Schöne Aussichten für die Jungen (E-Mail Dabtte in der NZZ a.S.): zur Rentenreform
3. September 2017Jacqueline Badran
Das Gegenteil ist der Fall: Wir müssen das BVG, die zweite Säule, sanieren. Dort und nur dort findet die illegale Umverteilung von der aktiven Generation zu den Rentnern statt. 1,3 Milliarden Franken pro Jahr zahlen die Jungen zu viel. Jedes Jahr. Deshalb müssen wir den Rentenumwandlungssatz dringend senken, was jedoch hohe Renteneinbussen nach sich zieht. Generelle Rentensenkungen sind aber weder volkswirtschaftlich sinnvoll noch mehrheitsfähig. Also müssen wir die Senkungen im BVG via AHV kompensieren. Und auch dabei werden die Jungen entlastet und nicht, wie Sie sagen, belastet. Wer ein Leben lang 100 000 Franken netto pro Jahr und weniger verdient, bekommt mehr AHV, als er je einzahlt. Und das sind die allermeisten, Sie vermutlich eingeschlossen. Die Superverdiener zahlen die AHV. Deswegen sind Sie ja auch gegen die seit 40 Jahren erstmalige Lohnbeitragserhöhung von je 0,15 Prozent. Einmal mehr wollen Sie nur für die obersten zehn Prozent Gesetze machen und nicht für die ganze Bevölkerung. Das ist verantwortungslos.
Gregor Rutz
Die Massnahmen im BVG mit Rentengeschenken bei der AHV kompensieren zu wollen, ist ebenso abenteuerlich wie unseriös. Die Finanzierungsprobleme der AHV müssen wir mit Massnahmen bei der AHV regeln, die Engpässe im BVG mit Massnahmen bezüglich Umwandlungssatz. Eine Vermischung lehne ich entschieden ab. Kommt hinzu: Es ist doch absurd, 70-Franken-Geschenke ab 2019 zu verteilen, obwohl bis 2038 keine Einbussen in der beruflichen Vorsorge entstehen. Dieses 70-Franken-Geschenk wiederum sollen die heutigen Rentner nicht erhalten, sondern nur die Neurentner. Wollen Sie wirklich eine Zweiklassen-AHV einführen? Ich finde das völlig daneben.
Jacqueline Badran
Wie bitte? Die Rentner müssen keine Senkung des Umwandlungssatzes hinnehmen, also benötigen Sie auch keine Kompensation. Die Einbussen im BVG wirken sofort und sind erheblich. Anstatt feige verwirrenden Unsinn zu reden, sollten Sie hinstehen und sagen, was Sie wollen: Renten senken und Rentenalter erhöhen. Nur – das gibt niemals Mehrheiten. Das haben Sie ja gesehen, als man isoliert den Umwandlungssatz senken wollte: 73 Prozent stimmten Nein, obwohl alle gegen die SP waren. Diese Vorlage ist nicht perfekt. Aber etwas Besseres wird es nicht geben, inklusive die Flexibilisierung des Rentenalters. In der Schweiz geht man Schritt für Schritt, in der Schweiz haben nur austarierte Vorlagen eine Chance.
Gregor Rutz
Als Unternehmerin, liebe Frau Badran, sollten Sie sich eigentlich gewohnt sein, die Zahlen genau anzuschauen. Faktum ist: Mit dieser Vorlage würde die AHV bereits 2027 wieder rote Zahlen schreiben. Der AHV-Ausbau ist eine Hypothek für die junge Generation. Und auch im BVG-Teil schafft die verunglückte Vorlage eine Zweiklassen-Gesellschaft: Alle bis und mit Jahrgang 1973 profitieren als «Übergangsgeneration» von einer Besitzstandsgarantie. Wer jünger ist, wird jedoch deutlich schlechter gestellt. Die NZZ hat es berechnet: Leute ab Jahrgang 1974 zahlen 11 000 Franken zusätzliche Vorsorgebeiträge, haben aber 9600 Franken weniger Rente. Diese Besitzstandsgarantie kostet über 6 Milliarden Franken – bezahlt über höhere Lohnbeiträge für alle Erwerbstätigen in den nächsten 20 Jahren. Das sind ja schöne Aussichten für die junge Generation!
Jacqueline Badran
Die Besitzstandsgarantie gilt nur für die bisher einbezahlten Beiträge im BVG und ist, wenn man keinen massiven Rentenabbau will, zwingend. Und nochmals: Die junge Generation bezahlt heute 1,3 Milliarden an die Rentner via BVG – das ist die Hypothek für die Jungen, und die verschwindet bei einem Ja. Zudem bekommen die allermeisten Jungen mehr AHV, als sie je einbezahlen. Das heisst, sie verdienen dabei. Gerade die AHV ist das grösste Entlastungsprogramm für die Jungen aller Zeiten, weil es sie befreit hat, ihre Eltern unterstützen zu müssen. Mit einem Nein gefährden wir eine der grössten zivilisatorischen Errungenschaften in der Schweiz: dass man dem Alter ohne Existenzängste entgegenschauen kann.
Gregor Rutz
Das sehe ich genau umgekehrt – darum werde ich Nein stimmen.