Politische Wende bei der Lex Koller
28. August 200726. August 2007, NZZ am Sonntag
Politische Wende bei der Lex Koller
Keine Mehrheiten mehr für Abschaffungs-Vorlage des Bundesrates – nur noch FDP stützt die Regierung
Der Bundesrat läuft mit der Aufhebung der Lex Koller ins Abseits: Nach der SVP sprechen sich jetzt auch die SP und grosse Teile der CVP gegen die Absicht des Bundesrates aus.
Markus Häfliger, Pascal Hollenstein
Noch vor sechs Wochen schien das Ende der Lex Koller besiegelt: Als der Bundesrat am 4. Juli die Abschaffung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vorschlug, wusste er alle grossen Parteien hinter sich. Nur die Schweizer Demokraten und die Eidgenössisch-demokratische Union hatten in der Vernehmlassung für die Beibehaltung der Lex Koller plädiert.
Jetzt hat sich das Blatt gewendet. Nachdem die SVP bereits vor einem Monat offiziell umgeschwenkt ist (NZZaS vom 22. Juli), zieht nun die SP nach. «Die SP wird in den Kommissionen die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat verlangen», kündigt Präsident Hans-Jürg Fehr an. Formell soll der Beschluss zwar erst am nächsten Wochenende in der Fraktionssitzung fallen; Fehr zweifelt aber nicht daran, dass sich seine Meinung durchsetzt. Eine SP-Fachkommission hat sich bereits am Montag gegen die bundesrätliche Vorlage ausgesprochen.
In der CVP rumort es
Im Unterschied zu SVP und SP halten die Spitzen von FDP und CVP dem Bundesrat noch die Stange – doch auch in den Mitteparteien rumort es, vor allem in der CVP. «Wenn ich heute darüber abstimmen müsste, würde ich an der Lex Koller festhalten», sagt CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger. Für den Luzerner, der am rechten Parteirand politisiert, geht es dabei «um die staatspolitische Frage, wie viel Boden man Ausländern zur Verfügung stellen will». Im Moment gäbe es in der Fraktion ein Nein zur Vorlage, fasst Fraktions-Vizepräsidentin Brigitte Häberli-Koller die Stimmungslage zusammen. Sie hält es für notwendig, schon in der Herbstsession eine Aussprache in der Fraktion zu führen, denn das Thema – obwohl erst nach den Wahlen im Parlament – beschäftige die Leute sehr.
Bereits am 8. September werden sich voraussichtlich die Grünen festlegen. Parteipräsidentin Ruth Genner geht davon aus, dass auch ihre Partei nicht bereit ist, die Lex Koller preiszugeben, bevor als Ersatz «andere feste Pflöcke im Raumplanungs- und Mietrecht eingeschlagen sind».
Die einzige Partei, die derzeit noch einigermassen geschlossen hinter der Bundesratsvorlage steht, ist die FDP. «Die Lex Koller dünkt mich nicht mehr nötig», sagt etwa Nationalrat Kurt Fluri – sofern man, so wie es der Bundesrat vorsieht, als Ersatz flankierende Massnahmen ergreife (vgl. Box). Doch auch in der FDP gibt es kritische Stimmen. Die Vorlage bereite ihm «Bauchschmerzen», sagt der Zürcher Nationalrat Filippo Leutenegger.
Neue Argumente
Warum lehnen die Parteien plötzlich eine Vorlage ab, die sie vor wenigen Wochen grundsätzlich noch unterstützt haben? SP-Chef Fehr sagt, in den letzten Wochen seien «neue Argumente ins Zentrum gerückt». Bisher sahen die Links- und Mitteparteien die Lex Koller vor allem als Ausdruck eines Blut-und-Boden-Patriotismus. Zudem war man sich weitgehend einig, dass das Gesetz seinen eigentlichen Zweck – die Verhinderung der Zersiedelung der Landschaft – nicht erfüllt hat. Dieses Ziel sei mit raumplanerischen Vorschriften eher zu erreichen, meinen viele SP-, FDP- und CVP-Politiker.
Doch in den letzten Wochen hat ein anderer Aspekt in der Debatte die Oberhand gewonnen: die Angst vor steigenden Immobilienpreisen und Mieten, wenn ausländische Privatpersonen und Gesellschaften im grossen Stil Schweizer Liegenschaften kaufen. Die Bundesratsvorlage thematisiert diese Problematik nur in ein paar Sätzen. Nur schon deshalb sei das Papier «unbrauchbar», urteilt die Zürcher SP-Nationalrätin Barbara Marty Kälin.
Der Meinungswandel in der SP ist vor allem das Verdienst einer Lokalpolitikerin. Seit anderthalb Jahren kämpft die Zürcher SP-Gemeinderätin Jacqueline Badran parteiintern gegen die Abschaffung der Lex Koller – und scheint sich nun durchzusetzen. Doch das Preis-Argument treibt nicht nur SP-Leute um. Auch CVP-Nationalrätin Kathy Riklin befürchtet, dass in Städten und Agglomerationen die Mieten steigen. «Dagegen wehrt sich mein Mieterherz», fügt Riklin an. Der Luzerner FDP-Nationalrat Otto Ineichen sagt, er kenne Liegenschaften an exklusiver Lage, deren Preis nur schon durch die Ankündigung der Aufhebung der Lex Koller gestiegen sei.
Aus diesen Gründen sagt auch der Mieterverband Nein zur Vorlage. «Der Bundesrat hat unsere Vorschläge komplett ignoriert», ärgert sich Verbandspräsidentin und SP-Nationalrätin Anita Thanei. Sie hält die Vorlage gar für zynisch: Dass darin festgehalten sei, bei steigenden Mietpreisen könnten die Mieter ja die Wohnung wechseln oder ein eigenes Haus kaufen, findet Thanei «schlicht unfassbar». Falls die Vorlage nicht massiv nachgebessert werde, «halte ich es für möglich, dass wir das Referendum ergreifen werden».
26. August 2007, 02:21, NZZ Online
Von der Lex von Moos bis zur geplanten Abschaffung
Von der Lex von Moos bis zur geplanten Abschaffung
Unter dem Eindruck eines befürchteten Ausverkaufs der Heimat erliess das Parlament 1961 erstmals Vorschriften, welche den Grundstückerwerb von Ausländern in der Schweiz einschränkten. Diese sogenannte Lex von Moos wurde mehrere Male verändert, angepasst und abgeschwächt: Aus der Lex von Moos wurde die Lex Furgler, später die Lex Friedrich. Die letzte grosse Reform fand unter CVP-Justizminister Arnold Koller 1997 statt, wobei später im Zusammenhang mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU weitere Lockerungen vorgenommen wurden. In der heutigen Form unterstellt die Lex Koller nur noch den Erwerb von Ferienwohnungen und nicht selbst genutztem Wohneigentum durch Ausländer einer Bewilligungspflicht. Auch ausländische Pensionskassen und andere juristische Personen können in der Schweiz nicht frei Wohneigentum erwerben. Mit der Aufhebung der Lex Koller will der Bundesrat auch diese letzte Hürde beseitigen. Um der Zersiedelung der Landschaft entgegenzuwirken, will der Bundesrat die Kantone verpflichten, raumplanerische Massnahmen zu ergreifen. Solange die Kantone diese nicht umgesetzt haben, sollen keine Zweitwohnungen bewilligt werden. (pho.)