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So geht man nicht mit öffentlichen Geldern um: Klipp und klares Nein zur Vorlage Lagerstrasse

Am 24. November 2013 stimmen die Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher über die Vorlage «Lagerstrasse, Abschnitt Lang- bis Kasernenstrasse, Strassenneugestaltung, Landerwerb, Lärmsanierung, Objektkredit von 16.69 Mio. Franken» ab. Konkret bedeutet diese Vorlage 8 Mio. wird ausgegeben um der SBB an der Europa-Allee beim Hauptbahnhof einen Streifen Land abzukaufen, um mit dem restlichen Geld darauf (und auf dem Strassenabschnitt) die namensgebende Allee plus Veloweg zu bauen.

Was so harmlos daherkommt wirft grundsätzliche Fragen auf. Die Antwort der Fragen mündet in ein klipp und klares NEIN zur Vorlage.

Dass die Stadt mit Steuergeldern eine Allee baut und darauf einen Veloweg erstellt ist in Ordnung. Dass man aber dazu der SBB den dazu ergänzend notwendigen Landstreifen abkauft und die SBB sich nicht beteiligt ist schlicht inakzeptabel. Sowohl inhaltlich als auch rechtlich.

 

  1. 320 Mio. Franken Planungsgewinne: Das SBB-Areal Europaallee ist massiv aufgezont worden
    Der Gemeinderat hat 2006 für das Europaallee-Areal zwischen Sihlpost und Langstrasse den Gestaltungsplan «Stadtraum HB» bewilligt. Dank diesem darf die SBB AG viel dichter bauen als die Bauordnung erlaubt. Auf den einzelnen Baufeldern beträgt die bauliche Ausnützung über 550% – einstadtweiter Rekordwert. Deshalb erzielte die SBB mit leistungsfreien Aufwertungs- und Buchgewinnen konservativ geschätzt 320.- Mio. Franken. Dies notabene auf Land, dass ehemals der SBB zu einem Spottpreis (12.-)  von der Stadt verkauft wurde, für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz.
  2. Stadt und Kanton finanzieren Aufwertung der SBB-Areale mit
    Der Kanton Zürich – und damit zu einem schönen Teil auch die Stadtzürcher Steuerzahlenden – finanziert mit 677 Mio Franken einen Drittel der Kosten für die Durchmesserlinie und den Bahnhof Löwenstrasse. Beim Bahnhof Oerlikon baut die Stadt Zürich für 150 Mio Franken zwei neue Unterführungen. Erschlissungen von Wasser, Abwasser und Strassenräumen sind hier nicht einmal eingerechnet.
  3. Die SBB AG realisiert an der Europaallee exorbitante Landgewinne
    Dank dieser Mehrausnützung und den Infrastrukturinvestitionen der öffentlichen Hand erzielt die SBB enorme Profite. Allein für den Verkauf von 7‘403 m2 Bauland für den UBS-Neubau auf Baufeld C hat sie 2010 rund 200 Mio Franken kassiert. Das sind 26‘931 Franken pro m2! ZumVergleich: Auf einem Quadratmeter Boden kann man laut Bauernverband 1 kg Kartoffeln ernten; an der Europaallee kassiert die SBB dafür den Gegenwert von 700 Gramm Gold…Der Verkauf der Luxus-Eigentumswohnungen im Baufeld G spült der SBB weitere Verkaufsgewinne von rund 60 Mio Franken in die Kasse.Auf Baufeld E vermietet sie 3.5- und 4.5-Zimmer-Wohnungen für 4‘940.- bis 5‘885.-.
  4. Das abzutretende Land ist gar kein Bauland
    Der Gestaltungsplan von 2006 legt die Baufelder fest, wo gebaut werden darf. Der abzutretende Landstreifen liegt ausserhalb davon; die SBB darf dort gar nicht bauen. Sie musste gemäss Gestaltungsplan den Streifen frei lassen, dafür durfte sie auf dem ganzen Areal wesetlich höher und dichter bauen.
  5. Die SBB profitiert unmittelbar vom Lagerstrasse-Ausbau
    Die SBB erhält frei Haus einen repräsentativen Boulevard mit Alleebäumen, der ihr Areal weiter aufwertet. Und dies ohne je einen Franken bezutragen. Dies widerspricht der Pflicht der Planungsmehrwertabschöfung nach dem geltenden Raumplanungsgesetz und gemäss Usanzen krass.
SP und Grüne befürworten das Projekt. Sie finden zwar die Entschädigung für das Land auch nicht gut, argumentieren aber, man hätte rechtlich keine Wahl. Da haben sie sich in Kommission und Gemeinderat aber von risikoaversen Juristen täuschen lassen:
Kein entschädigungspflichtiger Verlust nach Abtretungsgesetz
Das Gesetz über die Abtretung von Privatrechten vom 30. November 1879 hält u.a. fest:
«§ 11. Die Abtretung von Privatrechten (…) darf nur gegen vollen Ersatz aller Vermögensnachteile, welche hieraus für den Abtretenden ohne seine Schuld erwachsen, gefordert werden. »
Demnach darf nur enteignet werden, wenn der materielle Verlust entschädigt wird. Nur, der Landstreifen, der zur Debatte steht ist ja eben nichts Wert. Die Nutzung des Streifens wurde auf das Restland übertragen und führte dort zu massiven Mehrwerten und muss explizit frei gehalten werden nach dem demokratisch beschlossenen Gestaltungsplans.
«§ 12. Werterhöhungen und Vorteile, welche dem Abtretungspflichtigen für den ihm verbleibendenTeil seiner Liegenschaften infolge des Unternehmens erwachsen, sollen bei Bestimmung der Entschädigung in billige Berücksichtigung gezogen werden.»
Genau diese Übertragung von Mehrwerten wird in Art. 12 konkretisiert. Da Ausnutzungswerte von dem Landstreifen übergegangen sind auf das bebaute Land (also Vorteile verschaffft hat) muss das angerechnet werden: Auf dem einen Streifen darf nicht gebaut werden, auf dem restlichen Areal dafür umsomehr. Daraus leitet sich eine entschädigungsfreie Abtretung klipp und klar ab.
«§ 13. (…) Bei Bestimmung des mittelbaren Schadens sind namentlich zu berücksichtigen und getrennt zu behandeln:
a) die Wertverminderung der dem Abtretungspflichtigen verbleibenden Vermögensstücke;
b) der Schaden, welcher dem Abtretungspflichtigen vorübergehend oder bleibend in seinem Erwerb erwächst;»
Da der SBB kein Schaden entsteht (Streifen darf ohnehin  nicht bebaut werden)  und ebenso keine Wertverminderung (der Wert ging auf das Bauland über, durch die Allee wird das Land sogar aufgewertet), kann der Land-Streifen gar nicht entschädigt werden.
«§ 17. Auf Verlangen einer öffentlichen Unternehmung können Eigentümer, deren Liegenschaft durch dieselbe in ungewöhnlicher Weise Nutzen erwächst, mit einem Beitrag an die Kosten des Unternehmens belegt werden, gleichviel ob sie Rechte abzutreten haben oder nicht. Dieser Beitrag darf im Falle eines eingetretenen Mehrwertes bis auf die Hälfte desselben (…) angesetzt werden.»
Und hier nochmals explizit: Mit dem Gestaltungsplan und der Festlegung der Baufelder ist die auf den abzutretenden Landstreifen entfallende bauliche Ausnützung bereits konsumiert und auf die dahinter liegenden Baufelder übertragen worden, wo sie in den hochprofitablen Wohn- und Geschäftstürmen realisiert wird. Die SBB erleidet damit gar keine entschädigungspflichtige Wertminderung im Sinne des Abtretungsgesetzes. Im Gegenteil könnte man sich sogar fragen, ob mit dem Bau des Boulevards für die SBB nicht ein Zusatznutzen im Sinne von § 17 entsteht, für den sie abgeltungspflichtig gemacht werden kann.
Fazit: Es liegt keine Entschädigungspflichtige Abtretung vor. Im Gegenteil, die SBB sollte für den ihr erwachsenden Vorteil aus der mit öffentlichen Geldern finanzierten Allee sogar noch in die Pflicht genommen werden und einen Beitrag leisten.
Besonders zynisch ist es, das die SBB die grösste Landenteignerin der Schweiz ist. Sie bemängelt seit Jahrzehnten, dass sie zwar bei Enteignung voll entschädigungspflichtig ist, aber von den Wertsteigerungen des Landes, die sie durch ihre Investitionen auslöst (Bodenpreisssteigerungen durch Anschluss an die S-Bahn z.B. plus 100.- pro m“) nichts hat.
Liebe SBB, so geht man nicht um von öffentlicher Hand zu öffentlicher Hand. Und so geht man nicht mit Steuergeldern um.
Weitere Informationen zur Vorlage:
Allegemeines zu Plaungsgewinnabschöpfung, SBB und Pfingstweidpark, und subventionierter Immobilienbranche
Die Stellungnahme des Referendumskomitees mit vielen wertvollen Informationen: