Wir müssen das globale Immobilien-Finanzkapital stoppen (Interview im «M&W»)
16. März 2016Interview erschienen in «Mieten & Wohnen» vom 2- März 2016
Jacqueline Badran über die Immobilienlobby:
Wir müssen das Immobilien-Finanzkapital stoppen
«Wir müssen das globale Finanzkapital stoppen»
Nationalrätin Jacqueline Badran kämpft einen epischen Kampf gegen das globale Finanzkapital im Schweizer Immobilienmarkt.
Jacqueline Badran, wer ist eigentlich die Immobilienlobby?
Badran: Wenn ich im Zusammenhang mit der Lex Koller von Immobilienlobby spreche, meine ich die börsenkotierten Immobilienkonzerne wie Mobimo, Swiss Prime Site, PSP, Allreal und die Immobilienfonds der CS und der UBS. Diese mischen mehr und mehr den Liegenschaftenmarkt auf. Dabei gibt es sie erst seit rund fünfzehn Jahren. Der erste Börsengang war im Jahr 2000.
Wie sind diese Konzerne entstanden?
Früher hatten viele Industriefirmen wie Sulzer einen grossen Immobilienbesitz. Sie bauten die Häuschen für ihre Arbeiter selber, weil sie dann weniger Lohn zahlen mussten, wenn die Arbeiter günstig wohnen konnten und nicht pendeln mussten. Dann kam der Trend, die Immobilien auszulagern. Dies geschah auf Druck der Finanzindustrie. Diese wollten «reine» Firmen haben, also ohne stille Immobilienreserven in der Bilanz. Die PSP beispielsweise ging aus den Brauereien Feldschlösschen und Hürlimann hervor. Bei der Übernahmeschlacht im Jahr 1998 ging es überhaupt nicht um Bier, sondern um die Immobilien mit Milliardenwerten. Der PSP gehören heute viele Geschäftshäuser an besten Lagen in den Innenstädten, wo früher die Beizen mit dem Bier waren.
«Diese Firmen quetschen den grösstmöglichen Ertrag aus den Liegenschaften heraus.»
Was ist schlecht an dieser Entwicklung?
Diese Firmen quetschen den grösstmöglichen Ertrag aus den Liegenschaften heraus. Fragen Sie mal in der Gastroszene herum. Sie leidet unter enormen Mietsteigerungen. Geschäftsmietern werden bereits dreijährige Mietverträge angeboten. Nach Ablauf der Frist heisst es dann: Tut uns leid, aber wir müssen jetzt 30% mehr haben.
Eigentlich müssten die Gewerbler Ihrer Kritik zustimmen. Als Geschäftsmieter leiden sie ja zuerst unter solchen Praktiken.
Das stimmt. Aber leider sitzen sie der Propaganda des Gewerbeverbands auf. Dieser regt sich über Vorschriften und die Bürokratie auf statt über die überrissenen Mieten. Die Funktionäre müssten endlich aufwachen und sehen, wer ihren Mitgliedern wirklich das Leben schwer macht.
Wo liegt der Unterschied zwischen einem normalen Vermieter und einem Immobilienkonzern?
Der Konzern ist aufgrund des Geschäftszwecks nur auf Rendite aus, vollständig der Kapitalverwertungslogik verfallen. Und wenn er noch an der Börse ist, kommen die Investmentbanken dazu, die an ihnen beteiligt sind. Dann wird es ganz schlimm.
Nennen Sie uns Beispiele!
Es sind meist ausländische Investmentbanken wie JP Morgan, Paribas, Citycorp, Morgan Stanley oder Black Rock. Sie hocken bei der PSP drin, aber auch bei Mobimo und bei der Swiss Prime Site. Mit den übersetzten Mieten bezahlen Gewerbler und Private die Gewinne dieses globalen Finanzkapitals, was ein völliger Irrsinn ist.
Warum greift hier die Lex Koller nicht?
Weil die Immobilienlobby die Schleusen fürs ausländische Kapital geöffnet hat. Sie hat in der Person des ehemaligen Ständerat Georges Theiler, VR-Präsident der Mobimo, mit Erfolg beim damaligen Justizminister Blocher interveniert. Seitdem kann das globale Kapital indirekt in Schweizer Immobilien fliessen, während vorher nur Inländer Wohnimmobilien erwerben konnten.
Weshalb?
Der Druck, den dieses Kapital heute ausübt, ist enorm. Er verdrängt Pensionskassen und Genossenschaften, die bei Immobiliengeschäften fast nicht mehr zum Zug kommen. Konzerne wie Allreal oder Mobimo sind immer im Vorteil, weil sie ganz andere Finanzmittel haben. Und sie haben Renditeerwartungen, die sich an den Börsenkursen orientieren, während die Pensionskassen ihre Erträge real erwirtschaften müssen. Schweizer Immobilien sind sehr beliebt: wertsicher, inflationsgeschützt, beständig.
«Wohnen ist ja ein Zwangskonsum.»
Und die Folgen für die Mieten?
Das sieht man zum Beispiel in Zürich. Im neuen Pfingstweidpark in Zürich-West kostet eine Dreieinhalbzimmerwohnung mit 70 Quadratmeter 3’800 Franken im Monat. Und das noch an einer sechsspurigen Strasse! Deshalb ist der Wohnungsmarkt hier gar kein richtiger Markt, sondern ein Preissetzer-Markt. Die Leute müssen die Faust im Sack machen und zahlen.
Sie kämpfen dafür, dass die Lex Koller verschärft wird. Ausländischem Kapital soll der Zugang zu Schweizer Immobilien wieder verwehrt werden, wie das früher das Fall war. Damit haben Sie aber eine Niederlage erlitten.
Beim Bundesrat und im Nationalrat ging das vor zwei Jahren noch problemlos durch. Bis dann der Ständerat kippte. Die Immobilienlobby zog dort ein Powerplay auf und setzte ihre Interessen durch. Das ist verheerend. Die Lex Koller war ja ursprünglich dafür gedacht zu verhindern, dass Immobilien zu reinen Anlageobjekten werden.
In Inseraten sieht man immer wieder, dass Wohn- und Geschäftshäuser als Anlage- oder Renditeobjekte ausgeschrieben werden.
Es wird immer wieder vergessen, dass der Wohnimmobilienmarkt ohne Geschäftshäuser einen Wert von 2,2 Billionen Franken hat. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen. Dieser Markt ist der mit Abstand grösste in der Schweiz. Unsere Maschinenindustrie ist nicht einmal 800 Milliarden wert. Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis sich das internationale Finanzkapital diese Werte unter den Nagel reissen würde. Jetzt kommen also diese Investmentbanken und ausländischen Staatsfonds, parkieren ihr Geld in der Schweiz und zahlen hier nicht einmal Steuern. Im Gegenteil: Sie kassieren noch Staatsleistungen ab.
«Gegen die Immowirtschaft sind die Bauern mit ihren Subventionen ein Klacks.»
Wie meinen Sie das?
Nehmen Sie wieder den Pfingstweidpark auf städtischem Boden. Der kostete die Stadt Zürich rund 14 Mio. Franken. Allein die Kosten für den Unterhalt sowie die Kapitalkosten belaufen sich jährlich 3,2 Mio. Franken. Auf immer und ewig. Das zahlen wir Steuerzahler. Den Gewinn haben aber die Eigentümer rund um den Park, deren Immobilien- und Ertragswert dadurch massiv ansteigt. Hier sieht man, dass der Wert einer Immobilie massgeblich von steuerfinanzierten Mitteln abhängt. Wenn der Staat Infrastrukturen baut, ist eine Liegenschaft sofort viel mehr wert. Genau deshalb sage ich, dass die Immobilienwirtschaft die am grössten subventionierte Branche hierzulande ist. Dagegen sind die Bauern mit ihren Subventionen ein Klacks.
Wollen Sie eigentlich den Boden verstaatlichen?
Die Schlüsselfrage ist doch: Wer profitiert von der Bodenrente? Ich meine damit die Rendite aus dem Grundbesitz, die sich ohne jegliche Eigenleistung ergibt. Wie ich schon sagte, hat diese Rendite viel mit staatlicher Investition zu tun, mit Tram, Parks, Schulhäusern und Bahnhöfen. Wenn Einfamilienhausbesitzer davon profitieren – so what! Aber es ist nicht egal, wenn immer mehr reine Anleger mit anonymem Kapital die Regie übernehmen. Was dann passiert, hat man in Spanien gesehen: Sie steigen in den Markt ein, drücken die Preise rauf bis an die Grenze, und bevor der Markt zusammenbricht, steigen sie wieder aus.
Wie wollen Sie das verhindern?
Alle vernünftigen Kräfte müssen zusammenstehen und verhindern, dass unser Boden zu einer Veranstaltung der reinen Kapitalverwertung wird. Es braucht eine Volksinitiative. Wir müssen einen Vorbehalt bezüglich Immobilien- und Bodenbesitz in unsere Verfassung reinschreiben. Der lautet: Nur Inländer mit Steuer- und Wohnsitz dürfen hier Grundbesitz halten.