Zur Medien-Werbeallianz (E-Mail-Debatte in der NZZ a.S.)
28. Februar 2016Pbliziert in der NZz am Sonntag vom 28.Februar 2016
Gregor Rutz findet die Werbeallianz zwischen SRG, Swisscom und Ringier unzulässig. Jacqueline Badran hält sie für nötig und wichtig für die Medienvielfalt
«Staatsbetriebe dürfen nicht beliebig in kommerzielle Bereiche expandieren»
Die E-Mail-Debatte
Gregor Rutz
Liebe Frau Badran, im Bereich der elektronischen Medien erleben wir eine rasante technologische Entwicklung, die für Unternehmer wie Konsumenten gleichermassen interessant ist. Just in dieser Zeit mit riesiger Angebotsvielfalt nehmen staatliche Interventionen in beängstigender Kadenz zu. Der neuste Coup ist das geplante Joint Venture von SRG, Swisscom und Ringier zur gemeinsamen Werbevermarktung. Damit konkurrenzieren sie etliche private Anbieter, so auch Verleger. Sind Sie über die zunehmenden Marktinterventionen von Behörden und Staatsbetrieben nicht beunruhigt?
Jacqueline Badran
Dass Sie die Werbeallianz als staatliche Intervention bezeichnen, zeigt mir deutlich, dass Sie argumentativ am Strampeln sind. Swisscom, Ringier und auch die SRG sind Unternehmen, die sich einfach unternehmerisch verhalten und auf die dramatisch veränderten Anforderungen der Werbewirtschaft und die neuen Werbemöglichkeiten reagieren. Das beweist auch Tamedia-Chef Pietro Supino. Er hatte selber eine Allianz im Sinn, ist aber an seinen Verlegerkollegen gescheitert. Im Kampf um Reichweite und eine möglichst zielgerichtete und medienübergreifende Ansprache der Zielgruppe mit wenig Streuverlust (Targeting) sind Allianzen die einzig vernünftige Antwort. Das haben verschiedene andere auch eingesehen. Etwa renommierte Medienkonzerne wie CNN, «Financial Times», «Economist», «Guardian» und Reuters, die sich zur Pangaea-Werbeallianz zusammengetan haben. Die Alternative: Noch mehr Werbegelder fliessen ins Ausland ab zu Anbietern mit hoher Reichweite und Targeting, allen voran Google und Facebook. Jeder, der dem tatenlos zusieht, schadet dem Wirtschaftsstandort Schweiz und der Medienvielfalt. Wollen Sie das?
Gregor Rutz
Wir haben hier keinen freien Wettbewerb – das schadet der Medienvielfalt und dem Standort. Die SRG finanziert sich mehrheitlich über Gebühren. An der Swisscom hält der Bund die Mehrheit; ihre marktmächtige Stellung hat die Firma nicht in einem freien Markt aufgebaut. Wenn Tamedia mit Ringier oder der NZZ eine Werbeallianz anstrebt, ist das etwas anderes – das sind private Unternehmen. SRG und Swisscom haben einen anderen Auftrag. Gemäss Konzession muss die SRG die «Unverwechselbarkeit ihrer Programme» sicherstellen, um sich von «kommerziell ausgerichteten Veranstaltern» zu unterscheiden. Es ist widersinnig, wenn SRG und Swisscom Werbevermarktung betreiben und so private Unternehmen konkurrenzieren. Dass sich immer mehr Privatsender mit staatlichen Gebühren alimentieren und wir im Parlament bereits die Förderung von Online-Portalen diskutieren, ist schlicht absurd. Das können Sie doch nicht ernsthaft unterstützen.
Jacqueline Badran
Wo genau ist Ihr Problem? Die Eigentumsverhältnisse von Unternehmen tun doch rein gar nichts zur Sache. Die meist staatlichen Fluggesellschaften mussten auch Allianzen eingehen, weil es Sinn ergab. Das ist vorausschauendes unternehmerisches Handeln. Und von welcher Bedrohung der Medienvielfalt reden Sie eigentlich? Wir hatten bei Radio und Fernsehen noch nie so viele Sender zur Auswahl. Allerdings vielfältig sind diese nicht, wenn ich mir den seichten Verdummungseinheitsbrei von RTL, Sat1 und Pro7 anschaue. Diese Sender ziehen über die Ihnen nahestehende Quasi-Monopolistin Goldbach massgebliche Werbegelder aus der Schweiz ab. Jeder einzelne Verleger kann diskriminierungsfrei bei der Allianz mitmachen. Und das sollten sie auch. Denn das ist schlicht notwendig für das Überleben des Medienstandortes Schweiz.
Gregor Rutz
Staatliche Geldflüsse im Medienbereich sind Gift für Medienvielfalt und Meinungsfreiheit. Tatsache ist: Die Marktbeherrschung der SRG verhindert die Entwicklung etlicher Privatsender. Die Möglichkeit, gezielt Schweizer Werbung auf deutschen Sendern zu schalten, ist jedoch positiv für den hiesigen Markt. Über die Hälfte der Einnahmen bleibt in der Schweiz. Das geplante Joint Venture will den französischen Privatsender TF1 vermarkten, also genau dasselbe tun. Sie schreiben, dass Verleger diskriminierungsfrei mitmachen können. Das ist spannend – bisher tönte es nämlich anders. Die Medienkommission des Nationalrats beschloss nun allerdings, dass die Swisscom-Daten allgemein zugänglich sein sollen. Aber noch einmal: Es geht doch nicht, dass querfinanzierte Staatsbetriebe, die Wettbewerbsvorteile haben, ungeachtet ihres Grundversorgungsauftrags beliebig in kommerzielle Bereiche expandieren können. Das hat nichts mit Unternehmertum zu tun: Das ist Wettbewerbsverzerrung und Staatswirtschaft.
Jacqueline Badran
Putzig, wie Sie die neue Konkurrenz von Werbevermarkter Goldbach larmoyant beweinen und sich dabei auf mangelnden Wettbewerb berufen. Beweisen Sie bitte künftig Rückgrat. Sagen Sie den Leuten doch, worum es Ihnen seit Jahren wirklich geht: die Filetierung der SRG und Kommerzialisierung der renditeträchtigen Bereiche wie Sport, Unterhaltung und Serien. Und um Macht. Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert die Köpfe der Menschen. Das weiss jeder. Und deshalb versuchen Herr Blocher und Ihre SVP das seit Jahren. Die «Basler Zeitung» und die «Weltwoche» sind ja erst die Anfänge der Propagandawalze. Die versuchte Einflussnahme bei NZZ und Tamedia das Weitere. Die Einflussnahme von Privaten und von politischen Parteien, das, werter Herr Rutz, ist Gift für die Meinungsfreiheit. Unser Radio und Fernsehen – unsere vierte Gewalt – bekommt ihr von der SVP deshalb nicht. Dafür werde ich bis an mein politisches Ende kämpfen. Und ich hoffe, alle Freunde der direkten Demokratie auch.