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Umsetzung MEI und der Inländervorrang heavy (E-Mail-Debatte in der NZZa.S.)

publiziert in der NZZa.S. vom 25.9.2016
Die E-Mail-Debatte
«Gilt eine Abstimmung überhaupt noch etwas?»

Gregor Rutz

Überfüllte Züge, immer mehr Arbeitslose, eine überlastete Infrastruktur, aber auch mehr Kriminalität – die Herausforderungen, welche uns die ungezügelte Einwanderung bringt, sind vielfältig. Darunter leiden vor allem Leute aus bescheidenen Verhältnissen, die diesen Problemen nicht einfach ausweichen können. Im Februar 2014 beschloss eine Mehrheit von Volk und Ständen, die Schweiz solle die Regelung der Zuwanderung künftig wieder selber an die Hand nehmen. Doch Ihre Partei, liebe Frau Badran, wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen, dass etwas geschieht. Finden Sie es denn gut, wenn jedes Jahr 60 000, 70 000 oder 80 000 Migranten in die Schweiz strömen?

Jacqueline Badran

Wie Sie stets die Wahrheit um 180 Grad umdrehen können – bravo! Ich erinnere Sie daran: Es ist Ihre Politik des Steuerdumpings für Unternehmen, die zahllose Konzerne in die Schweiz gelockt hat, mit entsprechender Zuwanderung. Es sind Ihre Branchen, welche die Zuwanderer absorbieren und gerne einen teuren Schweizer gegen einen billigeren Ausländer austauschen. Es geht um globale Grosskonzerne, Bau, Gastronomie, Hotellerie, Landwirtschaft. Aber wer bekämpft erbittert unsere Vorschläge gegen Lohndumping und für eine bessere Nutzung der inländischen Arbeitskräfte, was die Zuwanderung massiv gedrosselt hätte? Ihre Seite! Und jetzt tun Sie so, als ob Sie sich um die Sorgen der einfachen Leute kümmern würden?

Gregor Rutz

Hört man Ihnen zu, könnte man meinen, alle Einwanderer seien für einen grossen Konzern tätig oder als Kurzaufenthalter in die Schweiz geholt worden. Dem ist aber nicht so. Die Hälfte aller Zuwanderer ist nicht arbeitstätig. Die zunehmenden Abhängigkeiten vom Sozialsystem, aber auch der Familiennachzug stellen uns vor ständig neue Herausforderungen. Dass Kurzaufenthalter und vorläufig Aufgenommene (welche die Schweiz eigentlich verlassen müssten) hier bleiben und ihre Verwandten in die Schweiz kommen lassen möchten, dokumentiert das Ausmass der Problematik. Flankierende Massnahmen verschärfen das Problem zusätzlich. Neben der Masseneinwanderung müssen wir auf diese Weise noch mit einem überregulierten Arbeitsmarkt kämpfen und mit sinnlosen bürokratischen Auflagen. Setzen Sie sich lieber für eine verfassungskonforme Umsetzung von Artikel 121a BV ein – Ihre Wähler werden es Ihnen danken!

Jacqueline Badran

Schon wieder! Sie werfen uns vor, was Sie selber fabrizieren. Schweizer Löhne für Schweizer Arbeitsplätze – das wollen die flankierenden Massnahmen! Es war unter anderem Lohndumping, das die Leute Ihre Initiative annehmen liess. Das zeigt, wie konzeptlos die SVP ist. Eigentlich hätten Sie ja gerne einen Arbeitsmarkt mit tobender Konkurrenz, wo die Wirtschaft unter 500 Millionen Menschen den billigsten auswählen kann. Gleichzeitig tun Sie so, als ob Sie für bürokratische Kontingente seien. Ihren Antrag für Kontingente mit 0,2 Prozent maximalem Wachstum haben Sie aber erst gerade zurückgezogen und nie Höchstzahlen genannt. Es gibt weit und breit keinen Lösungsvorschlag für Ihre Versprechen vor der Abstimmung: Zuwanderung drosseln und gleichzeitig Bilaterale erhalten. Und dann werfen Sie den anderen vor, die Umsetzung zu hintertreiben.

Ihr Herumreiten auf dem Familiennachzug zeigt, dass Sie an einer Umsetzung gar nicht interessiert sind. Wir holen Arbeitskräfte, aber es kommen Menschen. Schon vergessen? Der Familiennachzug beschränkt sich in allen Kategorien auf den Ehepartner und auf minderjährige Kinder. Bewilligt wird er nur Personen, die eine geeignete Wohnung haben und nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind. Dass auch Grossmutter und Geschwister nachgezogen werden können, gehört zu den Stammtischlügen, die Sie gerne bewirtschaften.

Gregor Rutz

Das sind die Fakten: Sie haben – mit FDP und CVP – dafür gestimmt, dass der Familiennachzug unter anderem für abgewiesene Asylbewerber, welche man nicht zurückschaffen kann, erlaubt wird. Damit zeigen Sie, dass Sie die Zuwanderungsfrage gar nicht ernsthaft regeln wollen. Auch Ihre Haltung zur Freizügigkeit ist ziemlich widersprüchlich. Das Freizügigkeitsabkommen hat zum Ziel, den Arbeitsmarkt zu erweitern und den Wettbewerb zu fördern. Dies mit flankierenden Massnahmen wieder einzudämmen, ist völlig absurd – Sie müssten eigentlich für eine Kündigung des Freizügigkeitsabkommens sein. All diese Punkte, aber auch die Nationalratsdebatte zur Zuwanderung machen mich sehr nachdenklich. Warum ignorieren so viele Politiker die Probleme im Migrationsbereich? Warum werden die Sorgen der Bevölkerung – und sogar Volksentscheide! – nicht ernst genommen? Gilt eine Abstimmung überhaupt noch etwas?

Jacqueline Badran

Es wurde fünfmal über die Bilateralen und die Personenfreizügigkeit abgestimmt, und die Vorlagen wurden mit deutlichen Mehrheiten angenommen. Die Ecopop-Initiative mit den Zuwanderungskontingenten wurde hingegen klar abgelehnt. Sie wissen genau, dass wir hier in einem Demokratiekonflikt stehen. Ich gehöre zu den Leuten, die laut sagen: 80 000 Personen Nettozuwanderung sind zu viel. Um diese zu drosseln, braucht es eine Ursachenbekämpfung und eine bessere Nutzung des Inländerpotenzials, was Sie ja stets torpedieren. Dass Sie dafür die Streichung des Familiennachzugs für vorläufig Aufgenommene als Massnahme verkaufen, ist eine Frechheit und zeigt Ihre Planlosigkeit. Diese müssen drei Jahre warten, haben oben beschriebene sehr hohe Hürden, und es handelt sich um 60 Personen pro Jahr. Wenn Sie an einer echten Lösung interessiert sind, gehen Sie gemeinsam mit uns einen «Inländervorrang heavy» an!