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Zu den neusten Meldungen zum Stellenabbau in der CH und Wirtschaftspolitik (E-Maildebatte in der NZZ a.S.)

publiziert in der NZZ am Sonntag, 14. Februar 2016

 

Gregor Rutz will der Wirtschaft mit weniger Gesetzen helfen, Jacqueline Badran mag das nicht mehr hören. In einem Punkt sind sie sich allerdings sofort einig

«Mir hängt die ewige Leier von den Regulierungen zum Hals raus»

Die E-Mail-Debatte

Jacqueline Badran

Werter Herr Rutz, die Weltkonjunktur lahmt, die Börsen und der Ölpreis sind auf Talfahrt, und in der Schweiz haben wir Währungsprobleme und eine steigende Arbeitslosigkeit. Jetzt kommt es zu Produktionsverlagerungen ins Ausland und zu Massenentlassungen, nicht nur in der Industrie, sondern auch im Dienstleistungssektor – trotz hohen Dividendenausschüttungen. Es ist ungemütlich. Die Gründe dafür sind vielfältig, auch wenn Ihre Partei uns gerne weismacht, Brüssel, Bundesbern und die Ausländer seien an allem schuld. Ich bin unschlüssig, was die Politik tun soll. Was meinen Sie?

Gregor Rutz

Geschätzte Frau Badran, selbstverständlich müssen wir hier Verantwortung übernehmen. Dies heisst aber nicht, blindlings in gesetzgeberischen Aktivismus zu verfallen, wie dies Politiker gerne tun. Nein: Zunächst müssen wir uns bewusst sein, was den Standort Schweiz stark macht. Trotz allen Unwägbarkeiten geht es uns nach wie vor recht gut. Auch darum, weil unser Wirtschaftsplatz immer von KMU geprägt war. Wir waren nie von einzelnen Grossunternehmen abhängig. Aber wir sind auf dem besten Weg dazu, die Rahmenbedingungen für das Gewerbe zu verschlechtern. Wenn ich an den Finanzplatz und Projekte wie das Finanzdienstleistungsgesetz denke, wird mir mulmig zumute. In anderen Branchen ist es ähnlich. Übertriebene gesetzliche Auflagen und immer weniger unternehmerische Freiheit verdrängen kleinere Anbieter aus dem Markt, während sich grosse Firmen über zusätzliche Marktanteile freuen. Wir haben es in der Hand, mit besseren Rahmenbedingungen den Standort Schweiz zu stärken. Ist Ihnen bewusst, dass gerade Ihre Partei der Paragrafenflut gerne Vorschub leistet?

Jacqueline Badran

Wissen Sie was? Mir hängt die ewige Leier von den Regulierungen zum Hals raus. Erstens hat die Linke keine Mehrheit in den Parlamenten. Zweitens wird wegen der Regulierung keine einzige Landmaschine oder Versicherungspolice weniger verkauft. Und es gibt keinen Einkaufstouristen weniger. Die Weltkonjunktur, der Schweizerfranken und die Binnenkaufkraft sind tausendfach wirkmächtiger. Drittens ist fast jede Regulierung von der Wirtschaft bestellt, und ohne Einverständnis der Wirtschaft läuft in Bundesbern ohnehin nichts. Philippe Gaydoul hat kürzlich verlangt, die Ausverkaufszeiten in den Läden zu regulieren und zu beschränken. Zu viel Wettbewerb lasse die Margen schmelzen, meinte er. Neulich kam die boomende Tattoo-Branche und verlangte eine gesetzliche Regelung der Zulassungskriterien. Man will sich wegen Fällen von Pfusch und Entzündungen die schwarzen Schafe vom Hals halten und die Hürde für den Markteintritt erhöhen. Ich glaube auch nicht an totale Steuerungsfähigkeit der Politik, aber das Finanzdienstleistungsgesetz hat rein gar nichts mit den vielen Entlassungen zu tun. Wenn Sie bei der Analyse schon versagen (oder ablenken), wie sollen wir dann kluge Wirtschaftspolitik machen?

Gregor Rutz

Nun machen Sie es sich aber ein bisschen einfach. Natürlich gibt es Gesetze, die «von der Wirtschaft bestellt» sind – aber das ist meist kurzsichtig und auch egoistisch. Ein Finanzdienstleistungsgesetz, das zahllose neue Auflagen für die Branche bringt, ist selbstverständlich kostentreibend. Kleine Anbieter können diese bürokratische Last nicht stemmen. So gefährden wir Arbeitsplätze. Am Schluss zahlen die Kunden die Regulierungskosten über höhere Preise. Gedient ist damit niemandem. Ich bin überzeugt: Die Stärke eines Wirtschaftsstandorts hängt gerade im weltweiten Wettbewerb stark von lokalen Rahmenbedingungen ab. Eine liberale Rechtsordnung und unternehmerische Freiheit lassen Raum für Innovation. Gesunde öffentliche Finanzen gewährleisten Stabilität. Klar – Währungsturbulenzen, Migrationsströme oder Umbrüche im Ausland sind anspruchsvolle Herausforderungen. Doch Schindler oder Ems-Chemie zeigen, dass man auch in solchen Zeiten Gewinn machen kann. Warum haben diese Unternehmen Erfolg und andere nicht?

Jacqueline Badran

Dass einige Firmen Erfolg haben und andere weniger, zeigt doch, dass die Gründe für die Probleme vielfältig sind, branchenabhängig und oft hausgemacht – wie etwa bei der Credit Suisse. Die Wirtschaft gibt es ohnehin nicht. Ein binnenorientiertes KMU hat andere Probleme als ein global tätiges börsenkotiertes Unternehmen. Niemand will dumme Regulierungen um der Regulierung willen. Und Ihr Beispiel mit dem Finanzdienstleistungsgesetz zeigt nur Folgendes: Unsere Regulierungen sind auf Grosskonzerne fixiert. Wir differenzieren nicht, etwa zwischen zwischen grossen Firmen und kleinen Startups. Das muss sich ändern. Dafür brauchen wir einen anderen Wirtschaftsbegriff und vor allem ein Ende der reflexartigen und plumpen Schuldzuweisungen wie Bürokratie, böser Staat und dergleichen. Aber ich gratuliere Ihnen: Sie haben erfolgreich vom Wesentlichen abgelenkt. Nämlich von der komplett verfehlten Wirtschaftspolitik der SVP: der blinden Zustimmung zu einer mindestens fragwürdigen Währungspolitik, der ständigen Schaffung von Rechtsunsicherheit, der Verhinderung von Parallelimporten und tieferen Preisen und dem grotesken, zuwanderungsfördernden Steuerdumping für Konzerne.

Gregor Rutz

In einem Punkt bin ich einverstanden: Unsere Regulierungen sind zu sehr auf Grosskonzerne fixiert. Die Stärke unseres Standorts misst sich über ganz verschiedene Standortfaktoren. Zentral ist die Heterogenität der Schweizer Wirtschaft; unser Land funktioniert dezentral. Tatsächlich müssen wir mehr an die KMU und Startups denken. In der Frühjahrssession haben wir schon bald Gelegenheit dazu.