Lex Koller – der fulminante Sololauf der Jacqueline Badran (Medienspiegel)
5. Mai 2014Publiziert in der Berner Zeitung am 5.5.1014
Der fulminante Sololauf der Jacqueline Badran
Bundesrat und Parlament wollten die Lex Koller diese Woche beerdigen. Die Sozialdemokratin Jacqueline Badran konnte dies verhindern. Zufrieden ist die Zürcherin noch lange nicht.
Man glaubt es auf den ersten Blick, dass diese Frau im Alleingang den gesamten Berner Politbetrieb auf den Kopf gestellt hat. Mit finsterem Blick und ausladenden Schritten eilt sie vornüber gebeugt über den einsamen Bundesplatz. Als hätte sie einen Gegner im Visier, dem sie umgehend die Meinung geigen müsse. Im Schlepptau einen Rollkoffer, unter dem rechten Arm eine Laptoptasche, am linken eine schwere Aktenmappe und im Mundwinkel die brennende Zigarette.
Als sie den Fotografen erblickt, richtet sie sich auf und wird zu einem Berg triefenden Missmuts: «Muss das sein?» Der furiose Auftritt liegt im Wesen dieser Ausnahmepolitikerin. Als sie vor zweieinhalb Jahren als neu gewählte Nationalrätin im Bundeshaus erschien, kündigte sie gleich mal an, dass sie die Abschaffung der Lex Koller verhindern werde. Die Rettung des Gesetzes, das ausländischen Investoren verbietet, in der Schweiz Grund und Boden zu erwerben, ist die bisher längste Mission der Jacqueline Badran.
Alle im Irrtum
Am Anfang stand eine kleine Notiz in der NZZ: «SVP, FDP, CVP und SP sind für die Aufhebung der Lex Koller.» Badran, damals noch Mitglied des Zürcher Stadtparlaments, machte sich auf, den «kollektiven Fundamentalirrtum» zu verhindern.
Die Lex Koller war vor allem als Instrument gegen den Kauf von Ferienwohnungen durch Ausländer wahrgenommen worden. Sie galt als veraltetes Instrument. «Völlig falsch», sagt Badran. Die Lex Koller sei fast das einzige Instrument, das die Nachfrage im überhitzten Immobilienmarkt der boomenden Zentren etwas dämpfe.
Sie sprach bei Raumplanungskommissionen vor. Sie gründete ein Komitee, für das sie ihr politisches Vorbild Otto Stich gewinnen konnte, schrieb Bundesräte und Verbandsspitzen an, seifte Journalisten ein, drohte 2007 via Sonntagspresse frech mit dem Referendum. Innert Kürze war die Parteienallianz pulverisiert, die Mehrheit auf ihrer Seite.
«Einen solchen Dampfer zu wenden, ist cheibe schwierig in Bern», sagt Badran rückblickend. Diese Woche wird der Nationalrat die Abschreibung des Geschäftes beschliessen. Reine Formsache. Badran kann auf ihre Grosstat anstossen.
Die nächste Schlacht
Aber die Frau trinkt nicht. Und ihre Mission ist noch nicht beendet. Sie will auch zwei Lockerungen, die das Parlament 1997 und 2005 beschlossen hat, wieder rückgängig machen. Bundesrat und Nationalrat haben ihren Vorschlägen bereits zugestimmt. Erst jetzt, vor den Beratungen im Ständerat, hat die Immobilienbranche reagiert. Sie versucht, das Steuer in letzter Minute herumzureissen. Die ständerätliche Rechtskommission lehnte die Motionen Badrans Anfang April ab. Wohl im Juni folgt die entscheidende Debatte im Rat.
Die seit 2005 bestehende Ausnahmeregelung erlaubt ausländischen Kapitalgebern, sich an schweizerischen Immobilienfonds und an börsenkotierten Immobiliengesellschaften zu beteiligen. Für Badran eine grundfalsche Entwicklung: «Der Boden ist ein begrenztes und unbewegliches Gut – das spürt man doch, dass das nicht zu mobilem Kapital passt.» Aber beim Spüren lässt es die HSG-Ökonomin und Unternehmerin nicht bewenden. Mit Zahlen jongliert sie ebenso virtuos wie mit dem rhetorischen Werkzeug – vom verbalen Frontalangriff bis zum kumpelhaften Witzchen. Meistens aber erklärt sie gebieterisch, was Sache ist. Einwände verbrutzelt sie wie Wasser in heissem Öl. Schliesslich gibt es «kein einziges, aber nicht ein einziges Argument, das dagegen spricht.»
Boden als Anlagevehikel
Gemeinsamer Bodenbesitz, doziert Badran, habe in der Schweiz eine lange Tradition. «Die Abwesenheit von Grossgrundbesitz widerspiegelt den antifeudalen Reflex in diesem Land, das war früher mal ein Kernanliegen der Bürgerlichen.» Der Boden drohe zu einem beliebigen Anlagevehikel zu werden, nicht anders als Aktien. Der Boden aber müsse jenen gehören, die auf ihm wohnen und arbeiten. Marco Salvi von Avenir Suisse sieht das völlig anders: Mehr Kapital im Immobilienmarkt sorge wenn schon für ein grösseres Angebot und tiefere Wohnkosten. Die Fonds zu schwächen, bedeute, die Volkswirtschaft instabiler und ineffizienter zu machen.
«Der limitierende Faktor auf dem Wohnungsmarkt ist nicht das Kapital, sondern das verfügbare Bauland», entgegnet Jacqueline Badran. Kapital sei in der Schweiz mehr als genug vorhanden. In den letzten Jahren betrage die jährliche Steigerung der Immobilienpreise im schweizerischen Durchschnitt sechs Prozent. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sei das völlig inakzeptabel und nichts anderes als eine gewaltige Umverteilung von Arbeitseinkommen zu Kapitaleinkommen. «Wenn die Wohnkosten in der Schweiz nur schon um durchschnittlich 100 Franken steigen, bedeutet dies, dass den Haushalten für den Konsum insgesamt fünf Milliarden Franken weniger zur Verfügung stehen.»
Zu viel Geld – zu wenig Boden
Wie Wellenbrecher lässt Jacqueline Badran die Argumente heranrollen. Jetzt spricht das Vorstandsmitglied des Mieterverbandes: Mit den niedrigen Zinsen hätten die Wohnkosten in den letzten Jahren sinken müssen. Tatsächlich sind sie gestiegen. «Das sind rund 13 Milliarden Franken, die die Immobilienbranche zusätzlich abschöpft.» Allein in den letzten zwei Jahren sei der Anteil Leute, die sich in der Schweiz theoretisch Immobilienbesitz leisten könnten, wegen der Preissteigerung von 60 auf 45 Prozent gesunken.
Nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund dafür sei das ausländische Geld, das zusätzlich in den sicheren Schweizer Markt drängt: Allein die Immobilienfonds seien seit 2009 von 20 auf 34 Mrd. Franken angewachsen. Das Investment in börsenkotierte Immobilienfirmen sei um das Zweieinhalbfache auf 14 Mrd. Franken gestiegen. Für die Pensionskassen mit einem Volumen von rund 100 Mrd. Franken werde es zunehmend schwierig, überhaupt noch Immobilien zu kaufen – ganz zu schweigen von den sinkenden Renditen. Im Gegensatz zu den auf Wertsteigerungen spekulierenden Investoren müssen sie für nachhaltige Anlagen auf den effektiven Ertragswert abstellen. «Wenn die Party vorbei ist, ziehen die spekulativen Anleger weiter, und wir können hier den Scherbenhaufen aufräumen», prognostiziert die fulminante Zürcherin.
Swisscanto, das Gemeinschaftsunternehmen der Kantonalbanken, das über 50 Mrd. Franken verwaltet, findet, die bestehende Regelung habe sich bewährt. Die Preissteigerungen seien vor allem bei Wohnimmobilien massiv – ausländisches Kapital fliesse aber vor allem in Kommerzimmobilien. «Die Preissteigerungen sind hausgemacht und können nicht ausländischem Kapital angelastet werden», erklärt Roman Kappeler von Swisscanto.
Nationalbank in «Geiselhaft»
Marco Salvi von Avenir Suisse geht noch weiter: «Willentlich einen Crash zu verursachen, ist eine sehr schlechte Idee», kritisiert er Badrans Pläne. Kapitalverkehrskontrollen seien ein Schuss ins eigene Knie, wenn das Ausland ähnlich reagiere: Schweizer Sparer hätten über 700 Mrd. Franken im Ausland angelegt.
«Blödsinn», winkt Badran ab. Die Regelung habe vor 2005 auch funktioniert. «Wenn irgendetwas einen Crash auslösen kann, dann ein Zinsanstieg.» Die Nationalbank sei längst in doppelter Geiselhaft: Nicht nur mit dem Euro-Mindestkurs, sondern auch, weil die Bevölkerung mit 140 Prozent des BIP verschuldet sei. «Ein Zinssprung wäre so verheerend», sagt sie, «dass die Nationalbank gar nicht mehr intervenieren kann.»
Die Zürcher Politikerin ist nicht zu bremsen. Tischnachbarn im Restaurant blicken jetzt amüsiert herüber, als sie sich den Kugelschreiber greift, um auf dem Tischset die Renditeberechnungen des Immobilienmarktes zu erklären. «Und das alles in der Tonlage eines Kieswerks, das von täglich drei Schachteln Muratti in Gang gehalten wird», wie das «Magazin» kürzlich in einem treffenden Porträt beschrieb. Fast unvorstellbar, dass sie ihr Ziel am Ende nicht erreichen wird.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)