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Wohnen für Alle – ein Gegenvorschlag mit guten Mehrheiten

Heute – am 14.9.2011 – wird die Initiative «Wohnen für alle» zugunsten eines Gegenvorschlags offiziell und formell zurückgezogen.  Im Vorfeld stiess dies bei vielen engagierten SP-Mitgliedern auf Unverständnis und ist ohnehin begründungspflichtig.

Initiativ-Text „Wohnen für Alle“ Initiative_Wohnenfueralle_2009-11-04

Aber zuerst eine kleine Rückblende. Vor gut einem Jahr hat die SP ihre Initiative «Wohnen für alle» eingereicht. Sie verlangt in der Gemeindeverfassung zu verankern, dass die Stadt gewährleisten soll, dass der Anteil gemeinnütziger Wohnungen innert 30 Jahren auf mindestens einen Drittel steigt (PS berichtete mehrfach), sowie eine Durchmischung in allen Quartieren. Fast zeitgleich reichten Grüne und EVP auch Wohn-Initiativen ein. Die SP-Mitglieder standen geschlossen hinter der Initiative und haben mit extrem viel Elan und Begeisterung während des letzten Gemeinderatswahlkampfs Unterschriften gesammelt.  Entsprechend gross war die Enttäuschung und das Unverständnis bei Basis und Fraktion, als der  Stadtrat alle vier Initiativen ablehnte.

Aus 3 mach 1: der Gegenvorschlag

Für Partei und Fraktion stellte sich die Frage, ob wir mit knappen Mehrheiten (Links-Grün, EVP , SD) und gegen den Stadtrat in die Abstimmung ziehen oder ob ein Gegenvorschlag die bessere Lösung sei.  Mitglieder der behandelnden Kommission und Fraktionsmitglieder zimmerten in der Folge über gut drei Monate hinweg einen Gegenvorschlag. Dieser fasste die Initiativen von SP und EVP und Anliegen der Grünen in einen einzigen Wohnbauartikel der Gemeindeordnung zusammen.  Der Initiativetext der SP wurde dabei fast wortwörtlich übernommen und die drei Haupt-Kritikpunkte des Stadtrats aufgenommen.  Die Stadt gewährleistet nicht mehr einen Anteil von mindestens einem Drittel nichtgewinnorientierter Wohnungen, sondern sie strebt einen Anteil von einem Drittel an. Das «mindestens» wurde also gestrichen und das Wort «gewährleistet», das allenfalls einen Rechtsanspruch begründen würde, durch «strebt an» ersetzt.  Zudem wurde die Zeitspanne für die Zielerreichung um zehn Jahre verlängert und analog der 2000-Wattgesellschaft auf 2050 datiert.  Ergänzt wurde der Text dafür durch eine Klausel, die eine stetige absolute Erhöhung des Anteils  Gemeinnütziger Wohnungen verlangt. Diesen Anpassungen konnte sowohl der Stadtrat als auch neu die CVP zustimmen.

Satte Mehrheiten helfen bei der Umsetzung

Es ist vermutlich so, dass wir die Initiative in der Volksabstimmung gewonnen hätten. Schon bei der letzten Wohn-Initiative, in der wir gegen die Aufwertung der städtischen Immobilien kämpften, haben wir gegen den Stadtrat und mit einer hauchdünnen Parlamentsmehrheit die Volksabstimmung haushoch mit über 70% gewonnen. Aber bei dieser Initiative liegt der Sachverhalt anders. Hier brauchen wir für die Zielerreichung immer wieder Parlamentsmehrheiten für  konkrete Umsetzungsvorlagen wie etwa Landkäufe oder die Gewährung von Abschreibungsbeiträgen zu Gunsten von der PWG (Stiftung für preisgünstige Wohn- und Gewerberäume). Deshalb ist die Zustimmung und damit auch die Selbstverpflichtung vom Stadtrat und der CVP äusserst wichtig. Ein Gemeindeverfassungs-Ziel nützt uns wenig, wenn Stadt- und Gemeinderat nicht willens sind, dies umzusetzen und jede Einzelvorlage torpedieren können.  Auch wenn ich als Initiantin ein weinendes Auge davontrage, der Preis, den wir für die gute Mehrheit zahlen, ist sehr klein. Denn im Wesentlichen sind unsere Kernanliegen erfüllt, nämlich ein klares Bekenntnis zur Nichtgewinnorientierung und zur sozialen Durchmischung, sowie eine deutliche Ausweitung des Marktanteils von Gemeinnützigen Wohnbauträgern.

Ich bin überzeugt, das ist ein Meilenstein für Zürich. Wir können zudem hoffen, dass diese Politik Schule macht und in weiteren Städten  Mehrheiten findet. Eine gut gewonnene Volksabstimmung unterstützt die Baugenossenschaftsbewegung in ihrem Selbstbewusstsein und ihrem expansiven Kurs.

Kooperativer Kanton nötig

Dass die Umsetzung schwierig wird und wir den Druck einer Volksabstimmung mit hohen Mehrheiten brauchen,  zeigt das jüngste Beispiel des Polizei- und Justizzentrums.  Nach dem Volksentscheid für den Bau des PJZ auf dem Güterbahnhof, den es zu respektieren gilt, steht eines der grössten Areale für eine Wohnüberbauung in der Stadt Zürich nicht mehr zur Verfügung.  Im Vorfeld der Abstimmung wurde von den Befürwortern des Polizei- und Justizzentrum stets darauf hingewiesen, dass sowohl die Kasernengebäude als auch die weiteren Gebäude von Kantonspolizei und Justiz zur besseren Nutzung frei würden. Dies wurde zwar von gewissen Kreisen angezweifelt aber weder von der Regierung noch von den Parteien je bestritten.  Jedoch bereits am Montag nach der Abstimmung liess sich Regierungsrat Kägi in den Medien zitieren, dass die Kaserne dem Kanton gehöre und dies auch so bleiben werde. Die anderen Justiz- und Polizeigebäude würden einer privaten Büronutzung zugeführt.

Der Kanton fällt seit Jahren mit einem unkooperativen Verhalten bezüglich Boden- und Immobilienpolitik sowie der Gewinnmaximierung seiner Immobilien auf, was den guten Traditionen der öffentlichen Hand diametral widerspricht. Immerhin verlangt unsere Kantonsverfassung in Art. 95, dass  Kanton, Gemeinden und die anderen Träger öffent­licher Aufgaben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zusammenarbeiten. Ebenso verlangt unsere Kantonsverfassung in Art. 110 «Kanton und Gemeinden fördern den gemeinnützigen Wohnungsbau und das selbst genutzte Wohneigentum». In Art. 19c wird verlangt, dass «ältere Menschen ihr Leben nach ihren Kräften selbstbestimmt gestalten und an der gesellschaftlichen Entwicklung teilhaben kön­nen». Aufgrund der Entwicklungen auf den Immobilienmärkten wird dies zunehmend verunmöglicht, was die hohen Wohnzuschüsse im Rahmen der AHV-Zusatzleistungen beweisen.

Zur Umsetzung unserer Initiative werden wir künftig um jedes einzelne Gebäude kämpfen müssen. Ein kooperativer Kanton als grosser Immobilienbesitzer in Zürich wäre da hilfreich. Um den Kanton dazu zu bringen, Hand zu bietet und sich an die Kantonsverfassung zu halten, wäre ein hohes Mehr in der Volksabstimmung zum Gegenvorschlag,  ein überzeugter Stadtrat und  eine beherzte Links-Mitte-Grün Koalition im Kantonsrat von entscheidender Bedeutung.