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Die Lex Koller – nötiger denn je (NZZ a. S. Medienspiegel)

Publiziert in der NZZ am Sonntag – 10.6.2012 – Der extrene Standpunkt

 

Der Boden soll jenen gehören, die hier leben und arbeiten

Nach Annahme der Zweitwohnungsinitiative fordern Politiker die Abschaffung der Lex Koller. Das ist falsch, denn diese schützt vor spekulativem Kapital, schreibt Jacqueline Badran

Die Lex Koller bindet den Erwerb von Wohnimmobilien für nichtschweizerische Personen an den Erstwohnsitz in der Schweiz und damit an den Steuersitz – und nicht etwa
an den Pass. Ausländer, die hier leben und Einkommenssteuern zahlen, dürfen Immobilien zur Selbstnutzung erwerben. Alle anderen sind von der Nachfrage ausgeschlossen. Und das ist gut so – egal durch welche parteipolitische Brille man das betrachtet. Der knappe Boden und Wohnraum sollte denjenigen Menschen vorbehalten sein, die hier leben, arbeiten, geschäften, sich im Gemeinwesen engagieren, Steuern und Gebühren bezahlen, und nicht jenen, die lediglich aus Renditegründen ihr Geld in Schweizer Immobilien anlegen wollen. Schliesslich tragen steuerfinanzierte Infrastrukturleistungen des Staates wie Strassen, Schulhäuser, öffentlicher Verkehr wesentlich zur Wertsteigerung der Immobilien bei.

Im Nachgang zur Zweitwohnungsinitiative fordern einzelne Politiker lautstark die Abschaffung der Lex Koller. Andere sind bereit, «darüber zu diskutieren». Das ist nicht nur unbedarft und sachfremd, sondern auch verantwortungslos. Gerade eben wurden eine Kontingentierung von Zweitwohnungen auf 20 Prozent sowie
ein faktisches Einzonungsverbot im Raumplanungsgesetz beschlossen. Beides sind Massnahmen, die das Angebot an bebaubarem Boden und Immobilien verknappen. Eine Erhöhung der Nachfrage durch die Abschaffung der Lex Koller ist ohne geringsten Zweifel die falsche Antwort.

Der Fall dieser effizienten Nachfrage-Schranke würde schnell die Immobilienpreise im ohnehin überhitzten Markt in die Höhe treiben, und damit auch die Mieten. Das wäre Gift für Wirtschaft und Gewerbe, da dem privaten Konsum – der wichtigsten Konjunkturstütze – jährlich Milliarden entzogen würden. Dagegen sind die volkswirtschaftlichen Schäden durch Einkaufstourismus oder etwa durch herbeigeredete Strompreis-Verdoppelungen kleinere Irritationen.

Die Lex Koller hat sodann nur am Rande mit Zweitwohnungen zu tun. Gerade in touristischen Gebieten bestehen Kontingente und Spezialbewilligungen für Ausnahmen wie zum Beispiel für das Grossprojekt des Ägypters Samih Sawiris in Andermatt. Die Lex Koller schützt vielmehr den gesamten Immobilienmarkt vor zusätzlicher Nachfrage von renditesuchendem Kapital. Besonders schützt sie Städte und Agglomerationen, die ohnehin durch stetig steigende Wohnkosten stark belastet sind.

Sie dämmt die Nachfrage nicht nur von vermögenden Privatpersonen
ein, die allzu gerne ihr Portfolio in Schweizer Immobilien diversifizieren oder eine einkommenssteuerfreie Zweit- oder Drittwohnung halten wollen. Da Immobilien skandalöserweise immer noch nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden, sind Immobilienanlagen in der Schweiz für eine gewisse Klientel besonders attraktiv. Die Lex Koller schützt vor allem auch vor institutionellem spekulativem Kapital der immer mehr und grösser werdenden Immobilienfonds, Hedge-Funds, steuerprivilegierten Immobilien-Trusts und dergleichen.

In solche Kapitalverwertungs-Vehikel wurden besonders nach den letzten beiden Börsencrashs von 2000 und 2008 Hunderte Milliarden Euro und Dollar verschoben. Diese warten nur darauf, in der einkommensstarken Schweiz im währungssicheren und inflationsgeschützten Immobilienmarkt parkiert zu werden. Diese zusätzliche Nachfrage hätte eine spürbar preistreibende Wirkung. Die Menschen hierzulande sind aber nicht dazu da, mit ihren Arbeitseinkommen über die Mieten oder Wohneigentumspreise die Renditen von Immobilien-Hedge-Funds zu finanzieren.

Für eine Abschaffung der Lex Koller gibt es keinen einzigen guten Grund. Kapital ist mehr als genügend vorhanden. Schon jetzt balgen sich Pensionskassen, inländische Immobilienfonds und börsenkotierte Immobiliengesellschaften, Baugenossenschaften und private Anleger um Bauland und Immobilien. Und unsere Bauwirtschaft boomt wie nie zuvor. Weder brauchen wir dazu mehr Kapital, noch eine zusätzliche private Nachfrage nach städtischen und touristischen Zweitwohnungen.

Die Lex Koller ist kein alter Zopf, sondern im Umfeld von verknapptem Angebot und explodierenden Immobilienpreisen und Mieten nötiger denn je. Sie wirkt preisdämpfend und unterstützt den Zugang vieler Menschen zum Eigenheim viel besser als dies das Bausparen tun könnte. Eine Verschärfung und nicht deren Abschaffung wäre für unsere Volkswirtschaft wesentlich klüger. Bundesrat und Mitte-Rechts-Parteien sowie Hauseigentümer- und Gewerbeverband würden besser unvoreingenommen dazu Hand bieten, statt die Abschaffung zu propagieren. Insbesondere die CVP sollte mit ihrem bedeutsamen Erbe – die Erfinder der Lex von Moos, Furgler und Koller waren CVP-Bundesräte – behutsam umgehen.

Gegen eine Abschaffungsvorlage würden wir ohnehin das Referendum ergreifen – auch im Alleingang. Und diese Abstimmung würden wir deutlich gewinnen. Oder wie das CVP-Alt-Bundesrat Arnold Koller vor wenigen Jahren treffend sagte: «Diese Lex wird mich überleben.» Versprochen.

 

 

Jacqueline Badran

Jacqueline Badran, 50, ist seit 2011
Nationalrätin der SP Zürich und Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. Sie ist Präsidentin des Komitees Pro Lex Koller. Beruflich führt die ausgebildete Biologin und
Ökonomin als Mitinhaberin ein Software-Unternehmen.