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Zwischen Sibirien einfach und Morgarten

Publiziert im „Wohnen“ – Zeitschrift der Wohnbaugenossenschaften Schweiz, November 2014

 

Wissen sie noch vor gut zwei Monaten? Da hat sich doch der Hauseigentümerverband erdreistet, eine anonyme Aktion loszutreten. Er schaltete Inserate man solle dem Verband Mietmissbräuche in Genossenschaften melden. Der HEV lässt nichts aus, um Genossenschaften zu verunglimpfen. Es wohnen die falschen Leute drin (zu reich) und die Genossenschaften seien eh subventioniert (zu wenig Baurechtszinsen). Was natürlich alles grundfalsch ist, was ich schon mehrfach an dieser Stelle ausgeführt habe.

Der Schuss ging reichlich hinten raus: Wir haben die Schlacht gewonnen! Hurra! In Zürich haben wir nun Zonen für den preisgünstigen Wohnungsbau. Gewonnen haben wir trotz einer millionenschweren Schmuddel-Kampagne, die suggerierte die Mieten würden mit dieser Änderung des Planungs-und Baugesetzes steigen. Fadengerade gelogen. Wenn Sie nicht bereits wussten wie weit Verbände gehen, um ihre (leistungsfreien) Gewinne zu sichern, hier konnten Sie’s sehen.

Ab nach Sibierien

Das eigenartigste was mir im Abstimmungskampf Begegnete war der Kommunismus-Vorwurf. Ich hätte doch alle meine politischen Ideen zur Immobilien- und Bodenpolitik aus Sibirien importiert. Und dahin solle ich doch auch verschwinden. Nein ernsthaft! Diese Sprüche hörte ich das letzte Mal während des kalten Kriegs in den 80er-Jahren: Sibirien einfach. Oder war’s Moskau? Und das kam nicht etwa nur aus dem Munde von etwas desorientierten Hardliner-SVPlern.

Die 15er-Jubiläen haben’s in sich

Nun daraufhin habe ich mich entschlossen, nächstes Jahr die Schlacht bei Morgarten von 1315 zu feiern. An ihrem 700 Jahre Jubiläum.  Ich meine, ich darf doch auch jubilieren wenn diejenigen, die mich nach Sibirien schicken wollen, das 500 Jahre Jubiläum der Schlacht bei Marignano von 1515 feiern, als geschichtsverklärter Anfang der immerwährenden Neutralität. Schliesslich hat die SVP die Geschichtsdeutung nicht für sich gepachtet. Im gleichen Paket kann man auch noch das 200 Jahre Jubiläum des Wienerkongresses 1815, an dem uns die bewaffnete Neutralität von den Grossmächten aufgezwungen wurde, sozusagen als neutrale Pufferzone. Diese 15 hat’s jubiläumstechnisch in sich.

Die Schlacht bei Moorgaten 1315: Genossamen gegen Grosgrundbesitzer

Sie fragen sich was jetzt die Schlacht bei Moorgarten mit Genossenschaften zu tun hat? Ganz einfach: Alles. Bei der Schlacht ging es um einen Landnutzungsstreit. Das Kloster Einsiedeln nutzte nämlich Land, dass der Kooperation Schwyz gehörte. Ja, sie lesen richtig, eine Korporation (auch Genossamen genannt) ist nichts anderes als eine Genossenschaft, die der gemeinschaftlichen Bodennutzung verpflichtet ist. So waren die nämlich organisiert damals. Es waren Zeiten, da gab es in der Innerschweiz keine Gebietskörperschaften, wie Gemeinden, sondern nur Korporationen, in denen sich die (mehrbesseren) Bauern zusammentaten. Nun stiess es der Korporation Schwyz gehörig auf, dass das Kloster einfach so ihr Land nutzte. Sie überfielen das Kloster verklopften den Abt und als dieser die Habsburger zu Hilfe rief bekamen sie ebenso gehörig Angst. Sie riefen die Korporation Uri und Nidwalden zu Hilfe und schworen sich gegenseitig Hilfe. Und sie gewannen die Schlacht gegen den Adel, der Korporationen als ungeheuerliche Bedrohung ihres Anspruchs auf Gross-Grundbesitz wähnte.

Die Schweizwerdung: Am Anfang stand ein Bodennutzungs-Streit

So – die Schweiz-Werdung zur Eidgenossenschaft begann also mit einem Landnutzungsstreit. Voila, kein Kommunismus-Import, sondern uralte Tradition. Und das gehört doch ordentlich gefeiert und allen heutigen Bewohnern dieses Landes erzählt. Schliesslich ist die Schlacht um Zonen für den Gemeinnützigen Wohnungsbau nichts anderes als eine Rückeroberung des Bodens und Rückführung in die korporative Nutzung. Wie vor 699 Jahren auch. Und ich schicke künftig alle, die mich nach Sibirien schicken wollen, nach Moorgarten.

PS. Die Schwyzer Korporationen gibt’s immer noch. Und letztes Jahr haben sie das erste Mal den Abt von Einsiedeln eingeladen. Gehen sie schauen: www.schwyzer-korporationen.ch