von 75 Mio. Franken. Er koppelt die Stiftung an eine ausschliessliche Berechtigung für Menschen mit tiefen Einkommen (unter 50‘000 Franken für Alleinstehende und 59‘000 für Haushalte) gemäss kantonalem Wohnbauförderungsgesetz, sowie minimalem Wohnflächenverbrauch pro Person mittels Belegungsvorschriften und einem tiefen Ausbaustandard.
Um das allseits unterstützte Ziel einer durchmischten Stadt Zürich zu erreichen und die Erosion von Mittelstand und Einkommensschwachen zu stoppen, müssen wir (wie letzte Woche im PS ausgeführt) unsere gemeinnützigen Wohnbauträger expansionsfähig machen und ihnen Land verschaffen. Dabei hilft eine neue «Stiftung für kostengünstiges Wohnen» – wie es der Stadtrat als indirekten Gegenvorschlag propagiert – genau nichts.

Zahnlose Konkurrenz
Erstens wird dabei nur eine weitere Konkurrenz aufgebaut zu den bestehenden Stiftung (Stiftung für preiswerte Wohn- und Gewerberäume (PWG), Stiftung für Kinderreiche Familien, Stiftung für Alterswohnungen, Stiftung für Jugendwohnungen). Die neue Stiftung könnte ebenso keine Wohnungen im teuren Markt kaufen und schon gar nicht so kostengünstig wie versprochen anbieten, bekäme sie keine Abschreibungsbeiträge. Sie wäre also völlig zahnlos. Würde die Stadt Land an die Stiftung abgeben, wäre sie darüber hinaus auch eine Konkurrenz für die Baugenossenschaften. Sofort loslegen wie es der Stadtrat verspricht, könnte sie auch nicht; um eine neue Stiftung aufzubauen, braucht es fünf Jahre und ein Gang vor Bundesgericht bliebe ihr – wie bei allen anderen Stiftungen – auch nicht erspart. Wozu genau es eine neue Bürokratie, den Neu-Aufbau von Knowhow und Beziehungsnetzen etc. braucht ist ohnehin unklar. Die neue Stiftung, die mit 75 Millionen ausgerüstet würde, konkurriert darüber hinaus in der Volksabstimmung die dringend nötigen 70 Millionen Abschreibungsbeiträge, die wir mit überwiesener Motion an die PWG tranchenweise zur Verfügung stellen wollen. Was wir nämlich brauchen sind Abschreibungsbeiträge damit die Stiftungen kaufen können ohne gleich 4000-fränkige Wohnungen anbieten zu müssen (auch wenn neues Stiftungskapital nicht schadet).

Nicht zielführend und unnötig
Zweitens ist die Verknüpfung der Vermietung an markante Einkommensgrenzen und Belegungsvorschriften inakzeptabel. Meiner Meinung nach, kommt das regelrechten Armen-Ghettos gleich. Es ist das wovon sich jeder Stadtplanerin die Nackenhaare sträuben würden weil es diametral der angestrebten Durchmischung wiederspricht. Was für soziale Probleme man bekommt wenn man Einkommensschwache in Siedlungen konzentriert haben wir in der Hardau beobachten können oder in jeder gottvergessenen Banlieue der Welt. Unnötig ist sie auch, denn wir haben bereits viele verschiedene Instrumente für die Einkommensschwachen Haushalte: Viele Genossenschaften haben einen Anteil von 5% – 20% an subventionierten Wohnungen, die an Einkommens- und Belegungsvorschriften gekoppelt sind; ebenso gibt es viele städtische Wohnungen mit den gleichen Restriktionen und neue kommunale solcher Wohnungen sind geplant . Die Stadt zahlt hunderte von Millionen Franken jährlich an Wohnzuschüssen aus den AHV/IV-Zusatzleistungen und der wirtschaftlichen Sozialhilfe und wir haben einige Hilfen für spezifische Gruppen, wie begleitetes Wohnen für Drogenabhängige, Notwohnungen etc. An diesen Instrumenten kann man jederzeit schrauben. Wir können z.B. den Anteil subventionierter Wohnungen bei Genossenschaften und Stadt erhöhen, interne Quersubventionierungen verlangen und der PWG einen Anteil subventionierter Wohnungen statuarisch festschreiben. Damit erreicht man Durchmischung und nicht mit Ghettos für die Armen.

Problem Flächenverbrauch ungelöst
Zugegeben – der zunehmende Flächenverbrauch ist ein ökologisches Problem. Dies anzugehen war dann auch die Stossrichtung der Initiative der Grünen. Der Flächenverbrauch ist aber mindestens so ungleich verteilt wie die Einkommen und Vermögen. Besonders die sehr gut Verdienenden haben den Durchschnitt in den vergangenen Jahrzehnten hinaufgetrieben. Sicher nicht die Einkommensschwachen, die meist ohnehin schon eher gedrängt leben. Folgerichtig wäre eine (nicht mehrheitsfähige) Lenkungsabgabe auf den Flächenverbrauch, die diejenigen trifft, die ihn auch verursachen. Zur Erinnerung muss noch gesagt sein, dass fast alle Genossenschaften ohnehin Belegungsvorschriften haben. Die Lösung ist nicht eine neue Stiftung für Menschen, die bereits gedrängt leben, sondern Innovationen in den Wohnformen für einen tiefen Wohnflächenverbrauch. Genau dies stellen die Genossenschaften bereit, wie sie zum Beispiel die Projekte «mehr als Wohnen» oder «Kalkbreite» beweisen.

Ethisch bedenklich

Was mich besonders stört ist auch das Signal, das wir mit der Forderung für Belegungsvorschriften für die Einkommensschwachen aussenden? Für mich hat das den Beigeschmack von «Die Armen sollen gefälligst zusammenrücken damit die Reichen mehr Platz haben». Symbolisch gesehen: Villa Winkelwiese mit 1400m2 Wohnfläche für 2 Personen plus 400m2 Wellnesszone auf städtischem Land in der Altstadt hier und dort Schuhschachteln für die Armen an der Autobahnausfahrt.
Ich wünsche mir, dass alle Kräfte, die gegen die prekäre Situation auf dem Immobilienmarkt, jenseits von Parteipolitik etwas tun wollen, konstruktiv zusammensitzen und schnell eine Lösung finden, um unsere bestehenden Stiftungen und Baugenossenschaften für die zukünftigen Herausforderungen und Expansion fit zu machen.