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Einspruch Herr Marmet – ein Kommentar zur Einschätzung eines Immobilienexperten zur Abschaffung der Lex Koller


Am 2. 9. 07 erschien in der NZZ am Sonntag ein Interview mit Dieter Marmet-operativer Geschäftsführer von Wüst und Partner – neben einem Hintergrundartikel zur «Lex Koller, neu entdeckt».
Es freut mich sehr, dass die Medien das Thema so gut aufnehmen. Damit ist alles erreicht was ich mit meinem Komite «ProLexKoller» vorerst wollte: Ein Diskurs wurde ausgelöst über die allfälligen Folgen durch die geplante Abschaffung der Lex Koller.
Hier ist das Interview nochmals abgedruckt. Kursiv eingefügt sind meine Kommentare und Entgegnungen: Die Folgen der Abschaffung der Lex Koller werden unterschätzt und verharmlost

2. September 2007, NZZ am Sonntag

«Das Angebot an Wohnungen nähme zu»
Die geplante Abschaffung der Lex Koller bewegt unversehens die Gemüter. Der Immobilien-Experte Dieter Marmet erklärt, warum eine Öffnung für ausländische Immobilieninvestoren mittelfristig die Mieten senken könnte.

NZZ am Sonntag: Was würde der Wegfall der Lex Koller für den Markt der Mietwohnungs-Immobilien bedeuten?

Dieter Marmet: Dafür schaut man sich am besten den Markt für Geschäftsimmobilien an, wo Ausländer schon seit 1997 – damals wurde aus der Lex Friedrich die Lex Koller – Schweizer Objekte als Anlage erwerben können. Was dort im Moment geschieht: Ausländische Investoren kommen und kaufen ganz erheblich. Vor allem aus drei Gründen: Erstens ist die Rendite der Immobilien nach Abzug der Fremdfinanzierungskosten, also auch wegen der in der Schweiz eher tiefen Zinsen, international relativ hoch. Der zweite Grund ist die Währung: Viele Anleger halten den Schweizerfranken gegenwärtig für unterbewertet. Und wohl am wichtigsten: Die Immobilieninvestoren meiden heute Länder wie Grossbritannien oder Spanien, wo eine Preisblase am Platzen ist. Sie suchen nach Anlagealternativen und finden diese in Skandinavien oder auch in der Schweiz.

Jacqueline Badran: Genau – dies zeigt auch wie sich die Immobilienmärkte in den letzten 10 Jahren massiv gewandelt haben: Professionalisiert, globalisiert und zur indirekten Anlage gewandelt.

NZZ: Aber haben diese zusätzlichen Investitionen aus dem Ausland in Geschäftsliegenschaften nicht die Immobilien- und dann die Mietpreise angetrieben?

DM: Jein. Zwar haben die Preise für Geschäftsliegenschaften in der Schweiz angezogen, aber deswegen wurde keine einzige Büromiete teurer. In der Schweiz verfügen wir derzeit über etwa 50 Millionen Quadratmeter Bürofläche und etwa 5 Millionen Quadratmeter Überkapazitäten. Der Mietpreis wird nur durch Angebot und Nachfrage dieser Flächen bestimmt. Der Kaufpreis für Immobilien wiederum wird durch Angebot und Nachfrage nach Geschäftsobjekten bestimmt. Das sind zwei völlig getrennte Märkte. Im Moment steigen die Preise von Geschäftsliegenschaften an – die Mieten bleiben aber stabil. In der Folge sinken die Renditen. Wenn Sie als Immobilieninvestor die Wahl haben, entweder selber zu bauen bei einer Rendite von 4,5 Prozent oder etwas zu kaufen bei einer Rendite von 5 Prozent, dann ist klar: Sie kaufen. Wenn diese Rendite aber zu sinken beginnt, wird das Bauen wieder attraktiver. Damit vergrössert sich mittelfristig das Flächenangebot, und die Mietpreise sinken.

Jacqueline Badran: Das stimmt nur sehr beschränkt. 1. Es gibt eben doch einen Zusammenhang zwischen den beiden Märkten und das hat mit dem Einkommensniveau und Zahlungskräftigkeit der Mieterschaft zu tun. Oder makroökonomisch ausgedrückt: mit dem Verhältnis zwischen Volkeinkommen und Immobilienpreisen. 2. Der Markt hat nicht wirklich gespielt. Aufgrund der Überkapazitäten hätten die Mieten deutlich nachlassen müssen. Das haben sie aber nicht. Leerbestände kommen den Anbietern immer noch billiger als einen Preisnachlass, besonders an interessanten Lagen, die für viele (zum Beispiel im Detailhandel oder aus Imagegründen) absolut entscheidend sind. Die Immobilienmärkte sind eben ganz klar aus vielen verschiedenen Gründen spezielle Märkte.

NZZ: Und dieser Effekt wäre bei der Abschaffung der Lex Koller auf Wohnliegenschaften übertragbar?

DM: Der Mechanismus ist derselbe, ja. Der Druck auf die Renditen würde zunehmen, es würde mehr gebaut. Das Angebot an Wohnungen nähme zu, was – bei unveränderter Nachfrage – dämpfend auf die Mietpreisentwicklung wirkt.

Jacqueline Badran: Dies ist eine Behauptung. Herr Marmet geht bei dieser Aussage von verschiedenen Dingen aus: 1. Kapital ist beschränkt und 2. Wir haben es mit perfekten Märkten zu tun. Zu 1. In der Schweiz haben wir genügend akkumuliertes Kapital, dies ist definitiv nicht der limitierende Faktor. Da ist vermutlich das Renditeverhältnis zwischen Aktienmärkten und Immobilienmärkten, die Verfügbarkeit von Land, sowie die Risikoeinschätzung (Vermietbarkeit zu einer bestimmten Rendite und damit auch der Landpreis!) entscheidender, ob gebaut wird oder nicht. 2. Wir haben es sicher nicht mit perfekten Märkten zu tun. Die pensionskassen zum Beispiel müssen erst seit 2005 ihre Immobilien zum Verkehrswert in den Büchern haben. Durch den gesteigerten Renditedruck fangen sie erst jetzt an Ihre Immobilien aktiver zu bewirtschaften. Zudem ist die massive Professionalisierung der Bewirtschaftung der Immobilienbestände ein neueres Phänomen (Swisscom, SBB, Feldschlösschen, Maag, Sulzer etc.). Der Schweizer Markt der Maehrfamilienhäser ist zudem was die Eigentümerstruktur angeht sehr segmentiert. Viele Private Eigentümer geben sich zufrieden mit einem bestimmten Ertragsziel, kennen ihre Mieterschaft und deren Einkommenverhältnisse sogar persönlich. Sie könnten theoretisch am Markt wesentlich mehr herausholen. Ich bin im Zürichberg aufgewachsen. Das gute alte Bildungsbürgertum hatte viele Immobilien als Wert- und nicht als Ertragsanlage; es galt als unanständig damit Geld zu verdienen. Man verdiente mit Leistung Geld und nicht mit Besitz. Natürlich ist diese liberale Ethik vorbei – trotzdem gibt es noch eine relevante Anzahl Vermieter, die nicht die Rendite maximieren. Würden durch einen Fall der Lex Koller unbestrittenermassen die Immobilienpreise steigen, kämen diese Vermieter und die Pensionskassen unter Druck. 3. Bei einem Leerwohnungsbestand von weit unter einem Prozent kann man nicht von einem Markt sprechen. Die Angebotserweiterung deckt ja kaum die zusätzliche Nachfrage durch gesteigerten Platzbedarf, den gesteigerten urbanen Zweitwohnungsbedarf und das Bevölkerungswachstum. Zudem sind wegen der Zersiedelung Grenzen gesetzt.
4. Die ganzen Modelle vernachlässigen Informationsassymmetrien, Marktmacht und vor allem die Transaktionskosten. Diese kann man deshalb nicht ernst nehmen.
Fazit: Wir haben es weder mit klassichen Märkten, noch mit perfekten Märkten zu tun.

NZZ: Aber nehmen wir ein Haus am Zürichberg, das 10 Millionen Franken kostete und dessen Wohnungen für monatlich 3000 Franken vermietet sind. Jetzt kauft ein ausländischer Anleger das Haus für 15 Millionen Franken. Dann will er doch die Mieten auf 4000 Franken hochschrauben.

DM: Natürlich will er. Aber der Punkt ist letztlich: Kriegt er die 4000 Franken auf dem Markt oder kriegt er sie nicht?

NZZ: An dieser Lage kriegt er sie vielleicht.

Was Sie jetzt sagen, ist: Der vorherige Besitzer dieser Liegenschaft war ein bisschen dumm. Er verlangte einen zu günstigen Mietpreis. Läge der Mietpreis auf Marktniveau, können Sie noch so viel mehr für das Haus bezahlen, Sie bekommen nicht einfach so höhere Mieten.

Jacqueline Badran: Wie gesagt, die Märkte sind nicht perfekt. Wenn der Renditedruck steigt wird man deutlich mehr rausholen können. Wohnen ist das wichtigeste Gut für die Menschen. Man kann nicht einfach wechseln so wie eine Turnschuhmarke, die einem zu teuer sind. Die Wahlfreiheit ist beschränkt, da sie weitreichende Konsequenzen haben kann. Eine Familie wird es sich gut überlegen wegen gesteigerten Mieten umzuziehen und die Kinder umzuschulen. Da wird man eher versuchen zusätzliches Einkommen zu generieren und zähneknirschend Konsumverzicht betreiben. Das kann man täglich beobachten bei den jetzt schon enorm steigenden Mieten.

NZZ: Wir haben jetzt über den Renditenmarkt gesprochen. Wie sieht es beim Eigenheimmarkt aus?

DM: Im Eigenheimmarkt würde wenig passieren, da niedergelassene Ausländer schon heute, mit der Lex Koller, Immobilien als Erstwohnung kaufen können. Eine Änderung würde die Abschaffung der Lex Koller aber bei den Zweitwohnungen bewirken. Deshalb sind touristische Orte gehalten, flankierende Massnahmen zu ergreifen. Massnahmen wie eine Beschränkung der Neubautätigkeit werden die Preissteigerung allerdings eher verstärken. Dass ein Engadiner mit einem durchschnittlichen Einkommen da gewisse Ängste entwickelt, das kann ich gut verstehen. In weiten Teilen der Schweiz würde eine Abschaffung der Lex Koller allerdings wenig ändern.

Jacqueline Badran: Massives Veto! Ausländer können nur kaufen wenn sie ihren Steuer- und Erst-Wohnsitz hier her verlegen. Das ist und bleibt eine Hürde. Ich könnten ihnen allein aus meinem Bekanntenkreis mindestens 20 Personen nennen, die sofort hier ein Eigenheim kaufen würden, wenn sie nicht den Steuersitz verlegen müssten. Die neue reiche Schicht von Globalisierungsgewinnlern, bei denen es Mode ist, in London, Moskow, NewYork und weiss nicht wo ein Domizil zu haben, würden sich auf die guten Lagen in Zürich und Genf stürzen. Klar kann man die Lex Koller umgehen. Aber eine Hürde bleibt sie. Der Mengeneffekt dürfte bei dem geofrafisch kleinen Land, wie die Schweiz eines ist, übrigens erheblich sein, nur schon deshalb weil viel steuerhinterzogenes und schwarzes Geld hier parkiert würde, das ganz andere Preise zahlen kann. Der inländische oberste Mittelstand weicht dann an die zweitbesten Lagen aus usw. Die Eigenheimpreise würden weiträumig stiegen und der Mittelstand an die Perferie gedrängt.
Zudem: Die Koppelung vom Erwerb von Wohneigentum an den Steuersitz ist grundsätzlich richtig. Der Wert einer Immobilie hängt auch von der Infrastruktur ab, die aus steuergeldern finanziert wird. Steuersubstart ist nunmal an den Besiedelten Boden geknüpft. Wieso sollten wir auf das Steuersubstrat verzichten? Im Weiteren würde bei einer Preissteigerung die Eigenmietwerte steigen. Dann finanziert also der Mittelstand die Ausfälle beim Steuersubtrat? Das kann man nicht wollen.

NZZ: Und an der Goldküste?

DM: Da sind die Preise ja auch mit Lex Koller schon massiv in die Höhe gegangen. Doch auch in den letzten Jahren sind da 80 bis 90 Prozent der Liegenschaften in dieser Region von Schweizern gekauft worden. Die Preisentwicklung an der Goldküste für Top-Objekte gleicht sehr stark jener der Einkommens-Entwicklung auf dem Zürcher Finanzplatz.

Jacqueline Badran: Genau – da brauchen wir sicherlich nicht noch eine preistreibende zustätzliche Nachfrage. Nochmals: Das Steuersitzerfordernis ist und bleibt eine Hürde. Insbesondere wenn man die Lex Koller bezüglich (illegale) Umgehungsmöglichkeiten verschärfen würde.

NZZ: Welche Auswirkungen hat bis jetzt die Personenfreizügigkeit mit der EU auf den Wohnungsmarkt?

DM: Es kommen mehr Ausländer in die Schweiz, die nicht mehr in Branchen wie dem Gastgewerbe, der Landwirtschaft oder dem Bauwesen arbeiten, sondern in Branchen mit einer hohen Wertschöpfung. Sie haben ein grösseres Einkommen und verstärken die Nachfrage in einem gewissen Segment des Wohnungsmarktes. Aber auch das hat nichts mit der Lex Koller zu tun.

Jaqueline Badran: Stimmt – dies hat fast nichts mit der Lex Koller zu tun. Die Frage wäre hier: was gescheiht wenn der Steuersitz wieder aufgegeben wird mit der erworbenen Immobilie.

NZZ: Nimmt die Segregation der Bewohner in den Städten zu?

DM: Tendenzen zur Segregation gibt es in Städten immer, je freier der Markt bei den Mieten spielt. Unabhängig davon, ob es eine Lex Koller gibt oder nicht. Es ist dann eine politische Frage, inwiefern Städte solchen Tendenzen entgegenwirken und inwiefern sie einen gewissen Mix der Einwohnerschaft erhalten wollen. Die Stadt Zürich tut dies beispielsweise relativ erfolgreich, indem öffentliche Hand und Genossenschaften rund 40 Prozent der Mietwohnungen anbieten – ohne dass der freie Wohnungsmarkt dadurch kaputtgemacht würde. In Zürich lohnt es sich für private Investoren noch immer, zu bauen. Im Gegensatz etwa zu Genf, wo man mit vielen Baugesetzen versucht, die Preise zu kappen – mit dem Effekt, dass kaum mehr neue Mietwohnungen erstellt werden.

Jacqueline Badran: Die Abschaffung der Lex Koller würde mit Sicherheit die ohnehin schon bestehende Tendenz zur Segregation verschärfen. Nur schon im Eigenheimbereich. Bei den Mietwohnungen vermutlich auch – sicher falls der Druck auf die Renditen zunimmt. Zu den gemeinützigen Baugenossenschaften: Wenn das globalisierte Immobilienkapital ungehindert auch Mietwohnungen kaufen kann, dann drängen Sie die Baugenossenschaften aus dem Geschäft. Das kann man auch nicht wollen. Diese sollten nämlich ihren Marktanteil ausweiten, nur schon dem Binnenkonsum zuliebe.

NZZ: Vieles von dem, was Sie sagen, klingt nach reiner Lehre. Spielen nicht gerade im Immobilienmarkt noch viele weiche, irrationale Faktoren mit hinein?

DM: Die Lehre vom freien Markt ist halt rein, der Mensch jedoch etwas Komplexes, das stimmt. Aber man darf deshalb Marktmechanismen nicht unterschätzen. Anreizsysteme wirken. Das sollte man nie vergessen.

Jacqueline Badran: In der Ökonomie gibt es das Fach Bodenökonomik. Dies weil Boden das einzige Gut ist, wo das Angebot nicht beliebig ausgeweitet werden kann (Wasser und Luft können theoretsich in beliebiger Menge hergestellt werden) und man auf der anderen Seite zwangskonsumieren muss (die Nachfrage nicht Null sein kann, wie bei Turnschuhen oder Tomaten). Viele Modelle tragen diesem aber nicht Rechnung, zum Beispiel Modelle zur Marktmiete treiben einem die schamesröte ins Gesicht, so penibel sind diese.
Es ist ein spezieller Markt und soll auch als solches behandelt werden. Das wussten schon unsere Vorfahren als sie Bürgergemeinden gegründet hatten und Bewirtschaftungsgemeinschaften und so die Bodenrente sozialisiert hatten. Dies hat eine lange Tradition. Nicht um sonst haben neoliberale Ökonomen beim Zerfall des Ostblocks gefordert, alles schockartig zu privatisieren ausser dem Boden, der in langjährigen Verträgen im Baurecht abgegeben werden sollte.
Man kann es auch einfach zusammenfassen: Mobiles Kapital passt nicht mit immobilen Gütern zusammen.

Interview: Thomas Isler, Larissa Bieler