Zurück zur Übersicht

Seien wir doch einmal ehrlich: Ein Beitrag zum sogenannten Strommarkt

Publiziert als Meinungsbeitrag im Bulletin SEV/VSE (Verband Schweizer Energieunternehmen) September-Ausgabe 2017 zum Thema «Strommarkt»

 

Strom ist in unserer zivilisierten und hochtechnisierten Gesellschaft ein essentielles Gut – so wie Wasser. Das hat weitreichende Konsequenzen. Konkret bedeutet das auf Anbieterseite: Strom muss 365 Tage im Jahr, 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen. Und dies völlig unabhängig davon wie hoch die Nachfrage ist und wie die Handelspreise sind. Hinzukommen auf Produzentenseite kapitalintensive und sehr lange Investitionshorizonte kombiniert mit geringer kurzfristiger Steuerbarkeit der Produktionsmengen. Auf Nachfragerseite herrscht faktischer Konsumzwang und damit eine äusserst geringe Preiselastizität. Aus diesen fundamentalen Gründen lässt sich keine Marktlogik der Stromproduktion überstülpen. Die klassische Marktsteuerung der Angebots- und Nachfragemengen über den Preis versagt. Die rein ideologisch und nicht ökonomisch getriebene Liberalisierung im europäischen Strommarkt hat dann auch zur Absurdität geführt, dass die Handelspreise abgekoppelt wurden von den Gestehungskosten und dafür an Gaspreis, CO2-Preise etc. gebunden wurden. Das ist systemfremd, denn ein Marktpreis spiegelt immer die realen Produktionskosten ansonsten die Anbieter ja nicht mehr (oder weniger Menge) produzieren würden. Was beim Strom ja evidenter weise gar nicht möglich ist.

Die Folge ist: Ganz Europa retarifiert nach der Liberalisierungswelle die Strompreise. Und zwar auf Umwegen. Man nennt es dann «Kostendeckende Einspeisevergütung», «Marktprämie» oder über Jahrzehnte  «garantierte Abnahmepreise» wie in Grossbritannien  mit dem Atomstrom. Der Grund ist einfach: Sonst würde weder investiert, noch die Versorgungssicherheit garantiert. Und ups! Plötzlich entdeckt man, dass der «Markt» zur Versorgungssicherheit und aus netztechnischen Gründen eine administrierte (geplante) Menge an Strom braucht. Dazu «designt» man jetzt Kapazitätsmärkte. Hauptsache man kann so tun als würde man Markt spielen, obwohl man faktisch zurückkehrt in das über Jahrzehnte bewährte äusserst simple und effiziente Tarifsystem. Geben wir das doch endlich einmal zu. Dann können wir uns über ein sinnvolles Tarifsystem unterhalten – aktuell ob wir die Durchschnittspreismethode oder die Gestehungskostenmethode anwenden (wobei ich persönlich zweiteres deutlich besser finde). Denn nur so schaffen wir Investitionssicherheit und damit die zwingend notwendige Versorgungssicherheit. Und noch was: Hören wir vielleicht endlich damit auf, den Ausgleich zwischen einem systemfremden Handelspreis und den realen Gestehungskosten als «Subvention» zu bezeichnen. Das würde nämlich helfen, unsere mentalen «Strommarkt-Modelle» in den richtigen (Regulierungs-)Rahmen zu setzen.