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Unternehmerin mischt die SP auf (Medienspiegel)

Portrait von Jacqueline Badran in der Aargauer Zeitung. Publiziert am 31.3.2012

Artikel über Jacqueline Badran in der Aargauer Zeitung vom 31. März 2012

 

 

Von Anna Wanner

Zürich. – Der erste Kontakt gestaltet sich schwierig: Jacqueline Badran traut den Medien nicht mehr über den Weg. Kaum 100 Tage im Nationalrat, erhielt sie schon den Stempel «Provokateurin» aufgedrückt. «Mich trifft das, wenn ein Journalist ohne Beleg behauptet, es handle sich bei meinen Vorstössen um populistische Vorschläge», sagt die 50-jährige Zürcherin. Wenn sie Politik mache, sei das ein Ergebnis von jahrelangem Ringen. Jetzt werde es so dargestellt, als würde sie einfach mal eine Idee in die Arena werfen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie sagt, die Medien machten sie unglaubwürdig. Das erschwere ihre Arbeit als Nationalrätin. «Anders als im Gemeinderat erleben mich die Kollegen auch über Labels: als Mörgeli der SP und bekannt für provokative Vorschläge.» Jetzt begegnet sie Journalisten misstrauisch, will wissen, mit wem sie es zu tun hat und lässt Tage auf einen Termin und eine halbe Stunde auf ihr Erscheinen warten.

Es ist schwierig, ihr gerecht zu werden. Sie überlebte den Crossair-Absturz in Bassersdorf vor zehn Jahren, buddelte sich aus einer Lawine aus und wäre als Dreijährige ertrunken, hätte ihr Vater sie nicht gerettet.

Bauarbeitende Neurobiologin

Den Pfefferminztee trinkt sie mit Orange. Und das weiss die Kellnerin im Zürcher «Volkshaus», bevor Badran die Bestellung aufgibt. Dann zündet sie sich eine Zigarette an. Als Kind habe sie viel ferngeschaut. Sie wollte Forscherin werden, wie jene im Fernsehen, die in weissen Kitteln die Welt retteten. Die Realität nach dem Studium der Neurobiologie ernüchterte sie: «Im Labor arbeitet jeder für sich, fast autistisch.» Jacqueline Badran entschied sich für ein zweites Studium. Sie ging an die Universität St. Gallen, weil fast alles im Alltag mit Ökonomie zu tun habe.

Die Studien finanzierte sie sich, indem sie auf dem Bau, als Skilehrerin und als Billettabreisserin im Kino arbeitete. Ab 14 blieb sie keine Nacht zu Hause, sondern machte Sport und vergnügte sich im Zürcher «Dörfli». Sie sagt, dass sie wegen ihres «exzessiven Lebensstils» glaubte, nicht älter als 40 Jahre alt zu werden. Heute ist sie 50, leitet eine IT-Firma mit 25 Mitarbeitern und ist mit Victor Badran, Velo-Kurier und Buchhalter, verheiratet. Auf ihrer Dachzinne pflanzt sie Erbsen, Zucchetti und Bohnen an.

Ausserhalb des SP-Mainstreams

Eine Zweitwohnung besitzt Badran nicht. Aber als sie in den Nationalrat gewählt wurde, suchte sie sich ein Zimmer in Bern: sieben Quadratmeter, eine WG mit Jusos. «Weil sie mehr Begeisterung haben als die Alt-Genossen.» Auch ihre politischen Schwerpunkte divergieren von jenen der Parteikollegen in der Bundeshausfraktion. Bildungs-, Sozial- und Gesundheitspolitiker gebe es genügend in der SP. Sie interessiere sich für Wirtschaftsthemen, wie Finanz-, Boden- und Immobilienpolitik.

Sie kritisiert die Personenfreizügigkeit und eckt parteiintern an. Dass sie ab und zu andere als SP-übliche Positionen habe, lasse sich aus ihrer Biografie ableiten: Als Unternehmerin kämpfe sie für Aufträge, müsse gegen ausländische Firmen bieten und ziehe dann oft den Kürzeren, weil sie ihren Mitarbeitern einen anständigen Lohn zahlen wolle. Die SP setze sich zwar für flankierende Massnahmen ein. «Aber sie denken dabei an Bauarbeiter und Verkäuferinnen.» Das sei richtig und wichtig. Dass aber hoch qualifizierte Leute ebenfalls unter massiven Druck geraten, sei «out of the focus von SP und Gewerkschaften».

Sie befürwortet auch die «Lex Koller», welche es Ausländern erschwert, in der Schweiz Land zu erwerben. Eine Position, die als ausländerfeindlich gilt. Ist sie in der richtigen Partei? Badran antwortet: «Ja klar. Ich meine: What else?» Die Differenzen seien nicht so gross. Und sie glaubt an Argumente. «Ich habe bereits den Mieterverband von der ‘Lex Koller’ überzeugt.» Auch die SP-Position könne sie noch kippen. Denn: «Die SP vergass, die Bodenpolitik überhaupt ins Parteiprogramm zu nehmen.» Sie habe diese eingebracht. Immerhin handle es sich bei Immobilien und Boden um die grössten volkswirtschaftlichen Faktoren.

Und wenn sie irgendwann genug hat vom Irrsinn in Bern, rettet sie die letzten Gorillas vor dem Aussterben.