Im Netz wohnen die Internet-Trolls (Kolumne «Wohnen»)
20. September 2016publiziert im September 2016 im Magzin des Genossenschafts-Verbandes «Wohnen»
Im Netz wohnen die Internet-Trolls
Als Politikerin ist man vielen Anfeindungen ausgesetzt. Für die meisten gilt das Beaumot: «If you can‘t stand the heat, leave the kitchen» (zu Deutsch: «Wenn Du die Hitze nicht erträgst, verlass die Küche»). Die meisten Menschen gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass man ja nicht gezwungen sei, Politikerin zu sein. Anfeindungen gehören ganz natürlich zum frei gewählten Job, weshalb man Beschimpfungen auszuhalten habe.
Nur – dieses geflügelte Wort stammt aus alten Zeiten. Aus Zeiten, wo die sozialen Medien noch nicht erfunden waren, die Kommentarspalten in den Online-Medien noch nicht einmal vorstellbar waren und die Medien selber beweisen mussten, was sie über PolitikerInnen schrieben.
Heute ist das ganz anders. Heute haben die Medienschaffenden die Beweislast umgedreht; es kann irgendetwas behauptet werden und die Beschuldigten haben dann zu beweisen, dass das nicht so ist. Die Medien berufen sich dann auf einen «Guten Bekannten, der nicht genannt werden will». Fragt man nach, wer das sei, kommt die saloppe Journalisten-Antwort «Sorry, Quellenschutz».
Hinzu kommen Twitter, Facebook, Online-Kommentarspalten. Hier bewegen sich Leute anonym, die jede Gelegenheit ergreifen, um einen mit Schimpf und Schande zu überhäufen. Meist sind es einfach irgendwelche Unterstellungen und Boshaftigkeiten. Man nennt diese Leute «Hater-Trolls» (zu Deutsch: Hass-Trolle». Diese Trolls wohnen unter falschem Namen im Internet und nicht in Genossenschaften mit echtem Namen angeschriebener Haustürklingel.
Neulich schrieb mir so ein Troll auf facebook: «Frau Badran! Wann setzen sie sich endlich einmal für das einfache Volch ein!!!!!!???!!!!» Ja – Sie lesen richtig – Volch mit CH. So wie viele SVPler das Wort Volk aussprechen. Man erkennt Sie schnell die Trolle. Sie schreiben eigentlich immer mit vielen Ausrufe- und Fragezeichen. Nun – in einem anderen Zusammenhang einige Tage später – nimmt der gleiche Troll (oh Wunder) einen ernsthaften Dialog mit mir auf. Ja – die meisten Trolls sind auch Stalker – sie verfolgen einen regelrecht auf den sozialen Medien. Es ging um die Frage, ob man Einkommensgrenzen für die Bewohnenden von Genossenschaften festlegen solle. Ich hatte mich vehement gewehrt gegen dieses Ansinnen. Genossenschaften sind private Organisationen, deren Mitglieder die Regeln bestimmen. Und schliesslich sind sie nicht subventioniert, im Gegenteil für die öffentliche Hand ein gutes Geschäft und deshalb habe man keine Legitimation, etwas zu verlangen. Zudem will niemand Ghettos, sondern ein gute Durchmischung in gutschweizerischer Tradition.
Nun argumentierte der Troll, man sollte doch lieber «denen, die es nötig haben» direkt Unterstützung gewähren statt Genossenschaften zu fördern. In der Fachsprache heisst das «Subjekthilfe statt Objekthilfe». Ich konterte, dass die Stadt Zürich jedes Jahr im Rahmen der AHV-IV Zusatzleistungen und der Sozialhilfe 300 Millionen Franken für Wohnzuschüsse ausgebe. Das sei doch Irrsinn, denn die Empfänger seien ja am Ende die Immobilieneigentümer die höhere Mieten verlangen könnten, weil der Staat diese ausgleicht. Das sei nichts anderes als eine Subvention für renditeorientierte Immobilien-Besitzer. Mit dem gleichen Geld könne man Jahr für Jahr Immobilien aufkaufen und sie den Genossenschaften im Baurecht zur Verfügung stellen. Das sei viel effizienter und die Wertsteigerungen der Immobilien bleiben im VolCHs-Vermögen. Der Troll jedenfalls argumentierte weiter – bis ich merkte, dass er sehr gut informiert war und das er genau das erzählte, was der Hauseigentümerverband immer erzählt, um die Genossenschaften in Misskredit zu bringen.
Tja, Trolls sind eben organisiert oder präziser, sie werden organisiert. Gehen Sie mal auf Tagesanzeige-Online wenn ein Artikel über Immobilienpolitik oder Wohn-Genossenschaften veröffentlicht wird. Nach kaum 5 Minuten kommen die üblichen Verdächtigen, um unter falschem Namen die immer gleichen Hass-Kommentare gegen Genossenschaften abzusondern. Völlig faktenfrei natürlich. Da würden lauter Superverdienende in riesen Wohnungen sein mit Porsches vor der Türe; das würden nur Linke wohnen, die sich gegenseitig die Wohnungen zuhielten usw. Es sind immer die paar gleichen Trolle. Organisiert eben
In dem Sinn liebe Leserinnen und Leser. Widerspruch ist nötig, das kann man nicht so hinnehmen. Gehen auch sie hin und kommentieren Sie in den Online-Foren – mit echtem Namen, mit offenen Visier und mit Fakten statt Hass. Denn Sie wohnen in Genossenschaften mit korrekt beschrifteter Haustürklingen und Sie wissen worum es geht. Mischen Sie sich ein und schreiben Sie darüber!!!!!