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AKW-Ausstieg und Energiewende (E-Mail-Debatte in der NZZa.S.)

publiziert in der NZZa.S. vom 9.10.2016

Die E-Mail-Debatte
«Und hören Sie endlich auf, von Subventionen zu reden!»

Jacqueline Badran

Meine erste Tat in der institutionellen Politik war das Sammeln von Unterschriften für die Initiative «AKW-Nein-danke» mit dem legendären Sünneli-Logo. Das ist nun 36 Jahre her. Ein Tschernobyl, ein Fukushima und Milliarden aufgelaufener ungedeckter Entsorgungskosten später haben wir nun endlich den Atomausstieg beschlossen. Wir Linken sind es gewohnt, Jahrzehnte zu brauchen, bis wir uns durchsetzen. Sie jedoch wehren sich immer noch ohne gute Gründe.

Gregor Rutz

Eine sichere und günstige Energieversorgung, liebe Frau Badran, ist elementar für den Standort Schweiz. Und zwar nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für Privatpersonen wie Sie und mich – schliesslich duschen Sie am Morgen auch nicht gerne kalt. Die Atomausstiegsinitiative ist ein typisches Produkt des Zeitgeists: Nach dem Atomunfall in Fukushima 2011 lanciert, fordert sie in der Verfassung ein Betriebsverbot für Kernkraftwerke. Zudem sollen die bestehenden Kraftwerke vorzeitig vom Netz genommen werden. Diese Initiative ist chaotisch und gefährlich für den Wirtschaftsplatz. Ich habe bereits die unsinnige «Energiestrategie 2050» im Parlament abgelehnt, aber diese Initiative schlägt dem Fass den Boden aus. Da kann man nur gross und deutlich Nein auf den Stimmzettel schreiben.

Jacqueline Badran

Interessant – Ihr warmes Duschwasser am Morgen wird also mit Atomstrom erzeugt? Das ist doch ein hervorragendes Beispiel dafür, warum die Energiewende nötig ist: Mit Photovoltaik erzeugen Sie nämlich nicht nur Strom für Licht, Herd und Kühlschrank, sondern auch für Ihr warmes Wasser. Und das fast gänzlich ohne Grenzkosten – also ohne Kosten für eine zusätzliche Einheit Energie, wie das bei Atomstrom, bei Öl- oder Gasheizungen der Fall ist. Wirtschaftlich, kostengünstig und ohne Abhängigkeit vom Ausland. Die Zukunft ist ohne Atom und ohne Öl. Diesen Wandel kann man nicht mehr verzögern.

Gregor Rutz

Man tut gut daran, weitreichende Entscheide gut zu überlegen. Das vermisse ich bei vielen Gegnern von Kernkraftwerken. Die überstürzten Entscheide zur Energiewende basieren vor allem auf Ängsten und oberflächlichen Argumenten. Wenn wir unsere Kernkraftwerke jetzt stilllegen, müssten wir mehr Strom aus dem Ausland importieren. Und dies wäre dann notabene Strom aus Kohle, Gas oder eben Kernkraft. Sie wollen also die Versorgungssicherheit aufs Spiel setzen und gleichzeitig lieber Strom aus französischen Kernkraftwerken beziehen? Und daneben noch Milliarden an Subventionen für ineffiziente Solar- und Windenergie ausschütten? Ist das wirklich Ihre Vorstellung einer zukunftsweisenden Energiepolitik?

Jacqueline Badran

Allein die Projekte in der Warteschlaufe der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) bringen so viel Strom wie Mühleberg, Beznau I und II zusammen. Und hören Sie endlich auf, von Subventionen zu reden! Wir haben das bei der Wasserkraft 100 Jahre so gemacht: Investitionen werden kostendeckend auf den Strompreis überwälzt – fertig. Genau das tut die KEV. Sie bringt enorm kostengünstig Investitionssicherheit für den neuen dezentralen Produktionspark. Oder glauben Sie, neue AKW wären gratis zu haben? Subventioniert war vielmehr die Atomkraft, wo die Allgemeinheit die Versicherungskosten übernimmt. Zudem haben wir Kosten von 14 Milliarden Franken für Stilllegung und Entsorgung. Das macht rund 4000 Franken pro Haushalt. Fertig damit! Erst recht, wenn die AKW, so wie jetzt, mit jedem Betriebstag Verluste einfahren.

Gregor Rutz

Natürlich sind es Subventionen, welche wir in alternative Energie-Ideen hineinbuttern; man darf die Sache schon beim Namen nennen! Aber ein überhasteter Ausstieg aus der Kernenergie hätte noch ganz andere Kosten zur Folge: Entschädigungszahlungen, Kosten für die Stilllegung der Kraftwerke, steigende Strompreise – und natürlich die Kosten für den Strom, welchen wir importieren müssten. Der heutige Strommix – 56 Prozent Wasserkraft, 38 Prozent Kernenergie, 4 Prozent erneuerbare Energien und 2 Prozent konventionell-thermische und Fernheizkraftwerke – hat sich bewährt. Vergessen Sie nicht, dass unser Stromnetz letzten Winter an seine Belastungsgrenze geriet, weil zwei KKW ausser Betrieb waren. Solche Szenarien wünsche ich mir nicht für die Zukunft!

Jacqueline Badran

Reden Sie auch von Subvention, wenn wir ein neues AKW bauen, statt in erneuerbare Energien zu investieren? Genau diese ökonomische Verwirrung verhindert, dass Sie über den Status quo hinausdenken können. Bei der Stromproduktion mit ihren langen Investitionszyklen und dem Gebot der Versorgungsgarantie müssen wir uns entscheiden, wohin es gehen soll. Klarheit über den Atomausstieg schafft da erst die notwendige Investitionssicherheit und zeigt der Forschung den Weg, hin zu neuen Speichern und intelligenten Netzen. Das Festhalten an einer Technik, die enorme Risiken hat, von Uran-Importen abhängig ist und grotesk teuren Müll schafft, den niemand will, ist nur dumm. Wer rechnen kann und wem die Zukunft der nächsten Generationen nicht egal ist, der setzt auf eine Zukunft mit erneuerbarer Energie.

Gregor Rutz

Wo wegen Subventionen die Preise künstlich tief gehalten werden, investiert niemand – da widersprechen Sie sich. Die Energiestrategie mit dem Technologieverbot und wirtschaftsschädigenden Interventionen ist der falsche Weg – ebenso das überstürzte Abschalten der Kernkraftwerke. Machen wir einen Schritt nach dem anderen. Welche Technik sich durchsetzt, soll auf dem Markt – und nicht in Amtsstuben – entschieden werden.