Zur SRG- «Service-Public-Bericht des Bundesrats» (E-Mail-Debatte in der NZZ a.S.)
19. Juni 2016Gregor Rutz
Geschätzte Frau Badran, am Freitag hat der Bundesrat den lange angekündigten Bericht zum Service public veröffentlicht. Wer eine zukunftsweisende Studie mit fundierten Analysen und Alternativszenarien erwartet hat, sieht sich bitter enttäuscht. Der Bundesrat will einzig den Status quo zementieren und die SRG weiter stärken. Sogar das Internet soll gesetzlich erfasst und gefördert werden. Planwirtschaft pur. Keine Rede von Deregulierung und mehr Freiheit. Wir kämpfen also weiter mit Wettbewerbsverzerrungen, und die privaten Anbieter sind benachteiligt. Man hat das Gefühl, jeder unternehmerische Gedanken sei des Teufels. Ist Ihnen da wohl?
Jacqueline Badran
Das Gegenteil ist der Fall. Der Bundesrat stärkt die unternehmerische Freiheit der SRG und sichert so deren Unabhängigkeit in Zeiten des Medienumbruchs. Und genau das nervt Sie. Sie wollen Macht über die Medien, weil Sie dann Macht über die Köpfe gewinnen. Das weiss jeder Politiker, spätestens seit es den Buchdruck gibt. Private Medien können Sie kaufen, was Exponenten der SVP ja auch fleissig tun. Die SRG und deren Reichweite gibt es nicht. Basta.
Gregor Rutz
Falls Sie es noch nicht gemerkt haben: In Ländern, wo die Medien staatlich sind, funktioniert der demokratische Meinungsaustausch in aller Regel nicht gut. Die direkte Demokratie lebt von der Medienvielfalt und damit von möglichst vielen privaten Medienunternehmen, welche finanziell und inhaltlich vom Staat unabhängig sind. Die SRG ist staatlich finanziert – mit Wettbewerb und «unternehmerischer Freiheit» hat das nichts zu tun. Die SRG muss ihren Auftrag erfüllen. Was aber Private anbieten können und wollen, soll dem Markt überlassen werden.
Jacqueline Badran
Falls Sie es noch nicht gemerkt haben: In Ländern mit totalitären Allüren werden die Medien von Autokraten kontrolliert. Sehen Sie nach Russland, Polen, Ungarn oder in die Türkei. Dass Sie die SRG stets als «Staatsfernsehen» bezeichnen, ist nur noch peinlich. Die Gebührenfinanzierung sichert doch deren Unabhängigkeit – von der Politik ebenso wie von den werbenden Konzernen. Wir reden hier von der vierten Gewalt, einem essenziellen Bestandteil unserer direkten Demokratie. In England etwa bricht die öffentlichrechtliche BBC das Monopol des Medienimperiums eines Rupert Murdoch. Bei Radio und Fernsehen von mangelnder Medienvielfalt zu reden, ist übrigens eine Zumutung. Wir können uns vor der Flut an werbeverseuchten Verdummungssendern ja kaum retten. Wann haben Sie denn das letzte Mal gezappt?
Gregor Rutz
Bitte schauen Sie die Realität an. Die Vergleiche mit Russland oder Polen sind ja völlig absurd. Überhaupt sind Vergleiche mit anderen Ländern heikel – denn die Diskussion zum Service public in der Schweiz ist wegen der Marktgrösse und der verschiedenen Sprachen und Kulturen ganz anders. Darum bin ich auch nicht für eine Abschaffung der SRG, sondern – endlich – für eine klare Formulierung des Kernauftrags. Über diesen hinaus sollen die Tätigkeiten der SRG nicht gehen, denn wir haben immer mehr private Anbieter, welche qualitativ gute Beiträge liefern. Ich finde es eine Frechheit, wenn Sie von «Verdummungssendern» sprechen oder auch Bundesrätin Leuthard private Anbieter auf «Dschungelcamp»-Niveau ansiedelt. Wir haben im Internet enorme Vielfalt und Qualität – warum muss hier die SRG die Verleger mit Gebührengeldern konkurrenzieren? Was macht die «Arena» besser als Tele Züri mit dem «Sonn Talk»?
Jacqueline Badran
Genau. Sie möchten die SRG nicht abschaffen, sondern nur die lukrativen Teile herauslösen wie den Sport und die nichtkommerzialisierbaren Teile der SRG belassen. Dazu schmeissen Sie mit hohlen Schlagworten wie «Wettbewerb» um sich. Wenn sich aber mehr Akteure um die Sportrechte balgen, wird es teurer und nicht billiger, weil man einem Monopolanbieter gegenübersteht. Und wenn man Sport im kommerziellen Bezahl-TV anbietet, wie Sie es wollen, dann wird es für die Zuschauer ebenfalls teurer. Zudem hat die Revision bei den Gebühren ja gerade einen erhöhten Wettbewerb mit privaten Schweizer Radio- und Fernsehanbietern gebracht, die neu Millionen aus dem Topf erhalten. Und mit werbeverseuchten Verdummungssendern meine ich die kommerziellen ausländischen Sender wie RTL und Co. und nicht unser Tele Züri. Das wissen Sie genau. Im Gegenteil, ich werde dafür kämpfen, dass auch Tele Züri bei der nächsten Konzessionierung Gebührengelder bekommt.
Gregor Rutz
Also bitte, so ein Unsinn: Die Preise der Sportrechte sind darum so teuer, weil staatliche Monopolisten so viel zahlen können. Die staatlich finanzierte SRG ist nicht Teil des Wettbewerbs. Dies im Gegensatz zu Tele Züri – das hoffentlich auch künftig auf Staatsgelder verzichtet und unabhängig bleibt!
Jacqueline Badran
Der Kernauftrag der SRG ist klar: Aufklärung, 50 Prozent der Gelder müssen in die Information, Unterhaltung, kultureller Zusammenhalt. Mit Ihrer Service-public-Debatte lenken Sie davon ab, um was es Ihnen geht. Um Macht und Geld. Es ist das Ziel der SVP, mehr Kontrolle über die Medien zu haben. Und die Konkurrenz der hiesigen Verleger ist nicht die SRG, es sind die Werbefenster von privaten deutschen und französischen Sendern und natürlich Google, Facebook und Co. Da fliesst das viele Werbegeld hin, das die Ihnen nahestehende Goldbach Media als Quasi-Monopolistin vermarktet. Sie wollen die Inhalte der SRG vom nichtkommerziellen Sektor in den kommerziellen Sektor überführen, was zu Seichtheit führt und für alle teurer wird. Stehen Sie doch endlich einmal hin und geben Sie das zu.