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Sicherheits- und Energieinfrastrukturen sollten in einheimischen Händen bleiben und der Lex Koller unterstellt werden.

Publiziert als Gastkommentar in der NZZ vom 27.6.2018

Gastkommentar

Sicherheits- und Energieinfrastrukturen sollten in einheimischen Händen bleiben
Wer möchte den Aufschrei in der Schweiz hören, wenn Wasser-Konzessionen an den katarischen Staatsfonds gehen?
Eigentumsverhältnisse sind entscheidend. Diese Meinung vereint Parteien von links bis rechts. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung des Kapitals geben die Eigentumsverhältnisse immer wieder Grund zur Sorge: Seien es die von Implenia abgewehrte Übernahmeschlacht durch den britischen Laxey-Hedge-Fund (sinnigerweise mit Berufung auf die Lex Koller), der Kampf der Sika gegen einen Verkauf, der Kauf von Syngenta durch Chinesen oder jüngst der Fall Sulzer mit dem Hauptaktionär Vekselberg.
Bereits vor zehn Jahren, als Vekselberg die Sulzer klammheimlich übernahm, haben sich Topmanager in einer Umfrage beunruhigt gezeigt. Drei Viertel gaben an, systemrelevante Sicherheits- und Energieinfrastrukturen sollten in einheimischen Händen bleiben.

Natürliche Monopole

In dieser Logik ist mein Vorstoss zur Unterstellung der Energieinfrastrukturen unter die Lex Koller zu verstehen, den die ständerätliche Kommission kürzlich einstimmig angenommen hat. Die meisten Energieinfrastrukturen wie die Hochspannungs- und Verteilnetze sind natürliche Monopole und gehören ohnehin in die öffentliche Hand, weil sie wettbewerblich nicht zu betreiben sind und über administrierte Mengen und Preise verfügen. Das steht in jedem neoliberalen Theoriebuch und wird so an der Universität St. Gallen gelehrt.

Die Teilprivatisierung der Stromnetze war und bleibt ein ordnungspolitischer Flop. Grosse Produktionsanlagen wie Wasserkraftwerke können zwar wettbewerblich organisiert werden, gehören aber wie die Netze zur essenziellen Güterklasse, weil sie unentbehrlich sind. Strom muss 365 Tage 24 Stunden lang zur Verfügung stehen, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Nachfrage ist.

Populär gesprochen heisst das, es herrscht auf der Angebotsseite Produktionszwang und auf der Nachfrageseite Konsumzwang, unabhängig davon, wie hoch die Handelspreise sind. Ökonomisch gesprochen bedeutet dies, dass sowohl auf Angebots- wie auch auf Nachfrageseite die Preiselastizitäten gegen null schwinden. Das macht Netze wie auch grosse Produktionsanlagen zu Güterklassen, die «too important to fail» sind. Das heisst, der Staat wird in schlechten Zeiten immer einspringen und einen Preis, der unter Gestehungskosten liegt – wie es jetzt seit Jahren der Fall ist –, immer ausgleichen. Das nennt man dann kostendeckende Einspeisevergütung, Marktprämie oder garantierten Abnahmepreis, wie das die Briten den chinesischen AKW-Eigentümern auf 30 Jahre hinaus gewähren.

Wer will schon staatliche Beiträge an einen ausländischen Staatsfonds oder Hedge-Fund abführen?

Fakt ist, dass alle Länder Europas nach der reichlich misslungenen Pseudoliberalisierung die Strompreise, die nun vorwiegend an den Gaspreis gekoppelt sind, auf diese Weise retarifieren. Das müssen sie allein schon, um sicherzustellen, dass produziert, besonders aber auch investiert wird und so die Versorgungssicherheit garantiert werden kann. Die Tatsache, dass in guten Zeiten wacker Dividenden ausgeschüttet werden, in schlechten Zeiten Steuerzahler und Stromkonsumenten zahlen müssen, zwingt uns, ein besonderes Augenmerk auf die Eigentumsverhältnisse zu werfen. Wer will schon staatliche Beiträge an einen ausländischen Staatsfonds oder Hedge-Fund abführen?

Kein Verbot

Eine Unterstellung von Käufen durch Personen im Ausland unter eine Bewilligungspflicht – und nicht etwa ein Verbot – im Rahmen der Lex Koller ist mehrfach sinnvoll:

Erstens trägt es der Dringlichkeit Rechnung, weil der Gesetzgeber in einem bereits bestehenden Gefäss schnell agieren kann. Der Stromkonzern Alpiq will Teile der Wasserkraft verkaufen. Der chinesische Stromgigant State Grid steht in den Startlöchern.

Zweitens ist eine sektorielle Lösung opportun, bedarf es doch bei rein privatwirtschaftlichen Konzernen (wie etwa beim Fall Syngenta) völlig anderer allfälliger Übernahmeregelungen und eines grundsätzlichen «Ja, ausser», statt wie bei der Lex Koller eines «Nein, ausser», weil bei Nichtessentiellen Güterklassen das «Too important to fail»-Argument nicht greift.

Und drittens ist die Philosophie der Lex Koller deckungsgleich. Wie sagte Roland Dörig, Geschäftsführer der Credit Suisse Infrastructure, so schön: «Bei versorgungskritischen Anlagen sollten Aktionäre im selben Boot sitzen wie diejenigen, die die Anlagen nutzen und von ihnen abhängig sind.» Genau diesem Vorbehalt folgt die Lex Koller bei Immobilien und verhindert eine Verdrängung («crowding-out») einheimischer Käufer, die Immobilien zum Eigenbedarf und nicht als reine Anlage nutzen.

Viertens ist dem mit einem künftigen EU-Stromabkommen verbundenen Gebot, Wasserkonzessionen international zu versteigern, ein Riegel zu schieben.

Wer möchte den Aufschrei in der Schweiz hören, wenn die Konzessionen an den katarischen Staatsfonds gehen? Eine Kritik an den Kommissionsentscheiden ist damit nichts anderes als faktenferne und religiös überhöhte Marktideologie.

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Dieser Gastkommentar ist eine Replik auf einen Beitrag in der NZZ des Juristen Martin Fröhse zu verstehen:
https://www.nzz.ch/meinung/lex-koller-fuer-infrastrukturendie-angst-vor-dem-drachen-ld.1368565