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Legislaturbilanz (E-Maildebatte in der NZZ a.S.)

Publiziert in der NZZa.S. vom 11. Oktober 2015

 

Zum Ende der Legislatur ziehen Jacqueline Badran und Christian Wasserfallen Bilanz und streiten darüber, wer mehr für KMU und die Wirtschaft getan hat

«Ich arbeite in einem noch kleineren Unternehmen als Sie!»

Die E-Mail-Debatte

Jacqueline Badran

Werter Herr Wasserfallen, ich bin nun vier Jahre im Parlament, und es stehen Wahlen vor der Tür – Zeit für eine Legislaturbilanz. Die persönliche Freude ist meine Rettung der Lex Koller; so wird verhindert, dass sich das globale Finanzkapital über unsere Immobilien und unseren Boden hermachen kann, so wie das in anderen Ländern der Fall ist, mit fatalen volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Ich bin auch stolz darauf, was die SP mit dem Polit-Handwerk der Kompromissschmiede erreicht hat: Energiewende, Eindämmung der Zubetonierung unserer Schweiz, ausgewogene Rentenreform, Kulturbotschaft, Krankenkassenaufsichtsgesetz, automatischer Informationsaustausch statt Steuerbetrügerschutz, Verhinderung der Gripen-Beschaffung, schnellere Asylverfahren und einiges mehr. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Christian Wasserfallen

Die Bilanz ist durchaus in Ordnung. Gegen links haben wir viele Pflöcke einschlagen können. 1:12, Mindestlöhne, Energiesteuer, Erbschaftssteuer, Abschaffung der Pauschalbesteuerung und die Einheitskasse wurden allesamt vom Souverän zum Teil deutlich abgeschmettert. So weit ist das Stimmvolk recht klar: keine sozialistischen Rezepte, sondern Freiheit und Verantwortung. Leider haben die Argumente gegen die Masseneinwanderungsinitiative nicht verfangen, das war und ist uns selber zuzuschreiben. Die Bevölkerung will nun einmal eine deutliche Reduktion der Zuwanderung. Basta. Was das Volk auch will, sind die Bilateralen, aber sicher keinen EU-Beitritt. Den sollten Sie übrigens endlich aus Ihrem verstaubten Parteiprogramm streichen – genauso wie die «Überwindung des Kapitalismus».

Jacqueline Badran

Alle Initiativen, von denen wir die meisten nicht gemacht, sondern unterstützt haben, hatten positive Auswirkungen: reale Lohnerhöhungen für eine halbe Million Menschen, höhere Pauschalsteuer, Krankenkassenaufsichtsgesetz. Insofern bin ich auch zufrieden. Und ja, die Bevölkerung will – wie auch ich – keine massive Zuwanderung und ebenso kein Lohndumping. Wieso aber lockt die FDP mit ihrer Steuerdumping-Politik für Grossunternehmen ständig Konzerne in die Schweiz und reklamiert dann, wenn die Leute kommen? Wieso torpediert ihr alle flankierenden Massnahmen, statt konstruktiv Lösungen zu finden? Wieso versenkt ihr alle Massnahmen, die die Ursachen der Migration eindämmen: Diktatorenschutz ausbauen? Bestimmungen für Waffenexporte in Krisenländer lockern statt verschärfen? Rohstoffkonzerne nicht in die Verantwortung nehmen? Alles in diesem Jahr passiert, alles verpasste Gelegenheiten, um die Zuwanderung zu drosseln. Die Widersprüchlichkeit nimmt groteske Züge an. Aber beantworten Sie die Frage nach Ihrem Leistungsausweis.

Christian Wasserfallen

Sie vermischen Dinge, dass sich die Balken biegen. Tatsache ist, dass wir dank unserer Steuerpolitik und einem attraktiven Standort sogar in der Finanzkrise hervorragende Rechnungsabschlüsse erreicht haben. Die rekordtiefe Arbeitslosigkeit von etwas über 3?Prozent spricht klar dafür, dass die Wirtschaftspolitik stimmt – sie ist nämlich weltmeisterlich. Zudem ist auch die Jugendarbeitslosigkeit auf einem extrem tiefen Wert, dank den zahlreichen KMU und Grossunternehmen, die ausbilden und hoffentlich von nicht zu hohen SP-Steuern geschröpft werden. Nehmen Sie auch einmal zur Kenntnis, dass 97,5 Prozent der Schweizer Firmen 50 Mitarbeitende und weniger beschäftigen. Diese beweisen sich oft in einem kompetitiven Markt und können sich nicht ständig um skurrile und wirkungslose Sozi-Regulierungen kümmern. Die Wirtschaft sind wir alle!

Jacqueline Badran

Und das sagen Sie einer Unternehmerin, die im Gegensatz zu Ihnen eben zu jenen KMU gehört? Autsch. Glauben Sie mir, angesichts der Frankenstärke habe ich andere Sorgen als herbeigeredete Bürokratie. Die Wirtschaftspolitik hat halbwegs funktioniert, weil erstens fast alle zentralen Leistungen in der Schweiz gemeinnützig, also ohne Gewinn erbracht werden und weil zweitens die SP bei der Kaufkraft einigermassen Schadensbegrenzung machen konnte. 60 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts kommen aus dem Konsum. Da sind die Löhne und Transfers entscheidend. Aber jetzt stehen über die Hälfte der Kantone und Gemeinden massiv in den roten Zahlen. Die Zahl der Unternehmen steigt, doch sie tragen immer weniger zum Gesamtsteueraufkommen bei. Das kann der Mittelstand und vor allem der obere Mittelstand ausbaden. Steuersenkungen für ihn liegen nicht mehr drin, weil alles zu Grosskonzernen wandert. Es ist eine Schande. Die Wirtschaft sind wir alle – Sie sagen es! Wieso machen Sie dann eine Politik für die Eigentümer anstatt für alle? Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie keinen Leistungsausweis vorweisen können. Schade, denn die Schweiz wurde gross in konstruktiver Zusammenarbeit von FDP und SP. Dahin sollten wir wieder.

Christian Wasserfallen

Ich arbeite in einem noch kleineren Unternehmen als Sie! Zum Leistungsausweis der FDP gehören die hervorragenden Bedingungen unseres Wirtschaftsstandortes, der den Bach runtergegangen wäre, wenn Sie bestimmt hätten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass 1:12, Mindestlöhne, diverse neue Steuern sowie Zentralisierungen als konstruktive Konjunkturprogramme zu verstehen gewesen wären. Hören Sie endlich auf mit diesem Unsinn. Unser Erfolg fusst auf diesen Werten: Wir Freisinnigen stehen für den Mittelstand ein, verteidigen den bilateralen Weg mit der EU, wollen Innovation sowie Bildung fördern, den liberalen Arbeitsmarkt verteidigen. Im Gegensatz zu Ihnen stehen wir ein für eine gute Infrastruktur in Verkehr und Energie, die auch bezahlbar ist. Wenn Sie das anders sehen, stelle ich mit Genugtuung fest, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Erfolg gibt uns mehr als recht!

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