Zurück zur Übersicht

Für die, die hier leben (Kolumne «Wohnen»)

Publiziert als Kolumne  in der Zeitschrift «Wohnen» Dezember 2012

Für die, die hier leben

Hurra! Es gibt in der Wohn- und immobilienpolitischen Wüste je länger je mehr Lichtblicke oder vielmehr gar leise Revolutiönchen. Wenn Sie diese Kolumne lesen, wird der Nationalrat mehr oder weniger einstimmig beschlossen haben, die Lex Koller nicht abzuschaffen. Und das ist sehr sehr gut so. Die Lex Koller spannt buchstäblich einen Vorbehalt über den schweizerischen Immobilienmarkt. Der Erwerb von Wohnimmobilien soll denjenigen (natürlichen und juristischen) Personen vorbehalten sein, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, kurz ihren Lebensmittelpunkt hier haben.  Diese Regelung schränkt somit die Nachfrage nach Boden, Immobilien und Wohnungen ein und wirkt preisdämmend auf den grössten volkswirtschaftlichen Faktor: die Immobilienpreise und Mieten.

Irrtum: Abschaffung der Lex Koller als «alter Zopf»

Man stelle sich einmal vor: Es ist gut fünf Jahre her, da wollten noch alle grossen Parteien und sämtliche Verbände – von den Gewerkschaften über den Hauseigentümerverband zum Gewerbeverband und dem Mieterverband (mit Ausnahme von Pro Natura) – die Lex Koller abschaffen. Das sei ein alter Zopf, nütze nichts und gehöre abgeschafft. Die Vermehrung der Ferienwohnungen in den Berggebieten schreite voran und schliesslich müsse man über die Raumplanung die Zersiedelung stoppen und nicht über die Lex Koller.

Irrtum: Es geht nicht um Ferienwohnungen. Diese haben hohe Ausnahmekontingente.

Hallo? Ferienwohnungen? Die Lex Koller schützt den gesamten Immobilienmarkt in den Städten, den Agglomerationen. Gerade für Ferienwohnungen gibt es Ausnahmekontingente. Man müsse also Nachfragebeschränkung aufheben und als flankierende Massnahme über die Raumplanung das Angebot einschränken?  Nachfrage rauf, Angebot runter? Au weia, was für eine Logik! Man muss ja keine studierte Ökonomin sein, um zu verstehen, dass dies zu einer enormen Preissteigerung der Immobilien und damit auch der Mieten führen würde. Künftig könnten nicht nur ultrareiche Privatpersonen Zweit-, Dritt- und Viertwohnungen an guten Lagen wie in Zug, am Genfersee, an der Zürcher Goldküste kaufen. Oder Mietwohnungen zu reinen Anlagezwecken erwerben. Nein, auch institutionelle Anleger wie deutsche Pensionskassen, britische Immobilien-Hedgefonds oder Staatsfonds aus Singapur oder Katar würden unsere Wohnungen als risikolose, wertsichere Anlage erwerben. Alle möchten  allzu gerne in den Schweizer Immobilienmarkt mit den tiefen Zinsen, hoher Sicherheit, tiefer Inflation, stabiler Währung und hohen Einkommmen. Garantiert.

Steigende Wohn- und Mietpreise verhindern

Die Folgen wären einem volkswirtschaftlichen Supergau gleichzusetzen. Massiv steigende Wohnpreise und Mieten, erhöhter Druck auf den Schweizer Franken, Renditesenkung für Schweizer Pensionskassen, Steuerausfälle, da die Superreichen trotz Immobilienerwerb keine Einkommenssteuern zahlen müssten, Konkurrenz für die Wohngenossenschaften um den Erwerb von neuem Bauland, Druck auf die Zersiedelung. Und wozu das alles? Damit noch mehr Kapital in unseren Immobilienmarkt drängt. Renditesuchendes Kapital haben wir genug, Milliarden sollen auch ohne ausländisches Kapital im Immobilienmarkt angelegt werden. Knapp hingegen ist das verfügbare Bauland an relevanten Lagen. Das merkt jede Baugenossenschaft, die expandieren will. Es gibt viele Gründe, die Lex Koller zu erhalten und keinen einzigen Grund diese abzuschaffen.

Es war ein langer Weg der steten Überzeugungsarbeit. Über fünf Jahre habe ich unentwegt an dem Meinungsumschwung gearbeitet. Und für einmal haben die guten Argumente gewonnen, in einem Umfeld das einen oft an der Kraft der Aufklärung zweifeln lässt. Ja, ich bin sehr froh darüber und ein klein wenig stolz. Ich habe nämlich das Gefühl etwas wirklich Wichtiges für die Menschen in der Schweiz getan zu haben. Ein Gefühl, das Politikerinnen und Politiker selten genug haben dürfen.

Immobilien sollen denjenigen gehören, die hier leben und arbeiten.

Auch im Kleinen gibt es fast jedes Abstimmungswochenende Lichtblicke. Die Gemeinde Lachen ist eine  Schwyzer Steueroase am oberen Zürichsee. Wie an so manchen Orten werden hier Rentnerinnen und Rentner verdrängt, die ihr ganzes Leben in Lachen verbracht haben. Aber auch junge Lachener und Familien mussten wegziehen, da sie keine zahlbare Wohnungen mehr finden. Im November wurde mit 62% ein Wohnartikel von den Stimmberechtigten angenommen, der verlangt, dass Boden vermehrt an Baugenossenschaften abgegeben wird. Und das in einer stark bürgerlich dominierten Gemeinde mit einer Konstellation „alle gegen die SP“. Auch hier schwingt ideell der Vorbehalt der Lex Koller mit: Die Immobilien sollen denjenigen gehören, die hier leben, arbeiten, und sich idealerweise am Leben in der Gemeinde beteiligen und sich engagieren. Gut so: Wohnungen sind für die, die hier leben. Und genau dieses Prinzip sichern die Wohngenossenschaften.