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Kolumne #Korrigendum: Grosse Binsen-Falschheiten um die AHV

Publiziert in der Sonntagszeitung, Newsnetz online am 4.2.2024

https://www.tagesanzeiger.ch/ahv-abstimmung-binsen-falschheiten-um-die-13-ahv-rente-911836302562

Kolumne: Badrans #Korrigendum
Grosse Binsen-Falschheiten um die AHV

 

«Die Menschen im Alter sollen keine Existenzängste haben müssen.»

Sind Ihnen die grossen Inserate und Bezahl-Inhalte der Finanzindustrie in den Medien schon mal aufgefallen, die vollmundig Altersvorsorge-Produkte anpreisen? Da kommen Geschichten, die AHV sei gefährdet, ein Ausbau unmöglich finanzierbar, gerade richtig. Gleichzeitig warnen sie widersprüchlich, die Renten reichten nicht zum Leben. Vom denkfaulen Journalismus nacherzählt: So werden Binsen-Falschheiten produziert. Oder hätscheln sie unbewusst einen ihrer grössten verbliebenen Werbekunden?

Dies, obwohl die seit Jahrzehnten herbeigeredeten Untergangsszenarien der AHV nie eingetroffen sind. Die Prognosen lagen konstant um Milliarden zu tief. Da wird behauptet, dass immer weniger Einzahlende immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren müssen. Nur, die AHV ist nicht von der Anzahl einzahlender Personen abhängig, sondern von der Lohnsumme. Resultierend (mit Ausnahmen) in Milliarden hohen positiven Umlageergebnissen. Könnte man ja mal erwähnen.

Oder, dass die Aktivgeneration 0,4 Prozent mehr Lohnbeiträge, die die Kaufkraftsicherung durch die 13. AHV kosten würde, nicht stemmen könne. Wie heuchlerisch, wenn man gerade die Pensionskassen-Beiträge um ein Mehrfaches erhöhen will. Wussten Sie, dass die gesamten Lohnbeiträge in die Sozialversicherungen gesunken sind? Mit der über Lohnbeiträge finanzierten 13. AHV-Rente wären wir auf dem Stand von 2018. Und da ist «die Wirtschaft» ja auch nicht zusammengebrochen.

Kein Wort darüber. Dass man ein Prozent der fast doppelt so hohen Lohnbeiträge von der 2. Säule (Pensionskassen) in die 1. Säule (AHV) verschieben könnte und damit die 13. AHV «kostenneutral» finanzieren bei deutlich höheren Renten, ist in den Medien keine Überlegung wert. Müsste man aber, zumal sich die Pensionskassen-Renten seit Jahren im Sinkflug befinden. Zu denken geben sollte weiter, dass 40 Prozent der Pensionskassenrenten an das reichste Fünftel fliessen und keine 2 Prozent an das ärmste Fünftel der Rentner. Aus der Perspektive der Kaufkraft ein volkswirtschaftliches Debakel.

Neun von zehn Personen bekommen mehr AHV, als sie je einbezahlt haben

Schliesslich ist die AHV keine Kuschelveranstaltung der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften, sondern ein Instrument zur Sicherung der Kaufkraft auch nach dem Erwerbsleben. Und so ganz nebenbei hat die AHV ganze Generationen von Existenzängsten befreit!

Womit wir bei der übelsten Binsen-Falschheit angelangt sind: die Belastung der Erwerbsbevölkerung durch die Beiträge an die AHV. Wie konnte das nur passieren? Die Einführung der AHV war das grösste Entlastungsprojekt aller Zeiten. Die arbeitende Bevölkerung wurde entlastet, finanziell für ihre Eltern zu sorgen. Das übernahmen fortan vor allem die einkommensstarken knapp 10  Prozent. Neun von zehn Personen bekommen mehr AHV, als sie je einbezahlt haben. Die meisten verdienen also an jedem Lohnprozent, das in die AHV fliesst. Das nennt man Entlastung und nicht Belastung. Glauben denn die Journalisten, sie gehörten zu den Nettozahlern? Nein, tun sie nicht.

In dem Zusammenhang wird noch behauptet, man müsse besser «bei den Bedürftigen ansetzen, statt Giesskanne». Konkret, die AHV-Ergänzungsleistungen erhöhen. (Nachdem die gleichen Leute eben dafür gesorgt haben, dass einem Drittel der Bezüger die Leistungen gekürzt wurden). Verschwiegen werden dabei zwei Dinge: Erstens bekommt nur Ergänzungsleistungen, wer seine Ersparnisse bis zu einer Limite von 100’000 Franken aufbraucht. Der Vermögensverzehr geht zulasten des späteren Erbes, also der Kinder. Zweitens müssen die Kinder die Leistungen zurückzahlen. Das ist es, was die Aktiv-Generation belasten würde!

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die AHV ist einfach die genialste Lösung zur Sicherung von Kaufkraft und Existenz im Alter. Deshalb braucht es die 13. Rente als Ausgleich für die gesunkene Kaufkraft. Mindestens. Dass dabei auch die reichen Rentner mehr bekommen, macht das Ganze nicht weniger perfekt. Sie haben die AHV ja schliesslich netto finanziert.

In unserer Verfassung heisst es «…dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen». Es ist nicht der Job von Politik und Medien, der Privat-Assekuranz zu noch mehr Gewinnen zu verhelfen. Sondern dafür zu sorgen, dass die Kaufkraft im Alter erhalten bleibt, die Menschen keine Existenzängste haben müssen und «die Schwachen» nicht zu Bittstellern werden. Unser Staat verteilt keine Almosen, sondern hat mit der AHV eine der effizientesten Versicherungen aller Zeiten geschaffen.