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Zu den Panama-Papers (E-Mail-Debatte in der NZZ a.S.)

Die E-Mail-Debatte
publiziert in der NZZ a.S. vom 10.4.2016
«Es sind die Linken, die gegen den Überwachungsstaat sind»

Jacqueline Badran

Wir ahnten es ja schon lange. Da existiert eine Parallelwelt für das globale Kapital, für das Geld der Superreichen und Mächtigen. Sie ist unzugänglich, ja fast unsichtbar, und sie kennt keine Grenzen. Die Panama-Papers brachten 11,5 Millionen Dokumente vom Dunkeln ans Licht. Aus einer einzigen Kanzlei – von denen es noch Tausende gibt. Nun wissen wir es. Für das Kapital gelten andere Regeln als für die Einkommen der Lohnabhängigen. Steuerflucht, Geldwäscherei aus kriminellen Geschäften, Umgehungen von Embargos. Alles unmöglich für Leistungsträger mit dem Lohnausweis. Es ist ekelerregend. Finden Sie nicht, es wäre an der Zeit, diesem Gebaren ein Ende zu setzen?

Gregor Rutz

Liebe Frau Badran; selbstverständlich gehört es sich für anständige Bürger, dass sie ihre Steuern bezahlen. Da sind wir uns hoffentlich einig. Aber bevor Sie jetzt wieder in politischen Aktivismus ausbrechen, muss zuerst einmal geklärt werden, mit welchen Tatbeständen wir es hier überhaupt zu tun haben. Was war legal, was war illegal – hier ist noch vieles im Dunkeln. Dass die einzelnen Länder dieser Welt unterschiedliche Rechtssysteme haben, ist nicht neu. Dass es Steuerschlupflöcher gibt, weiss man längst. Übrigens auch in den USA, welche sich gerne als Vorreiter für Transparenz und Kämpfer gegen Schwarzgeld ausgeben. Schaut man genauer hin, ist der Glanz auch hier rasch weg.

Jacqueline Badran

Einverstanden. Die USA sind mit ihren Offshore-Standorten wie Delaware oder Florida mehr als verlogen, wenn sie sich gleichzeitig als Gerechtigkeitspolizei aufspielen. Aber darum geht es nicht. Es geht auch nicht nur um reine Steuerhinterziehung, sondern auch um die Geldwäscherei der mit kriminellen Geschäften erzielten Gewinne. Die Panama-Papers zeigen, dass die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca mit 1233 spezialisierten Schweizer Firmen zusammenarbeitete, die in den letzten 40 Jahren mehr als 34 000 Offshore-Briefkastenfirmen aufbauen liessen; damit ist die Schweiz nach Hongkong Spitzenreiterin. Jetzt stehen Schweizer Anwaltskanzleien und Treuhänder als Helfershelfer dieses Systems am Pranger. Es sind ja sehr oft gar nicht unsere Banken, die Steuerflucht- oder Geldwäscherei-Konstrukte basteln, sondern eben diese Kanzleien. Jeder ehrliche Mensch, der tagtäglich redliche Arbeit leistet, zahlt am Ende dafür. Diese Finanzkriminalität muss deshalb sofort unterbunden werden. Andere Rechtssysteme in Ehren, aber nicht wenn sie nur das Ziel haben, Finanzkriminalität zu ermöglichen. Die EU droht mit Sanktionen gegen alle Offshore-Standorte. Was halten Sie davon?

Gregor Rutz

Ruhig Blut – zuerst müssen wir einmal wissen, worüber wir hier überhaupt reden. Es ist nicht verboten, sich bei einer Anwaltskanzlei beraten zu lassen. Ebenso darf jeder seine Steuererklärung so ausfüllen, dass er nur bezahlen muss, was wirklich geschuldet ist. Ob die EU viel erreichen kann, bezweifle ich. Und was die Schweiz anbelangt: Wir haben bereits heute eine Regulierungsdichte, die absurd ist. Was wollen Sie denn noch alles regeln? Am Schluss sind wir beim Bargeld-Verbot, wenn Sie absolute Transparenz der Finanzflüsse wollen. Und darunter leidet wieder der einfache Bürger – nicht die Reichen. Schauen Sie: In einem liberalen Staatssystem, das eine tiefe Steuerbelastung hat und das unbürokratisch funktioniert, hat gar niemand einen Anreiz für Schwarzarbeit, Steuerflucht oder andere kriminelle Machenschaften. Oder anders gesagt: Steuerwettbewerb hat immer besser funktioniert als eine Paragrafenflut.

Jacqueline Badran

Mit solchen Floskeln kann man alles schönreden. Das passt zu Ihrer Politik der Privilegienverteilung und Intransparenz für die Reichen und Mächtigen. So hat die SVP beim Ausschaffungsgesetz aktiv Steuerbetrug, Geldwäscherei, Insiderhandel und Urkundenfälschung als Ausschaffungsgrund ausgenommen! Ebenso wollen Sie nicht, dass die Inhaberaktien abgeschafft werden, die die Identität von Kapitaleigentümern verschleiern. Das Steuerhinterziehungsgeheimnis wollen Sie auch beibehalten. So frage ich Sie: Wann kehren Sie endlich Ihrer fiesen Politik den Rücken, die ehrliche Leistungsträger benachteiligt und Finanzkriminelle schützt?

Gregor Rutz

Ab und zu frage ich mich, ob die SP die Bürger überhaupt ernst nimmt. Im Wochentakt bringen Sie Vorschläge für neue Gesetze. Jeder Bürger, jede Firma soll überwacht werden. Bald gibt es wohl noch Gratisanwälte für Bürger, welche ihr Geld anlegen wollen. Wenn wir so weitermachen mit dem Finanzplatz Schweiz, gibt es bald keine Treuhänder oder Vermögensverwalter mehr, und wir haben nur noch zwei, drei Grossbanken. Ist das Ihre Vision? Zehntausende Arbeitslose und ein durchregulierter Staat? Sie wollen alles auf den Kopf stellen. Hören wir auf, am Bankgeheimnis zu sägen – dieses ist nämlich für die Kunden da, nicht für die Banken. Zu meinen, den Armen gehe es besser, wenn die Reichen weniger haben, ist absurd. Bleiben wir doch vernünftig: Die Steuerehrlichkeit in der Schweiz ist hoch, die Rechtssicherheit ebenfalls. Staaten, welche sorgfältig mit dem Steuergeld umgehen, haben auch keine Steuerflucht. Als Politiker sind wir für die Schweiz verantwortlich, nicht für Panama. Wir sollten uns um die Probleme hierzulande kümmern – auch wenn dies ab und zu unattraktiv und schwierig ist.

Jacqueline Badran

Ich wüsste nicht, welche Gesetze wir im Wochentakt vorschlagen. Dem Mittelstand geht es auch nicht besser, wenn er ständig abgezockt wird. Und wenn ich mich recht entsinne, ist es doch genau umgekehrt: Es sind die Linken, die gegen den Überwachungsstaat sind.