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E-ID Rückschritt in den Feudalismus

Publiziert in der Weltwoche vom 17. 2. 2021

Das E-ID-Gesetz ist ein Rückschritt in den Feudalismus

Dass es auch in der digitalen Welt eine Identität braucht, steht ausser Frage. Mit der E-ID-Vorlage, über die am 7. März abgestimmt wird, werden die Weichen aber falsch gestellt. Sie führt zu einem privaten Monopol, das für die Allgemeinheit nur Nachteile hat. Von Jacqueline Badran*.    

Politik ist die Kunst der Gestaltung des Ordnungs-Rahmens unserer Lebensbedingungen. Im Feudalismus sagte uns der Adel, wie wir zu leben hatten. Er verlangte von der (bäuerlichen) Bevölkerung einen Zehntel der Ernte, den «Zehnten». Die bürgerliche Revolution unter den Idealen «Freiheit, Gleichheit und Solidarität» brachte uns den demokratischen Rechtsstaat, der (theoretisch) dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Und die Befreiung von der Abgabe des Zehnten an die Adeligen.

Wir dürfen also bestimmen, was Privatsache ist und welche Aufgaben wir als Gemeinschaft übernehmen beziehungsweise dem Staat übertragen. Die Libertären unter uns setzen auf einen Minimalstaat: Nur das absolut hoheitliche wie Militär, Polizei, Gerichte oder eben der Nachweis und die Herausgabe der Identität der BürgerInnen (also offizielle Ausweise, Pass, Identitätskarte). Die neoliberal wirtschaftsorientierten würden alle Leistungen hinzufügen, die ein natürliches Monopol bilden: Wasser, Post, Bahn, Strassen, Strominfrastruktur. Die Demokratieorientierten würden zudem Leistungen wie etwa der Betrieb von Schulen und Spitälern der Gemeinschaft übertragen, von denen sie überzeugt sind, dass jeder ein Anrecht darauf hat.

Die Klammer um diese Konzepte ist, dass Güter und Dienstleistungen, die in modernen Zivilisationen alle beziehen müssen – wo also Konsumzwang herrscht – von der Gemeinschaft zu kostendeckend Gebühren allen zugänglich gemacht werden müssen. Wir glauben daran, dass alle Grundgüter und Dienstleistungen, denen gehören sollten, die sie nutzen müssen und davon abhängig sind. Es ist so, wie wir das in der Schweiz (noch) organisiert haben. Und wir sind nicht nur stolz darauf, sondern auch noch äusserst erfolgreich damit. Doch bei der Herausgabe und dem Vertrieb eines elektronischen Ausweises (Identität in der digitalen Welt, E-ID) soll das plötzlich nicht mehr gelten?

Wieso sollten wir eine so eindeutig hoheitliche Aufgabe an Private übertragen? Ein Vorteil für den Kunden wäre denkbar, wenn ein echter Wettbewerb entstünde. Doch bei der Identifizierung handelt es sich um ein natürliches Monopol. Nach dem Prinzip «der Gewinner (meist der Grösste) nimmt alles» – so wie bei Google und Facebook– würde bald ein Anbieter den Markt beherrschen. Und selbst wenn ein paar grosse Konzerne den Kuchen unter sich aufteilen würden, entstünde keine Konkurrenz – ganz einfach, weil es bei einem derart standardisierten Vorgang keinen Mehrwert gibt, mit dem man Kunden anwerben und einen Konkurrenten übertrumpfen könnte.

Die Privatisierung ist schon deshalb unsinnig, weil der Staat ohnehin beim Bundesamt für Polizei eine Einwohnenden-Datenbank aufbauen muss, welche die Identität bei jedem einzelnen Gebrauch der E-ID bestätigen muss. Nur die Speicherung und Verwendung unserer persönlichen Daten läge bei einem Privatunternehmen. Für diese nutzlose Doppelspur muss der Bund erst noch eine neue Kontrollbehörde gegen Datenmissbrauch schaffen, die EIDCOM. Also noch mehr Bürokratie.

Die E-ID ist nützlich etwa beim Online-Einkauf, bei der Online-Steuererklärung oder wenn wir künftig unsere Gesundheitsdaten abfragen. Doch es ist nicht einsehbar, warum bei jeder Identifizierung auch noch ein kommerzieller Konzern mitkassieren soll und dazu noch die Möglichkeit erhält, unsere persönlichen Daten zu veredeln. Gewiss, eine E-ID bedarf einer speziellen Technologie. Doch diese haben auch Konzerne nicht auf Lager, sie kaufen diese bei IT-Experten ein. Und genau das kann auch der Bund tun. Das «Ländle» Liechtenstein hat das geschafft, wieso in aller Welt sollte das die Eidgenossenschaft nicht können?

Es ist bedenklich, dass bürgerliche Kräfte den Lobbyisten auf den Leim gegangen sind und einem solchen ordnungspolitischen Sündenfall zustimmen. Die aktuelle Vorlage zur E-ID ist so ziemlich die dümmste Vorlage, die Bundesbern je geschaffen hat. Es ist ein Rückfall in den Feudalismus insofern, als eine hoheitliche Aufgabe, die Kontrolle über unsere persönlichen Daten, einem modernen Landvogt übertragen wird und wir einen modernen «Zehnten» abzugeben haben. Das ist etwa so, als würde man das Wasser privatisieren. Jedes Mal, wenn wir den Wasserhahn aufdrehen, müssten wir einem Wasservogt noch eine Zusatz-Gebühr entrichten, ohne dass für uns als (Zwangs-)Konsumenten irgendein Vorteil resultiert.

Damit es klar ist: Es geht nicht um die Frage, ob wir für eine elektronische Identität sind oder dagegen. Eine eindeutige Identität ist in der digitalen Welt – analog zu einem Pass oder einer Identitätskarte – längst fällig. Die einzige Frage, die sich stellt: Wer soll die Herausgabe des elektronischen Ausweises übernehmen? Wer soll Kontrolle über unsere persönlichen Daten haben? Und wieviel wollen wir dafür bezahlen? Und da ist die Antwort eindeutig: Das ist eine hoheitliche Gemeinschaftsaufgabe. Punkt. Deshalb gehört diese Vorlage der E-ID wuchtig abgelehnt mit der Aufforderung, dass Bundesrat und Parlament schleunigst ihren Job richtig machen.

  • * Jacqueline Badran ist Unternehmerin im digitalen Bereich und Nationalrätin (SP/ZH).